Hochwasserschutz:Neue Pläne gegen die Fluten

Hochwasser in Bayern - Aufräumarbeiten in Deggendorf

Es wird noch dauern, bis der letzte Hausrat, den das Hochwasser aus Wohnungen und Häusern gespült hat, weggeräumt ist.

(Foto: dpa)

Die von Kritikern als Beton-Fraktion gescholtene Niederbayern-CSU legt ein Positionspapier zum Hochwasserschutz vor. Die Kurzformel des Programms: höhere und moderne Dämme, schnelle Umsetzung, breitere Rückzugsflächen für Flüsse.

Von Wolfgang Wittl

Vier Generationen der Familie Heckendorf leben auf diesem Grundstück hier in Fischerdorf. Der Garten wurde seit dem Hochwasser zwei Mal gemäht und leuchtet schon wieder in sattem Grün. Nur die Sträucher, die nicht mal ein Dampfstrahler von den grau-braunen Schlieren befreien konnte, künden von der Katastrophe. Und natürlich die Häuser.

Drei Gebäude stehen dicht nebeneinander. Aus dem ältesten, erbaut 1817, werden gerade Fensterstöcke herausgeschlagen. Das Haus ist nicht mehr zu retten, es muss abgerissen werden. Angela Heckendorf, 57, ist darin aufgewachsen, sie hat noch ein paar Erinnerungsfotos gemacht. Mit ihrem Mann Fritz hat sie sich nebenan ins Obergeschoss geflüchtet, ihre Mutter wurde vorübergehend ausquartiert. Auch der Sohn, seine Frau und die Enkel - vier und eineinhalb Jahre alt - mussten weichen, sie kamen bei den Schwiegereltern unter. Bis Weihnachten wollen sie wieder in ihr eigenes Heim zurückkehren.

Das ist der Plan. Ob er gelingt, steht in den Sternen. Vor gut sechs Jahren haben Markus und Gina Heckendorf ihr Haus gebaut - vieles in Eigenleistung. Nun sieht es aus wie ein Rohbau und stinkt wie ein leerer Öltank. Ein Chemiker soll ihnen am nächsten Tag sagen, ob sich der Mief jemals wieder verziehen wird. Notfalls muss das ganze Mauerwerk ausgetauscht werden.

Die Familie Heckendorf besitzt zwei weitere Häuser in Fischerdorf, "wir haben einen Millionenschaden", sagt Vater Fritz. Er weiß jedoch, dass andere noch schlimmer dran sind. Im ganzen Ort ist das Gewummer von Presslufthämmern zu hören, allein die Heckendorfs haben 17 Container Müll wegfahren lassen. Beim Hochwasser 1954, als die Hauptstraßen in Fischerdorf nur mit Booten befahrbar waren, war ihr Grundstück unversehrt geblieben. Niemals habe sie so eine Katastrophe für möglich gehalten, sagt Gina Heckendorf. Aber mit dem Thema Hochwasserschutz habe sie sich, "ehrlich gesagt, bisher auch nicht so richtig befasst".

Was Gina Heckendorf offen einräumt, bekommt die niederbayerische CSU derzeit wieder öfter zu hören. Sich zu wenig mit dem Hochwasserschutz befasst zu haben, ist dann allerdings nur eine milde Formulierung angesichts der Anschuldigungen. Als "Beton-Fraktion" bezichtigen Kritiker die Niederbayern-CSU. Eike Hallitzky, Landtagsabgeordneter der Grünen, wirft ihr vor, die politische Verantwortung für die Deichbrüche bei Fischerdorf und Winzer zu tragen.

Mit der "unverantwortlichen Koppelung" des Hochwasserschutzes an den Donau-Ausbau habe die CSU "die Kommunen in Geiselhaft" genommen. Jahrelang hätten Politiker wie der frühere Minister Erwin Huber, Deggendorfs Landrat Christian Bernreiter und CSU-Bezirkschef Manfred Weber "alle Warnungen vor den unzureichenden Deichen in den Wind geschlagen", wütet Hallitzky. Auch Niederalteichs Bürgermeister Josef Thalhammer (Bürgerforum/ÖDP) beklagte zuletzt mangelnde Einsicht der Regierenden.

In die Zukunft blicken

Die Gescholtenen zeigten sich am Samstag unbeeindruckt. Bei einer CSU-Bezirksvorstandssitzung stellten sie ein Papier namens "Schutz für Mensch und Land" vor, das in weiten Teilen wohl auch ihre Kritiker unterschreiben würden. Die Kurzformel des Programms: höhere und moderne Dämme, schnelle Umsetzung, breitere Rückzugsflächen für Flüsse.

Bezirkschef Weber nennt Hallitzkys Vorwürfe "konstruiert". Mehr als 220 Millionen Euro seien in den vergangenen Jahren in den Hochwasserschutz geflossen. Nicht Grüne oder der Bund Naturschutz hätten ihren Beitrag zum Dammbau geleistet, sondern die CSU. Landrat Bernreiter ergänzt, er habe bereits 2009 eine Hochwasser-Konferenz einberufen. Und Beispiele wie Hofkirchen und Windorf zeigten, dass der Hochwasserschutz nicht an den Donau-Ausbau gekoppelt gewesen sei.

Die CSU werde in dieser Frage keine Auseinandersetzung scheuen, sagt Weber. Gleiches gilt für ihre Gegner. Georg Kestel, Vorsitzender beim Bund Naturschutz (BN) in Deggendorf, weist "Unterstellungen" zurück, der BN habe Deichneubauten verzögert oder gar verhindert.

Im Grunde aber will sich die niederbayerische CSU mit der Vergangenheit nicht mehr befassen als nötig. "Nach vorne blicken", "geplante Maßnahmen durchziehen" - so lautet am Samstag die Parole nach der dreieinhalbstündigen Vorstandssitzung. Um Donau-Unterlieger wie Deggendorf und Passau künftig zu entlasten, fordert Landrat Bernreiter die Schaffung von Poldern und Deichrückverlegungen bereits in Schwaben, Ingolstadt und Regensburg.

Landwirtschaftsminister Helmut Brunner regt "ein intelligentes Flächenmanagement" an, um die Lasten auf alle Landwirte gerecht zu verteilen. Er stelle sich die Frage, sagte Brunner, ob es wirklich nötig sei, für Deichflächen auch Ausgleichsflächen einzufordern. Da sich außerdem der Biber als Gefahr für die Dämme erwiesen habe, müsse sein Bestand reguliert werden. Immerhin 20.000 Biber gebe es in Bayern. Brüssel schreibe aber nur deren Schutz vor, nicht deren Stückzahl: "Menschenschutz geht vor Naturschutz."

Für die Familie Heckendorf geht es darum, schnell wieder auf die Beine zu kommen. Auf der Donau-Seite sei viel getan worden, "das A und O" sei jetzt der Bau eines Isar-Damms, sagt Angela Heckendorf. Ihre Schwiegertochter Gina meint, sie werde Diskussionen zum Hochwasserschutz künftig wohl etwas hellhöriger verfolgen. Aber erst einmal packt sie den Schubkarren und fährt die nächste Ladung kaputter Fenster weg.

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