FDP-Parteitag in Rosenheim:Stark wie lange nicht mehr

Drohen, schimpfen und bloß nicht umfallen: Die bayerische FDP verteidigt die Studiengebühren gegen die CSU und übt harsche Kritik am Koalitionspartner. Beim Parteitag in Rosenheim hoffen die Liberalen, für ihre Standhaftigkeit wieder ein bisschen geliebt zu werden. Aber wie weit können sie dafür gehen?

Mike Szymanski, Rosenheim

Landesparteitag der FDP Bayern mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Thomas Hacker und Martin Zeil

Die bayerische FDP fühlt sich so stark, wie schon lange nicht mehr. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Thomas Hacker (r.) und Martin Zeil beim FDP-Landesparteitag in Rosenheim.

(Foto: dapd)

Im Foyer der Rosenheimer Kongresshalle werden die Delegierten des FDP-Parteitags von großen blau-gelben Plakaten empfangen. Und das größte Wort, das darauf steht, ist: "Mut". Die FDP ist eine Schlagwortpartei. Man kann an den gerade aktuellen Begriffen sehr gut ablesen, wie es dieser Partei geht. In besseren Zeiten warb sie mit "Steuersenkungen" für sich, aber das kann sie sich nicht mehr leisten. "Leistung" war auch mal so ein Schlagwort, bis der Bundesvorsitzende Philipp Rösler Lieferschwierigkeiten bekam.

Jetzt also Mut: Im Streit um die Abschaffung der Studiengebühren hat sich die kleine FDP gerade gegen ihren großen Koalitionspartner CSU aufgelehnt. Die CSU will die Gebühren abschaffen, die Liberalen wollen sie erhalten. Es geht längst um mehr als um eine Meinungsverschiedenheit, es geht um die Zukunft der schwarz-gelben Koalition in Bayern. Sie droht an diesem Konflikt zu zerbrechen, weil keiner der Partner daran denkt, nachzugeben. In diesem Klima treffen sich die Liberalen in Rosenheim zum Parteitag. Es geht darum, ein Zeichen zu setzen.

Thomas Hacker steht draußen vor der Kongresshalle. Es ist Samstagnachmittag und der 42-jährige Fraktionschef wirkt sehr zufrieden mit sich. Er hat eben donnernden Beifall für seine Begrüßungsrede bekommen. Normalerweise fängt sich der Saal bei diesem Programmpunkt erst an zu füllen. Aber diesmal will niemand verpassen, was Hacker zu sagen hat.

"Wir fallen nicht um"

"Immer dann, wenn wir zu unseren Überzeugungen stehen, sind die Liberalen erfolgreich", ruft er den gut 400 Delegierten zu und stellt damit den Grundsound für die kommenden zwei Tage ein: Wir fallen nicht um. Er bereitet seine Liberalen auf schwierige Wochen und Monate vor. "Unsere Positionen mögen nicht die einfachsten sein", ruft Hacker. Die Wahlkämpfer der FDP müssten draußen im Land erklären, warum sie als einzige Gebühren nicht abschaffen wollen. Hacker hat bei seiner Rede genau verfolgt, wie seine Botschaften ankommen. Im Publikum habe er keine Gruppe ausmachen können, die nicht seiner Meinung gewesen wäre. "Keine einzige Insel", erzählt er später draußen.

Die Liberalen richten sie sich an ihrer eigenen Standhaftigkeit auf. Sie drohen nicht nur im Bund an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern, sondern auch in Bayern. An diesem Wochenende aber ist der Saal voll, und der Kummer angesichts des Dauertiefs in den Umfragen fast verflogen. Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ruft den Delegierten zu: "Haltung zeigen!" Und dann schiebt sie noch einen Satz nach, der so nicht in ihrem Redemanuskript steht. "Wenn wir das kommunizieren, dann werden uns die Herzen im Wahlkampf zufliegen."

Scharfe Worte für ein bisschen Liebe

Darum geht es: Wieder ein bisschen geliebt zu werden. Aber wie weit kann man dafür gehen? Als der Streit seinen Anfang genommen hatte, hatten zuerst CSU-Abgeordnete mit verblüffender Leichtigkeit das Wort "Koalitionsbruch" in den Mund genommen. Mittlerweile wird aus einer Drohkulisse ein sehr konkretes Planspiel, in dem beide Seiten längst ihre Chancen und Risiken ausloten und den Streit munter weiter befeuern. Auch an diesem Wochenende wieder.

Landesvize Martin Zeil wirft der CSU in seiner Rede einen "verantwortungslosen Umgang" mit dem Koalitionspartner vor. Vertrauen sei die Grundlage für eine Koalition, zitiert Zeil eine Aussage von Regierungschef Seehofer aus dem Sommer und fordert die CSU auf, "unverzüglich" ihr Verhalten abzustellen. Leutheusser-Schnarrenberger hält der CSU vor, das Vertrauen in Politiker zu erschüttern. "Bei aller Notwendigkeit zu Kompromissen in einer Koalition darf es keine Beliebigkeit geben nach dem Motto: Was schert mich meine Meinung von gestern." Die Aussprache zum Thema Studiengebühren am Sonntag wird zur Abrechnung mit dem Koalitionspartner.

Seehofer schlägt zurück

Die Antwort von CSU-Chef Horst Seehofer lässt nicht lange auf sich warten. Der Bild am Sonntag sagte er: "Wenn ich mir zu Grundfragen eine Meinung gebildet habe, stehe ich dazu. Die Studiengebühren in Bayern werden abgeschafft - entweder durch den Landtag oder das Volk."

Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und ihr Vize Zeil stehen jetzt draußen an einem Stehtisch und teilen sich einen Schokoriegel. Und schon beginnt der Kampf um die Deutungshoheit, wer hier den Koalitionsbruch riskiert. "Mutwillig mit der Koalition zu spielen, das ist nicht unser Verständnis", sagt Leutheusser-Schnarrenberger. Und Zeil erklärt: "An uns scheitert die Koalition nicht. Wir haben nur darauf hingewiesen, dass man über Nacht nicht die Regierungspolitik ändern kann." Die FDP will jedenfalls nicht schuld sein, wenn es zu Neuwahlen kommt.

Mut. Als die Delegierten am Sonntag wieder aus Rosenheim abreisen, fühlen sie sich stark wie schon lange nicht mehr.

Wer sich einen guten Listenplatz erkämpft hat

Die Bayern-FDP geht mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als Spitzenkandidatin in Bundestagswahl. Die Delegierten wählten die Landesvorsitzende und Bundesjustizministerin mit 89 Prozent der Stimmen zur Listenführerin. Auf dem zweiten Platz behauptete sich ihr Parlamentarischer Staatssekretär im Justizministerium, der Passauer Max Stadler. Er wurde mit knapp 96 Prozent der Stimmen gewählt.

Die Listenaufstellung war mit Spannung erwartet worden. Aufgrund der schlechten Umfrageergebnisse muss sich die Bayern-FDP darauf einstellen, dass sie 2013 aller Voraussicht nach nicht wieder 14 Abgeordnete nach Berlin entsenden wird. Allenfalls die vorderen sieben Listenplätze gelten nach derzeitiger Lage als aussichtsreich. Entsprechend hart wurde der Kampf um die vorderen Positionen ausgetragen.

Bayerns Generalsekretärin Miriam Gruß setzte sich beispielsweise erst in der Stichwahl auf dem vierten Platz der Landesliste durch. Andere Abgeordnete mussten herbe Niederlagen einstecken. Der Finanzfachmann Daniel Volk, auch Bezirksvorsitzender der FDP Oberbayern, scheiterte zweimal bei dem Versuch, vordere Listenplätze zu bekommen und gab schließlich auf. Für den 42-Jährige bedeutet dies das vorläufige Ende in der Bundespolitik. Auch der Würzburger Abgeordnete Joachim Spatz wird dem Bundestag voraussichtlich nicht mehr angehören. Er erreichte nur Platz 10.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: