Entscheidung in Karlsruhe:Bayern und Hessen klagen gegen Länderfinanzausgleich

Plenarsitzung - Bayerischer Landtag

Horst Seehofer und sein Freistaat Bayern werden gegen den Länderfinanzausgleich klagen - das geht aus einer Beschlussvorlage hervor.

(Foto: dpa)

Erst haben sie monatelang gedroht, nun machen die Bayern ernst: Gemeinsam mit Hessen will der Freistaat Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen den Länderfinanzausgleich einreichen. Die beiden Länder halten ihn für unvereinbar mit dem Grundgesetz.

Von Mike Szymanski

Nach Monaten der Drohungen macht Bayern ernst und will an der Seite Hessens noch im Februar Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen den Länderfinanzausgleich einreichen. Dies geht aus der Beschlussvorlage für die gemeinsame Kabinettssitzung der beiden Bundesländer an diesem Dienstag in Wiesbaden hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Darin heißt es: "Die Bayerische Staatsregierung und die Hessische Landesregierung halten das geltende System des bundesstaatlichen Finanzausgleichs für verfassungswidrig."

Der Finanzausgleich soll dabei helfen, die unterschiedlichen Lebensstandards in den 16 Bundesländern einander anzugleichen. Allerdings gab es 2012 nur noch drei Zahler: Bayern, Hessen und Baden-Württemberg, die insgesamt 7,9 Milliarden Euro überwiesen. Hauptzahler war der Freistaat mit allein etwa 3,9 Milliarden Euro. Seit Jahren beklagt Bayern, zu sehr für andere Bundesländer zur Kasse gebeten zu werden und drohte immer wieder mit einer Klage.

Zu Beginn des Superwahljahres mit Landtags- und Bundestagswahl ist es nun soweit. Die Situation der armen Bundesländer habe sich trotz der Milliardenzahlungen "weitgehend verfestigt, ohne konkrete Aussicht zur nachhaltigen Verbesserung", heißt es in der Beschlussvorlage. Berlin beispielsweise habe für das Jahr 2005 etwa 2,5 Milliarden Euro erhalten, mittlerweile würden 3,3 Milliarden Euro an die finanzschwache Bundeshauptstadt überwiesen. Die Last würde von immer weniger Schultern getragen - 2012 schied Hamburg aus dem Kreis der Geberländer aus und erhielt stattdessen etwa 21 Millionen Euro aus dem Ausgleichstopf, obwohl der Stadtstaat als sehr finanzstark gilt. "Ein solches Ausgleichssystem ist in sich nicht mehr stimmig und ungerecht", argumentieren Hessen und Bayern.

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(Foto: SZ-Grafik: Mainka)

Bayerns Vizeregierungschef, Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP), sagte der SZ: "Die Zahlungen Bayerns haben sich seit 2003 mehr als verdoppelt. Das System läuft aus dem Ruder." Für 2013 erwartet er eine Rekord-Zahlung von vier Milliarden Euro. "Der gegenwärtige Länderfinanzausgleich ist undurchsichtig, ungerecht und leistungsfeindlich. Er bestraft gute und solide Politik und belohnt politische Untätigkeit und Schuldenmacherei." Hier höre die Solidarität auf. Die Nehmerländer hätten keine "ernsthafte Verhandlungsbereitschaft in der Sache" gezeigt, heißt es auch in dem Papier. Bayern und Hessen stimmten daher darin überein, "den gemeinsamen Normenkontrollantrag bis Ende Februar 2013 zum Bundesverfassungsgericht einzureichen". Es gehe darum, Bestimmungen des Länderfinanzausgleichs "für nichtig, jedenfalls aber für unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären".

Bayern und Hessen argumentieren, die Ausgleichsmechanismen führten "in der Summe zu einem für die Zahlerländer nicht mehr akzeptablen Übermaß", Unterschiede in der Finanzkraft würden längst nicht mehr nur abgefedert, die Finanzkraftrangfolge würde durch die Zahlungen durcheinandergebracht. Vor allem für Berlin wollen Bayern und Hessen nicht mehr in der Höhe wie bisher mitzahlen. "Im Fall Berlins wird die Hauptstadtfunktion von den Ländern mitfinanziert. Dies ist nicht Aufgabe des Länderfinanzausgleichs." Hessen und Bayern verlangen eine Sonderfinanzierung durch den Bund.

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) attackierte am Wochenende abermals die Berliner Landesregierung mit scharfen Worten. "Es kann nicht sein, dass Bayern und Hessen die verfehlte Politik Berlins subventionieren und am Ende die Schadensersatzansprüche für (Klaus) Wowereits Flughafendesaster zahlen", sagte der CSU-Politiker der Welt am Sonntag.

Die angestrebte Verfassungsklage stößt länderübergreifend auf breiten Widerstand. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hält als Vertreter des dritten Geberlandes davon ebenso wenig wie sein Schweriner SPD-Amtskollege Erwin Sellering und Thüringens CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht. "Die Politik muss zeigen, dass sie selber gestalten kann", sagte Kretschmann. Eine Klage könne die Verhandlungen über eine Reform des Ausgleichssystems gefährden.

Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Sellering sieht die angekündigte Klage vor dem Hintergrund der anstehenden Landtagswahlkämpfe in Bayern und Hessen. "Ich sehe die Gefahr, dass man damit im eigenen Land Stimmung machen will", sagte er. Die CDU-Politikerin Lieberknecht zweifelt am Erfolg der Klage. Sie halte die geltende Regelung für "verfassungsfest". Schließlich sei diese das Ergebnis einer früheren Klage von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. "Das Urteil ist damals sehr gelobt worden, unter anderem auch im Bayerischen Landtag", sagte die Erfurter Regierungschefin. "Der Ministerpräsident hieß Edmund Stoiber."

Die SPD-Landeschefs von Bayern, Hessen und Baden-Württemberg mahnen indes Reformen auf dem Verhandlungsweg an. "Änderungen gelingen nur durch politische Verhandlungen, nicht durch Entscheidungen des Verfassungsgerichts", erklärten die drei Vorsitzenden Nils Schmid (Baden-Württemberg), Thorsten Schäfer-Gümbel (Hessen) und Florian Pronold (Bayern).

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