Mögliche Kandidatur von Christian Ude:Hoffen auf den bayerischen Kretschmann

Eigentlich hat sich Münchens Oberbürgermeister Christian Ude für einen Wechsel in die Landespolitik nie interessiert. Doch an Huldigungen hat er sich im Laufe der Zeit so gewöhnt, dass er ihr Ausbleiben schmerzlich vermissen würde. Deswegen will der SPD-Politiker nach seiner Zeit als Münchens OB nun bayerischer Ministerpräsident werden. Die Risiken sind allerdings beträchtlich.

Peter Fahrenholz

Es gibt nicht viele Politiker, die mit einer einzigen persönlichen Äußerung eine Art politisches Beben auslösen können. Joschka Fischer etwa könnte es, wenn er sagen würde, er wolle in die Politik zurück und Bundeskanzler werden. Der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, wohl der bekannteste und erfolgreichste Kommunalpolitiker der Republik, kann es auch.

Mögliche Kandidatur von Christian Ude: Hat er das Zeug zum bayerischen Kretschmann? Christian Ude bei einem Empfang in München.

Hat er das Zeug zum bayerischen Kretschmann? Christian Ude bei einem Empfang in München.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Mit seiner Ankündigung, er stehe 2013 als SPD-Spitzenkandidat gegen den CSU-Regenten Horst Seehofer bereit, hat Ude über Nacht die politischen Karten in Bayern neu gemischt.

Wer verstehen will, wie es zu dieser völlig unerwarteten Aussage gekommen ist, stößt auf ein komplexes Bündel aus persönlichen und politischen Motiven. Denn eigentlich hat sich Ude für einen Wechsel in die Landespolitik nie interessiert. Es wäre auch verrückt gewesen. Das Amt des Münchner Oberbürgermeister ist nach dem des Ministerpräsidenten die zweitwichtigste Funktion, da kann kein Landesminister mithalten.

Und Ude hat sich seit nunmehr 18 Jahren als unbesiegbarer OB erwiesen. Statt sich zu verschleißen, hat er im Gegenteil von Wahl zu Wahl zugelegt, 2008 waren es 66,8 Prozent. Als direkt vom Volk gewählter OB war er eine Art Präsident weit über den Parteien. Warum diesen Posten aufs Spiel setzen, um stattdessen als Oppositionsführer im Landtag zu landen?

Das ist jetzt anders. Weil es in Bayern aus Gründen, die niemand so recht versteht, für Kommunalpolitiker eine Altersgrenze von 65 Jahren gibt, darf Ude 2014 nicht noch einmal antreten, weil er dann schon fast 67 wäre. Ein Wechsel in die Landes- oder Bundespolitik wäre für ihn also die einzige Möglichkeit, als aktiver Politiker weiterzumachen.

Und das will Ude offenbar unbedingt. Vor der OB-Wahl 2008 war er so amtsmüde, dass er heftig bekniet werden musste weiterzumachen. Das ist längst vorbei. Die Arbeit als Präsident des Deutschen Städtetages hat ihm neuen Schwung verliehen. Und die Olympia-Bewerbung hat ihn geradezu beflügelt, auch wenn München am Ende verloren hat.

Wer gesehen hat, wie Ude in Durban in flüssigem Englisch für seine Stadt geworben hat, während Bundespräsident Christian Wulff eine hölzerne Rede auf Deutsch hielt, kann nachvollziehen, warum Ude zu dem Schluss gekommen ist, dass es noch zu früh für den Ruhestand ist.

Hinzu kommt, dass sich Ude, der sich an Huldigungen aller Art im Laufe der Zeit so gewöhnt hat, dass er ihr Ausbleiben schmerzlich vermissen würde, mit einer elektrisierenden Kandidatur gegen Horst Seehofer vor dem Schicksal bewahrt, als Oberbürgermeister auf Abruf allmählich aufs Abstellgleis gedrängt zu werden. Bis zur Landtagswahl im Herbst 2013 bliebe Ude die unangefochtene Nummer eins, die Debatte über seine OB-Nachfolge in München würde sich in seinem Schatten abspielen, so wie immer.

Die politische Situation in Bayern erhöht den Reiz für Ude enorm. Viele träumen davon, ähnlich wie in Baden-Württemberg einen Machtwechsel zu erreichen. Und tatsächlich gibt es Parallelen. Die CSU hat sich zwar erholt, ist aber von alter Stärke weit entfernt. Die FDP schwächelt und muss befürchten, 2013 aus dem Landtag zu fliegen. Ganz abgesehen davon, dass die schwarz-gelbe Koalition in München noch zerstrittener ist als die in Berlin.

SPD-Hochburg München in Gefahr

Gute Chancen also für SPD und Grüne, falls auch die Freien Wähler mitmachen würden, die es im Landtag ebenfalls gibt. Doch der Opposition fehlt ein Gesicht, einen bayerischen Kretschmann gibt es nicht. Der Grünen-Politiker Sepp Daxenberger, ein Bayer wie aus dem Bilderbuch, hätte es werden können, doch Daxenberger ist im Sommer 2010 seiner Krebserkrankung erlegen. Ude könnte dieses Gesicht sein, er hat in München über Jahre bewiesen, dass er auch für die CSU-Klientel wählbar ist.

Die Risiken für ihn sind dennoch beträchtlich. Denn die bayerische SPD ist seit Jahren notorisch erfolglos, 2008 kam sie auf klägliche 18,6 Prozent. Schafft es auch Ude nicht, den Abwärtstrend zu stoppen, würde er am Ende einer glanzvollen Karriere als Verlierer dastehen.

Das wäre zwar bitter für ihn, aber immer noch seine persönliche Sache. Schwieriger ist schon die Lage in München. Um seine Nachfolge als OB hat sich Ude lange nicht gekümmert, einen systematisch aufgebauten Kronprinzen oder eine Kronprinzessin gibt es nicht. Derzeit rangeln in der SPD drei Bewerber um die Position als OB-Kandidat. Und egal, wer sich am Ende durchsetzt, es ist völlig ungewiss, ob die SPD ihre Hochburg München halten kann.

Ude selbst hat wiederholt darauf hingewiesen, dass diese Chancen weiter geschmälert würden, wenn die SPD bei der Landtagswahl, die nun mal vor der Kommunalwahl stattfindet, hinter CSU und Grünen nur auf Platz drei landen würde. Insofern ist es folgerichtig, wenn er selbst als Galionsfigur antritt, denn das mindert diese Gefahr ganz erheblich.

Ude nimmt dabei allerdings auch das volle Risiko auf seine Kappe. Denn würde er bei der Landtagswahl ein Debakel erleiden, wäre das ein Menetekel für die OB-Wahl. Ginge als Folge davon das Münchner Rathaus verlorenhätte Ude mehr beschädigt, als sich selbst.

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