Rechtsextremes Netzwerk "Freies Netz Süd":Unfassbare Kameradschaft

Das "Freie Netz Süd" gilt als größter und gefährlichster Zusammenschluss Rechtsextremer in Bayern. Alle im Landtag vertretenen Parteien haben sich nun für ein Verbot ausgesprochen. Doch Innenminister Herrmann hat erhebliche Bedenken.

Frank Müller und Mike Szymanski

Das von der Politik im Freistaat angestrebte Verbot des rechtsextremen Netzwerks Freies Netz Süd hat offenbar kaum Chancen auf Erfolg. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung äußerte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erhebliche Bedenken, dass sich die Organisation, die als derzeit größter und gefährlichster Zusammenschluss Rechtsextremer in Bayern gilt, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln des Rechtsstaats verbieten ließe.

Nazi-Aufmarsch in Hof

Im oberfränkischen Hof demonstrieren am 1. Mai Mitglieder des rechtsextremen "Freien Netzes Süd". Nun steht ein angestrebtes Verbot vor dem Scheitern.

(Foto: dapd)

"Mit den Rezepten früherer Jahre ist das Problem nicht lösbar", erklärte Herrmann. Die rechtsextreme Szene habe offenkundig aus früheren Verbotsverfahren gelernt und sich Strukturen gegeben, die kaum noch Angriffsflächen böten.

Vergangene Woche hatten sich alle im Landtag vertretenen Parteien für ein Verbot des Freien Netzwerkes Süd ausgesprochen. Während bundesweit über ein Verbot der NPD diskutiert wird, geht im Freistaat nach Einschätzung von Verfassungsschützern mittlerweile die größere Bedrohungen von in solchen Netzwerken zusammengeschlossenen Kameradschaften aus. Als größtes gilt das Freie Netz Süd. Am Dienstag hatte die Organisation 400 Rechtsextreme für einen Aufmarsch in der Stadt Hof mobilisieren können - so viele wie schon lange nicht mehr.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte eigens an der Gegendemonstration teilgenommen und erklärt: "Die Sprachlosigkeit der Demokraten ist der größte Feind der Demokratie". Sprachlos zeigten sich die Hofer mit 4000 Gegendemonstranten zwar nicht - jedoch muss die Politik dem Treiben der Neonazis zunehmend hilflos zuschauen.

Dreimal hat der Freistaat nach Angaben des Innenministeriums in den vergangenen 20 Jahren gegen rechte Organisationen Vereinsverbote ausgesprochen: 1993 gegen den Nationalen Block, 1996 gegen die Skinheads Allgäu und 2004 gegen die Fränkische Aktionsfront. In den drei Fällen waren jedoch feste Vereinsstrukturen vorhanden, die beim Freien Netz Süd in dieser Form nicht existieren.

Keine festen Mitglieder, keine Führungsstrukturen

Im Internet firmiert es lediglich als Kommunikationsplattform. Die Verfassungsschützer sehen darin eine Art Dachorganisation von etwa 20 Kameradschaften. Herrmann sagte nun: "Es ist eindeutig so, dass das Freie Netz Süd anders agiert als die Organisationen, die bisher verboten worden sind."

Für ein Verbot auch von Vereinen gelten hohe Hürden. Ihnen muss nachgewiesen werden, dass sie gegen Gesetze verstoßen oder sich in ihrem Streben aktiv gegen die Verfassung richten. Aber das stellt die Ermittler beim Freien Netz Süd vor große Probleme, weil es dort etwa keine festen Mitglieder und Führungsstrukturen gibt.

Auch ein anderer Weg scheint verbaut zu sein: Es gibt Ermittler, die im Freien Netz Süd eine Nachfolgeorganisation der 2004 verbotenen Fränkischen Aktionsfront sehen. Das würde ein Verbot erleichtern. Jedoch heißt es in Ermittlerkreisen, es sei kaum möglich, diesen Nachweis zu führen.

Noch lässt Herrmann seine Beamten prüfen, ob ein Verbotsverfahren Sinn macht. Im Landtag hatte er erklärt, er würde es befürworten, wenn es rechtlich Aussichten auf Erfolg gebe. Aber solche Erwartungen müsse er nun "dämpfen": "Es ist unrealistisch, ein Verbot innerhalb weniger Wochen zu erwarten." Mit dieser Auffassung steht er nicht alleine dar. Martin Becher von der Projektstelle gegen Rechtsextremismus und Leiter des bayerischen Bündnisses für Toleranz, hat ebenfalls Zweifel. Das Freie Netz Süd sei kein greifbares Gebilde.

"Es gibt kein Oben, kein Unten. Es ist eine fluide Struktur", erklärte Becher. "Die bisher bekannten Instrumente reichen nicht aus, weil wir eine neue Erscheinungsform haben", so der Rechtsextremismus-Experte. "Es ist nicht die Frage der politischen Gefährlichkeit und der politischen Einschätzung, sondern die Form der Struktur." Dass sich jedoch alle Parteien im Landtag für ein Verbot ausgesprochen hätten, sei als politisches Signal wichtig. "Ein eindeutiger politischer Wille ist erkennbar", sagte Becher.

Demonstrativ hatten sich die Fraktionen noch während der Debatte vergangene Woche auf einen gemeinsamen Antragstext geeinigt. Im Detail gab es allerdings bereits Unterschiede: So forderte die SPD, die den Anstoß zu dem Verfahren gab, ein klares Verbot ohne Wenn und Aber. Im Freien Netz Süd hätten sich schließlich "die militantesten Nazis in Bayern" gesammelt, sagte der SPD-Abgeordnete Florian Ritter. CSU und FDP verwiesen da schon auf mögliche Probleme in einem Verbotsverfahren.

So arbeite das Freie Netz Süd bewusst mit einer nur losen Struktur, was ein Einschreiten erschwere, sagte Manfred Weiß (CSU): "Das könnte eine Problematik sein." Es bestehe auch die Gefahr, dass sich die Aktivisten auf einer anderen Plattform wieder neu zusammenfänden, meinte FDP-Mann Andreas Fischer. "Es wird schwierig sein", prophezeite auch Joachim Hanisch (Freie Wähler).

Schärfe brachte lediglich der Grünen-Abgeordnete Sepp Dürr in die Debatte, der erneut Innenminister Herrmann scharf angriff und von einem "Debakel für die innere Sicherheit in Bayern" sprach: Der Rechteextremismus sei derzeit "das größte Sicherheitsproblem in Bayern", sagte Dürr - "nicht wegen der erbärmlichen Figuren, die ihn verkörpern, sondern wegen der bayerischen Sicherheitsbehörden". Diese gingen nicht strikt genug gegen Rechtsextremisten vor, sagte Dürr.

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