Giftunfall an der Alz:Schuldig aber unbehelligt

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Sechseinhalb Tonnen tote Fische und ein verpestetes Ufer: Der Chemieunfall an der Alz hatte verheerende Folgen. Die Schuldigen sind gefunden, doch der Staatsanwalt will das Verfahren einstellen. Naturschützer empfinden das als zweite Katastrophe.

Heiner Effern

Chemieunfall mit fatalen Folgen: sechseinhalb Tonnen tote Fische. (Foto: dpa)

Menschliches Versagen ist nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Traunstein schuld am Chemieunfall am oberbayerischen Fluss Alz. Ein Angestellter des Industrieparks Gendorf und ein Mitarbeiter der dort ansässigen Firma Clariant werden nach Abschluss der Ermittlungen der fahrlässigen Gewässerverunreinigung beschuldigt, letzterer dazu noch der fahrlässigen Brandstiftung.

Das heißt aber nicht, dass die ökologische Vernichtung eines 15 Kilometer langen Flussabschnitts mit mehr als sechseinhalb Tonnen toter Fische vor Gericht verhandelt wird: Die Staatsanwaltschaft Traunstein sieht die Schuld der beiden Männer als so gering an, dass sie ihnen jeweils die Einstellung des Verfahrens gegen eine Zahlung im vierstelligen Bereich angeboten hat. Die Frist für deren Antworten laufe noch, sagte ein Sprecher. Nur bei einer Ablehnung des Angebots könnte ein Prozess stattfinden.

Die beiden Beschuldigten hätten am 6. März dieses Jahres einen "kleinen Fehler mit großer Wirkung" begangen, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Für eine Einstellung hätte zudem gesprochen, dass beide Männer unbescholten seien und ohne Vorsatz gehandelt hätten. Die beiden betroffenen Unternehmen wollten sich zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht äußern, da sie es nach Auskunft ihrer Sprecher noch nicht vorliegen haben. Der Industriepark Gendorf hatte aber schon im August freiwillig eine Million Euro und mehrere Grundstücke für die Sanierung der Alz angeboten.

"Das hat ja null abschreckende Wirkung"

Umweltschützer reagierten empört auf die Nachricht von der geplanten Einstellung. "Das ist ein fatales Signal an die Firmen, wenn sie so billig davonkommen", sagte Christine Margraf vom Bund Naturschutz (BN) in München. "Das hat ja null abschreckende Wirkung." Auch ihre Kollegen im betroffenen Kreis Altötting halten den Unfall nicht für ausreichend aufgeklärt, wie Ernst-Josef Spindler sagt: "Was wir nicht verstehen, ist zum Beispiel, warum über Stunden Messwerte um den Faktor zehn zu hoch gewesen sein sollen, ohne dass eine Reaktion erfolgt sein soll."

Der bayerische Umweltminister Marcel Huber (CSU), der aus der Region stammt, hatte wenige Tage nach dem Chemieunfall die Alz selbst besichtigt und danach von einer "Katastrophe" gesprochen. "Die strafrechtlichen Konsequenzen sind allein Sache der Justiz", sagte nun ein Sprecher. Er verwies darauf, dass der Betreiber die Verantwortung für die fehlerhafte Einleitung übernommen habe - "auch finanziell" .

Am Abend des 6. März hatte sich im Industriepark Gendorf im oberbayerischen Chemiedreieck einer der größten Chemieunfälle der vergangenen Jahrzehnte in Bayern ereignet. Durch ein fälschlicherweise geöffnetes Ventil gelangte laut Staatsanwaltschaft bei der Firma Clariant etwa eine Tonne des Rohstoffs Genamin auf das Dach eines Gebäudes und entzündete sich dort. Der dafür verantwortliche Mitarbeiter ist der eine Beschuldigte. Die Feuerwehr konnte den Brand schnell stoppen.

Verseuchtes Wasser floss aber in den Kühl- und Regenwasserkanal. Der wurde jedoch vom zweiten Beschuldigten, dem zuständigen Mitarbeiter des Parkbetreibers Infraserv, zu spät geschlossen - und gegen Mitternacht in der irrigen Annahme geöffnet, dass keine Gefahr mehr bestehe.

Sechseinhalb Tonnen tote Kadaver

Am nächsten Morgen fand ein Spaziergänger die ersten toten Fische in der Alz. Das austretende Gift verklebte ihnen die Kiemen. Sechseinhalb Tonnen an Kadavern wurden schließlich geborgen, die Dunkelziffer liegt deutlich höher, da viele tote Tiere in uneinsehbare Tiefe absanken oder weggespült wurden. Fauna und Flora eines 15 Kilometer langen Flussabschnitts gingen zugrunde.

Das Konzept des Industrieparks zur Sanierung der Alz stößt bei den Naturschützern auf Zustimmung. Die angekündigte Anlage von kleinen Inseln, die Pflege von Kiesbänken und neue Schutzräume für Fischbrut durch den Einbau von Totholz, "das macht Sinn", sagt Ernst-Josef Spindler vom BN. Das unterstütze die Erholung der Natur, die nach Informationen der Umweltschützer bereits eingesetzt hat. Im Wasser befänden sich demnach keine auffälligen Mengen Genamin mehr. Kleinstlebewesen wie Wasserflöhe oder Krebse kehrten zurück, auch seien schon kleine Exemplare aller vorher heimischen Fischarten wieder in dem Flussabschnitt gefunden worden.

© SZ vom 10.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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