Coburg:Wie im schlechten Krimi

Betrüger auf der Buchmesse: Ein Coburger Pfarrer berichtet, wie er als Hobby-Autor auf einen Hochstapler hereinfiel - welcher in Frankfurt weiterhin sein Unwesen treibt.

Stefan Mayr

Wenn an diesem Wochenende die Frankfurter Buchmesse für das breite Publikum geöffnet wird, strömen wie jedes Jahr unzählige Hobby-Autoren in die Hallen. In der Tasche haben sie ihr Manuskript und im Kopf nur einen Wunsch - entdeckt und berühmt zu werden. Sie werden erwartet von Literatur-Agenten, aber nicht immer interessieren die sich für die Texte. Manche wollen offenbar nur Geld machen. Der evangelischen Pfarrer Heinrich Arnold kann davon eine Geschichte erzählen.

62. Frankfurter Buchmesse

Auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse gibt es viele Bücher, viele Hobby-Autoren und mindestens einen Betrüger.

(Foto: dapd)

Der 51-Jährige betreut die Kirchengemeinde Untersiemau bei Coburg. In seiner Freizeit schreibt er Kriminalgeschichten. Abrahams Erben heißt sein Roman. Um einen Verleger zu finden, ging er vor vier Jahren auf die Buchmesse. "Ich dachte mir, du fährst mal hin, spazierst ganz frech in die Halle der Agenturen und schaust mal, was passiert", erzählt Arnold.

Er traf auf Axel P., einen älteren Herren um die 70. Er hielt ihn für seriös. "Ich dachte, er will mir helfen", berichtet Arnold. "Er sagte sofort: Toll, das machen wir. Ich dachte mir: Mensch, der Wahnsinn, gleich der erste Kontakt ein Erfolg."

Heinrich Arnold verließ höchst erfreut das Messegelände. "Vor lauter Überschwang habe ich meiner Frau gleich noch ein Kleid gekauft." Aus der Freude wurde inzwischen Frust: Pfarrer Arnold hat Axel P. 4500 Euro gegeben - und dafür kaum eine Gegenleistung bekommen. P. hat ihn nicht groß herausgebracht. "Das Geld habe ich inzwischen abgeschrieben", sagt Arnold. Er weiß, dass P.s Literatur-Agentur vielen anderen Betroffenen noch größere Beträge schuldet, aber 2007 in Insolvenz ging.

Voschüsse im vierstelligen Bereich

Arnold wird sein Geld also wohl nie wieder sehen. "Am meisten erzürnt mich", sagt Arnold, "dass dieser Mann weiter auf Opferfang gehen kann." Und keiner unternimmt etwas dagegen - weder die Justiz noch die Buchmesse.

Bei seinen Geschäften geht P. meist nach dem gleichen Schema vor: Er bietet Autoren an, ihr Manuskript zu lektorieren und an einen Verlag zu vermitteln. Dafür kassiert er stets Vorschüsse - mitunter vierstellige Beträge. Die Autoren bekommen das Manuskript tatsächlich irgendwann zurück - mit einigen wenigen Änderungen und dem Hinweis, die Suche nach einem Verlag dauere noch an. Oder er kassiert einen Druckkostenzuschuss, ohne dass das Buch jemals produziert wird.

Nur eine Bewährungsstrafe - trotz Vorstrafenregister

Auch Pfarrer Arnold zahlte 3500 Euro plus Mehrwertsteuer - und wartet bis heute auf die Drucklegung seines Buches. "Ich habe von Herrn P. seit zwei Jahren nichts gehört", sagt Arnold.

Axel P. wurde erst am 29. September rechtskräftig wegen gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt - auf Bewährung. "Es ist empörend", sagt Pfarrer Arnold, "dass er wieder nur eine Bewährungsstrafe bekommen hat." Denn Axel P. hat ein langes Vorstrafenregister. Trotzdem darf er weitermachen.

Unseriöse Arbeitsweise

Bei der Frankfurter Buchmesse hat er mit seiner Literatur-Agentur, die seinen Namen trägt, nach eigenen Angaben einen "Doppelstand". Laut Messe ist er dort allerdings nicht erschienen. Dem Veranstalter sind im Umgang mit unseriösen Agenten die Hände gebunden: Solange eine Strafe auf Bewährung ausgesetzt ist, könne man einen Agenten nicht abweisen, sagt eine Sprecherin.

Weil nicht auszuschließen ist, dass der 73-Jährige doch noch endlich seriös arbeiten wird, darf er öffentlich nicht an den Pranger gestellt werden. Das wäre geschäftsschädigend, und er könnte Schadenersatz geltend machen. Und weil er nicht prominent ist, hat er auch Anspruch darauf, dass sein Name nicht genannt wird. Bekannt ist der Agent in der Literatur-Szene trotzdem.

Sein Treiben sorgt nicht nur bei geprellten Autoren für Unmut, sondern auch in Verlagskreisen. Gerhard Groß aus Augsburg etwa versucht seit langer Zeit, Axel P. zur Herausgabe von Original-Fotografien mit dem Dichter Bertolt Brecht zu bewegen. Die Mutter von Groß, Paula Banholzer, war die Jugendliebe Brechts, von ihm bekam sie als 18-Jährige ein uneheliches Kind. Banholzer veröffentlichte mit Axel P. ihre Erinnerungen an Brecht - damals übergab sie P. einige Original-Fotografien mit Brecht. Mit dabei war ein bis heute unveröffentlichtes Bild, auf dem Brecht eine weiße Mozartperücke trägt.

Ein ungewöhnliches Foto von beträchtlichem Wert. Doch es ist offenbar verschollen. "Diese Arbeitsweise ist äußerst unseriös", sagt Matthias Reiner vom Suhrkamp-Verlag über das Vorgehen Axel P.s. Bei derart wertvollem Material sei es "absolut unüblich", sich Originale geben zu lassen - "und wenn, dann muss man einen Vertrag aufsetzen mit einer Regelung für den Fall des Verlustes."

Ein Angebot zur Seelsorge

Axel P. schickte der betagten Paula Banholzer Kopien zurück, die er von den Originalen abfotografiert hatte - mit dem Hinweis, diese seien noch besser als die Originale. "Diese Kopien sind dilettantisch" betont Reiner, für eine Veröffentlichung seien sie ungeeignet. Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung beteuert Axel P., er habe die Originale schon vor Jahrzehnten zurückgegeben. Einen Beleg kann er aber nicht vorweisen. Über das Urteil vom 29.September will er gar nicht sprechen.

Stattdessen lässt er seinen Anwalt anrufen und mit rechtlichen Schritten drohen. Axel P. lebt nach eigenen Angaben von 365 Euro Rente plus 1000 Euro als angestellter Buchhändler. So hat er es vor Gericht angegeben. Im Teilnehmer-Register der Buchmesse taucht er dagegen als "Geschäftsführer" auf.

Pfarrer Arnold aus Untersiemau hat das Kapitel Axel P. auf seine Weise abgeschlossen: "Ich habe ihm einen seelsorgerischen Brief geschrieben und angeboten, er kann jederzeit beichten, wenn er das Bedürfnis hat." Axel P. hat noch nicht geantwortet. Im Internet kündigt er bereits seinen Auftritt auf der Leipziger Buchmesse an.

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