FDP Klausur in Benediktbeuern:Horrorzahl 3

Winterklausur FDP-Fraktion

Liberales Spitzenpersonal: Bildungsexpertin Renate Will, Fraktionschef Thomas Hacker und die Minister Martin Zeil und Wolfgang Heubisch (v. links).

(Foto: dpa)

Auf ihrer Klausurtagung im Kloster Benediktbeuern machen sich in der FDP Frust und Verunsicherung breit. Die Abgeordneten sehen ihre Arbeit in Bayern nicht ausreichend gewürdigt und hadern mit Umfragen. Ein Minister allerdings spricht immer noch von "acht Prozent plus X".

Von Frank Müller, Benediktbeuern

Wer auch nur einen kurzen Blick in den Barocksaal von Kloster Benediktbeuern wirft, erkennt sofort, warum er so heißt. An den Wänden, von der Decke aus verströmt jeder Quadratzentimeter barocke bayerische Pracht. In den Ecken prangen monströse Kachelöfen, die Landtagsabgeordneten der FDP haben sich in der Sitzordnung eines Hufeisens zur Klausur versammelt. In der Mitte stehen die drei Buchstaben F, D und P als Dekorelemente annähernd tischhoch. Es soll der einzige Anklang an die Zahl drei sein. Dieser Prachtraum ist kein Saal für drei Prozent. Das findet auch FDP-Fraktionschef Thomas Hacker. "Acht Prozent sind drin für uns", sagt er fast trotzig.

Drei Prozent, das ist die Zahl, die die Liberalen verfolgt, seitdem in der vergangenen Woche die Umfrage des BR-Magazins "Kontrovers" publik wurde. Bei drei Prozent sehen sie die Demoskopen. Das ist nicht nur weit weg von der Regierungsbeteiligung, das ist auch weit weg vom Wiedereinzug ins Parlament. Wenn die Wahl im September genauso ausgeht wie die Umfrage, dann können sich Bayerns Liberale künftig schmucklosere Tagungssäle suchen.

In einer Sitzungspause steht die Abgeordnete Julika Sandt auf einem Klostergang und sinniert über die Zahlen, auch darüber, dass sie eine statistische Unschärfe von bis zu drei Prozentpunkten enthalten. Der reale Wert für die FDP könnte also deutlich über drei liegen. Er könnte aber auch deutlich unter. . . - Julika Sandt fröstelt. Aber das liegt an der Kälte. Die Umfrage um den Dreikönigstag herum sei eben auch in für die FDP schwierigen Zeiten entstanden, sagt sie und geht wieder zurück. In den Saal mit den Kachelöfen.

Es ist eine Mischung aus Blicken in den Abgrund und Hoffen auf bessere Zeiten. Vor allem die großen drei - Hacker, Wirtschaftsminister Martin Zeil, Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch - geben ihr Bestes beim Verströmen von Mut und Zuversicht. Aber genügt das? Als Fraktionschef Hacker seine Leute wieder in den Saal trommeln will, bleibt der Münchner Abgeordnete Otto Bertermann einfach draußen, so redet er sich gerade in Rage. "Das nervt mich", sagt er. "Es nervt mich wirklich." Er meint damit, dass die ganze Welt immer nur über das Berliner Spitzenpersonal der FDP redet. Durch die Debatten um Parteichef Philipp Rösler werde "alles zugedeckt", sagt Bertermann. "Da ist es wichtig, dass man lieber ein Ende mit Schrecken als einen Schrecken ohne Ende macht."

Die FDP geht in die Mittagspause, nun lohnt es sich auch nicht mehr für Bertermann, noch hineinzugehen. Andere Abgeordnete kommen hinzu, Renate Will, Andreas Fischer, schon ist die schönste Debatte im Gange. Über die Niedersachsenwahl vom Sonntag, über die Neuwahl des Parteichefs, über Rainer Brüderle, über den geeigneten Spitzenkandidaten. "Die Häuptlinge müssen außen vor bleiben, die Arbeit wird von den Indianern gemacht", sagt Will. "Die Arbeit der Indianer wird überlagert von den Personalquerelen in Berlin", findet Bertermann. Wirtschaftssprecher Dietrich von Gumppenberg kommt hinzu und zieht die Debatte ins Skurrile: "Ich bin kein Indianer, ich bin Niederbayer."

"Acht Prozent plus X"

Es sind Szenen einer verunsicherten Partei. Zeil, Hacker und Heubisch versuchen, sich nicht anstecken zu lassen und den Weg vorzugeben. Sie sagen kein böses Wort über Berlin und nur das Beste über die "Freunde in Niedersachsen". Und dann geht es um Bayern. Längst schon ist es Parteistrategie, die Liberalen im Freistaat möglichst weit vom Bund abzusetzen. Deswegen will man auch keinesfalls den Landtag gemeinsam mit dem Bundestag wählen. Möglichst weit auf Distanz gehen die drei auch zum bayerischen Koalitionspartner CSU.

Mit dem will man zwar nach dem September weiter regieren. Aber vorher möglichst deutlich machen, warum die FDP gebraucht werde. "Wir wissen aus sehr vielen Einzelfällen, dass man da auf keinen Fall die CSU alleine lassen kann", sagt Zeil, der am nächsten Wochenende zum bayerischen Spitzenkandidaten gekürt werden soll. "Bayern stand noch nie so gut da wie nach vier Jahren Koalitionsregierung", ergänzt Hacker, es dürfe keinen "Rückfall in die dunkelsten Zeiten einer Alleinregierung" geben.

Das Führungstrio nimmt die Vorlagen der CSU gerne auf. Mit ihrem Kreuther Klausurbeschluss für die Einführung von Mindestlöhnen habe die CSU "das Erbe Ludwig Erhards endgültig ausgeschlagen", sagt Zeil. Und Hacker lästert über die Wende der CSU bei den Studiengebühren, die sie nun abschaffen und dabei den Hochschulen die Finanzlücken mit Steuermitteln schließen will: "Die CSU geht jetzt daran, alle gefühlten Problemfelder dadurch zu lösen, dass der Freistaat Bayern noch mehr Geld ausgibt." Damit bringe die CSU sogar ihr eigenes Ziel in Gefahr, alle Staatsschulden bis zum Jahr 2030 zurückzuzahlen, warnt Zeil. "Deswegen müssen wir schauen, dass wir keine neuen Dauerbelastungen schaffen."

Noch ungeklärt bleibt nur die Frage, aus welchem Reservoir sich denn der angestrebte Sprung auf acht Prozent - Heubisch spricht sogar von "acht Prozent plus X" - speisen soll. Renate Will hat die Anhänger der Freien Wähler im Visier. Die seien als im Grundsatz Konservative bei der FDP doch viel besser aufgehoben mit deren klarer Koalitionsaussage für die CSU.

Ob die CSU allerdings am Ende die FDP überhaupt noch brauchen wird, ist zumindest nach der aktuellen Umfragelage höchst ungewiss. Zeil nimmt die derzeitige Flut an Prognosen mit Ironie: "Ich sag immer: Ich vermisse die Morgen-, Mittag- und Abendumfragen. Wir sollten das eigentlich stündlich messen."

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