Parteitag der Bayern-SPD:Ude begeistert die Genossen

Großer Auftritt beim kleinen Parteitag: Christian Ude, Spitzenkandidat der bayerischen SPD, gibt den Genossen bei seinem ersten offiziellen Parteitagsauftritt nach der Nominierung das dringend benötigte Selbstbewusstsein zurück. Nur einen kleinen Fauxpas leistet er sich.

Frank Müller

"Der Beckstein kommt ja alle naslang", sagt Christian Ude halb belustigt, halb nachdenklich. Gerade blättert der Münchner Oberbürgermeister als Gast im Rathaus des mittelfränkischen Städtchens Treuchtlingen das vor ihm im Sitzungssaal ausgebreitete Goldene Buch durch.

Landesparteitag der bayerischen SPD

Landesparteitag der bayerischen SPD in Treuchtlingen: Für Spitzenkandidat Ude noch eine ungewohnte Rolle.

(Foto: dpa)

Ude soll das tun, was er selbst im Münchner Rathaus schon von so vielen hohen Gästen erbeten hat: sich eintragen in die schmuckvolle Gästechronik. Ude blättert, neben ihm steht sein Treuchtlinger Amtskollege Werner Baum und blickt stolz auf den großen SPD-Bruder.

"Markus Söder", liest Ude, "Thomas Goppel" - und immer wieder "Günther Beckstein". Dann unterschreibt er selbst. Willkommen in der Landespolitik, Grüß Gott auf den vielen kleinen regionalen Bühnen, die am Ende in zwei Jahren gemeinsam die großen Machtwechsel-Festspiele aufführen sollen.

Es ist Christian Udes erster Parteiauftritt seit seiner Nominierung zum SPD-Spitzenkandidaten, die erste Pflicht nach der Kür sozusagen. Es ist eine Szenerie, bei der man noch vor kurzem bedenkenlos viel Geld darauf hätte setzen können, dass man hier keinesfalls den metropolitanen Schöngeist Ude antreffen würde: Auf dem flachen Land in Franken, eine Kleinstadt, erst das Rathaus, dann die beschauliche Stadthalle, innen tagt der Kleine Parteitag der Bayern-SPD, das ist so etwas wie der harte Kern der Partei.

Es geht um Gleichstellungspolitik, auch das ist keine natürliche Domäne des Münchner Rathaus-Königs. Immerhin: Wer als Delegierter rechtzeitig seine Essensmarke erwirbt, hat die Chance, kurz nach 12 Uhr für 6,50 Euro einen griechischen Bauernsalat bei laufender Sitzung am Delegiertentisch verspeisen zu dürfen. Mehr Glamour gibt es an diesem Samstag nicht in Treuchtlingen.

Dann geht Ude aufs Podium, und es gibt fraglos einen Ruck im Saal. "Liebe Genossinnen und Genossen", hebt der Münchner OB an, was bei ihm noch immer einen ungewohnten Grundklang hat. Dann hält er seine Auftaktrede, Start zum Parteitag, Start aber auch zu dem, was Ude wieder und wieder "das nun beginnende zweijährige Crescendo" bis zum Wahltag 2013 nennt. Und Ude macht ganz einfach: Sachpolitik.

Sich nicht verbiegen lassen

Kein großer Rahmen, schon gar keine Regierungserklärung. Sondern eine Dreiviertelstunde lang Positionen zur Frauenpolitik, immer wieder untermauert durch Münchner Erfahrungen. Am Ende gibt es keinen frenetischen Jubel von den hundert Delegierten, aber sehr respektvollen langen Applaus, der schließlich doch ins Rhythmische übergeht, irgendwann stehen die Delegierten sogar.

"Ich finde das viel besser als diese übliche fürchterliche Tour d'Horizon", sagt Ude danach. Man werde von ihm in den nächsten beiden Jahren sehr wohl "zu jedem Thema und in jedem Regierungsbezirk" etwas hören. "Aber nicht alles in den ersten Tagen."

In seiner Rede bleibt der Kandidat dem treu, was er schon zu Beginn seiner Kandidatur klar machte, als er den Flughafenstreit vom Zaun brach: sich nicht verbiegen lassen, nichts sagen, nur weil es die Freunde oder Wunschpartner hören wollen. Zwar trägt er den Leitantrag des Vorstands mit, in dem die Partei eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent in Vorständen und Aufsichtsräten fordert und mehr Engagement für das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Für Ude sind das einerseits Steilvorlagen, die er genüsslich verwandelt: etwa durch den Verweis, in dem von ihm geführten Münchner Rathaus gebe es inzwischen eine Frauenquote von 47 Prozent - und in den zu erobernden Ministerien des Freistaats nur 18 Prozent.

Doch immer wieder redet Ude seiner Partei auch ins Gewissen. Ob sie wirklich, wie es im Antrag steht, den Satz "Frauen dürfen nicht genötigt sein, in Teilzeit zu arbeiten" formulieren wolle, wo doch so viele Familien gerade eben den Teilzeitjob dringend suchen. "Hört Euch bitte genau an, was die jungen Frauen mit Kindern selbst sagen", ruft Ude.

Und den Parteifrauen schreibt er noch ins Stammbuch, manche Benachteiligung habe auch mit mangelndem Selbstvertrauen zu tun. So geht es weiter, manchmal fast schon undiplomatisch deutlich, mitunter wird es auch recht still im Saal. Es sei ja richtig, das von der CSU geforderte Betreuungsgeld hart zu kritisieren, weil es Geld von den dringend benötigten Kindertagesstätten abziehe, sagt Ude. Aber man müsse schon aufpassen, dass man die Ablehnung auch so begründe, dass sich die zwei Drittel der Eltern nicht verletzt fühlten, die ihr Kind zuhause betreuen.

Ude formuliert es mit ätzender Freundlichkeit: "Ich rate davon ab, allen Menschen ein sozialdemokratisches Problembewusstsein zu unterstellen." Denn nun gebe es eine neue Situation, sagt der OB: "Jedes Versprechen muss präzise durchdacht sein, weil wir es tatsächlich erfüllen müssen".

Nur ein kleiner Fauxpas

Nur einen kleinen Fauxpas leistet sich Ude: Wieder einmal schwächelt er mit seinen Geographie-Kenntnissen. Nachdem er sich schon bei den Nürnberger Kollegen neulich um Kopf und Kragen geredet und das unterfränkische Aschaffenburg nach Oberfranken verpflanzt hatte, startete Ude beim SPD-Parteitag nun seine private Gebietsreform zwischen Oberpfalz und Niederbayern. Er habe ja schon als Bub auf dem Bauernhof Urlaub gemacht, erzählt Ude einer Journalistenrunde, und zwar in Bad Kötzting. In welchem Regierungsbezirk das denn sei, fragt jemand frech. Niederbayern?, antwortet Ude etwas vorsichtig und wurde von Regionskennern sofort eines Besseren belehrt: Kötzting liegt im Landkreis Cham und der gehört zur Oberpfalz.

Ude macht es in Treuchtlingen seiner Partei nicht leichter, als es sein muss - und umgekehrt. Und doch hat sich etwas womöglich Entscheidendes verändert in der Partei: Man geht sich nicht mehr aus dem Weg, sondern ist voneinander begeistert. Nach Udes Rede strahlt die bayerische Führungstroika, bestehend aus Parteichef Florian Pronold, Generalsekretärin Natascha Kohnen und Fraktionschef Markus Rinderspacher, regelrecht um die Wette, weil sich der Spitzenkandidat so gut in die Sacharbeit eingebracht habe.

Und auch Ude vergisst die Parteiseele nicht: "Uns allen muss klar sein, es kann nur als Teamleistung gelingen, und dazu müssen wir jetzt alle die Ärmel aufkrempeln."

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