Gehaltsaffäre der Christsozialen:Rückkehr der ganz, ganz alten CSU

Bayerisches Kabinett tagt in Nürnberg

Die Gehaltsaffäre ist für Horst Seehofer ein Albtraum

(Foto: dpa)

Bayern ist gerade ein sehr gewöhnliches Bundesland mit einer herabgewirtschafteten Regierungspartei. Längst überwunden geglaubte Verhaltensmuster aus Amigo-Tagen treten wieder zutage. Für Seehofer ist die Affäre ein Albtraum - und gefährlich für die anstehende Landtagswahl. Die Leute fragen sich: Kann man dieser CSU das Land alleine überlassen?

Ein Kommentar von Frank Müller

Es war als ein richtig schöner CSU-Abend geplant. An diesem Freitag wollte sich Horst Seehofer im Münchner Postpalast zum strahlenden Abschluss aller Kandidatenaufstellungen noch einmal selbst in Szene setzen, auf einer "Parteikonvent" genannten Krönungsmesse. Seine Nominierung zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, die offiziell noch aussteht, sollte noch einmal etwas Besonderes werden: eine Mischung aus amerikanischem Townhall-Gefühl und ganz viel weiß-blauer Aufbruchdynamik. Daraus wird wohl nichts werden.

Seehofer wird sich wünschen, er hätte seine Termine anders gelegt. Vielleicht würde er inzwischen auch einen anderen Saal wählen als ausgerechnet jenen, in dem Uli Hoeneß vor einem Jahr seinen 60. Geburtstag feierte, mit dem Stargast Seehofer. Womöglich würde er auch gerne noch den Wahltermin im September absagen, das halbe Kabinett entlassen und den Tag verfluchen, an dem er von Berlin nach Bayern kam. Doch es hilft nichts. Horst Seehofer muss da durch.

Es sind die wohl spannendsten Tage ihrer jüngeren Geschichte, die die CSU gerade erlebt. Oder soll man sagen: durchsteht? Vor fünf Jahren war Seehofer angetreten, um einer niedergeschlagenen und aus der absoluten Mehrheit herausgewählten Partei einen neuen Aufbruch zu verpassen. Eine "neue CSU" sollte es sein, eine modernere, ehrlichere. Seit zwei Wochen können die Bayern die Trümmer dieses Plans besichtigen. Eine Flut von Geschichten über hohe Mandatsträger, die ohne Scheu ihre Familienkassen auf Staatskosten aufbesserten, hat von Seehofers neuer Partei wenig übrig gelassen.

Zu sehen ist nun nicht einmal die alte, sondern die ganz, ganz alte CSU. Längst überwunden geglaubte Verhaltensmuster aus den Amigo-Tagen der Strauß- und Streibl-Zeit treten offen und systematisch zutage. Da gibt es hohe Funktionsträger, die wenige Wochen vor einer Gesetzesänderung ihre minderjährigen Kinder anstellen, damit sie noch schnell von einer Altfallregelung profitieren können. Da ist ein Fraktionschef, der seine Frau als vermutlich scheinselbständige Unternehmerin hoch bezahlt. Kabinettsmitglieder beschäftigen Ehegatten und Geschwister, als wäre es das Normalste der Welt.

Seehofers engster Machtzirkel

Die Zustände in Bayern sind alarmierend und für Seehofer ein Albtraum. Dass nun auch solche Geschichten aus der Opposition bekannt werden, macht die Lage für die CSU nicht besser. Etliche bayerische Sozialdemokraten verstehen sich seit Jahrzehnten als fester Teil des CSU-Regierungssystems. Sie dürfen in der zweiten Reihe an den Fleischtöpfen sitzen und unterlassen dafür alles, was nach ernsthaftem Machtanspruch aussieht.

Unter der Farbe schimmelt es kräftig

Für Seehofer ist das Debakel unverdient und verdient zugleich. Nach derzeitigem Kenntnisstand verhielt sich der Ministerpräsident sauber, womit er in der Führungsebene allmählich zur Minderheit zählt. Auch notorische Seehofer-Gegner, von denen es in der CSU viele gibt, loben den CSU-Chef dafür, dass er unbestechlich ist und keine Kumpanei mag.

Doch Seehofer ist kein einsamer Kämpfer, er ist Vorsitzender der Partei und hauptverantwortlich für deren Auftritt. In den vergangenen Monaten hat er beträchtlichen Wirbel mit seinen Versuchen verursacht, die Partei nach Piraten und Facebook und gleichzeitig doch nach Maibaum und Neuschwanstein aussehen zu lassen. Seehofer predigte hier Transparenz und holte dort Edmund Stoiber als Wahlkämpfer zurück. Dabei sozialdemokratisierte er seine Partei bis zur Schmerzgrenze für viele, um seinem SPD-Gegner Christian Ude die Show zu stehlen. Manche Seehofer-Aktionen beruhten auf ehrlichen Grundsätzen, das meiste war bloß neuer Anstrich. Die Partei ließ diesen zu, weil sie die absolute Mehrheit roch.

Nun blättert die Farbe ab, darunter schimmelt es kräftig. Und jetzt drängt die Zeit. Es sind keine fünf Monate mehr bis zur Landtags- und zur Bundestagswahl. In dieser Zeit kann auch ein Seehofer nicht noch einmal eine ganz neue CSU erfinden; nicht mit einer Affäre am Hals, die gefährlich ist, weil sie für die breite Masse leicht verständlich ist.

Und Seehofer hat noch mehr Probleme. Bayern als Erfolgsmodell und als Gefühl - das sollte das Leitmotiv seines Wahlkampfs werden. Doch Bayern hat eine Formkrise, über die CSU hinaus. Die Münchner Justiz blamiert den Freistaat beim NSU-Prozess weltweit. Und selbst wenn der FC Bayern in London die Champions League gewinnt, wird daraus wegen des Falls Hoeneß kaum politisches Kapital zu schlagen sein. So ist Bayern gerade ein sehr gewöhnliches Bundesland mit einer herabgewirtschafteten Regierungspartei und einem sehr klaren Gefühl bei vielen Bürgern: Dieser CSU darf man das Land nicht alleine überlassen.

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