Augsburger Polizistenmord:Viele Spuren - und kein Wort der Angeklagten

Polizistenmord in Augsburg: Ermittlungserfolg

Polizistenmord in Augsburg: Tagelang suchten Polizisten 2011 am Tatort nach Spuren.

(Foto: dpa)

Es war ein rücksichtsloses und brutales Verbrechen: Zwei Brüder sollen in Augsburg einen Polizisten erschossen haben. Nun müssen sie sich vor Gericht verantworten.

Von Hans Holzhaider

Zwei Brüder, 57 und 59 Jahre alt. Der eine, der jüngere, hat mehr als 20 Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht. Der andere, ein gelernter Metzger, galt bisher als unbescholtener Bürger. Wenn es stimmt, was die Staatsanwaltschaft Augsburg ihnen vorwirft, dann sind die beiden rücksichtslose und zu großer Brutalität fähige Verbrecher.

Am Donnerstag beginnt vor dem Landgericht Augsburg der Prozess gegen Raimund M. und Rudi R. Sie sollen am 28. Oktober 2011 den 41-jährigen Polizeibeamten Mathias Vieth mit sieben Schüssen aus einer Pistole und einer Kalaschnikow getötet und dessen Kollegin Diana K., 20, verletzt haben. Außerdem glaubt die Staatsanwaltschaft, dass die Brüder in den Jahren 1999 bis 2011 an fünf Raubüberfällen beteiligt waren, bei denen insgesamt rund 700.000 Euro erbeutet wurden.

Es war spät nachts, als der Polizeihauptmeister Vieth und seine Kollegin den Parkplatz am Kuhsee im Augsburger Stadtteil Hochzoll-Süd kontrollieren wollten. Sie sahen dort zwei Männer mit einem Motorrad, die sich über eine große Stofftasche beugten. Als die Männer die Polizisten bemerkten, sprangen sie auf ihr Motorrad und flüchteten über den Hochablass, ein Stauwehr, das an dieser Stelle den Lech überquert. Die Polizisten folgten ihnen in halsbrecherischer Fahrt über die schmale, Z-förmige Dammkrone.

Am jenseitigen Lechufer kamen die Flüchtenden auf einem unbefestigten Waldweg mit ihrem Motorrad zu Fall. Mathias Vieth stoppte den Streifenwagen etwa zehn Meter von dem auf dem Weg liegenden Motorrad entfernt. Er stieg aus, zog seine Dienstwaffe und forderte die Männer laut auf, sich auf den Boden zu legen. In diesem Augenblick eröffnete einer der Männer das Feuer mit einer Pistole. Vieth wurde von drei Kugeln getroffen, er war schwer verletzt oder sogar schon tot, als er zu Boden fiel.

Schon einmal freigesprochen

Nach dem Ergebnis der Obduktion geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass einer der Männer mit einer Maschinenpistole noch weitere fünf Schüsse auf den am Boden liegenden Polizisten abfeuerte. Die junge Polizeiobermeisterin Diana K. wurde von einer Kugel an der Hüfte getroffen, dabei explodierte eine Patrone aus ihrem Reservemagazin. Nur die Schutzweste bewahrte die Beamtin vor einer schweren Verletzung.

Ein Mitsubishi Colt mit Münchner Kennzeichen, der in der Nähe des Kuhsee-Parkplatzes mit noch warmem Motor abgestellt war, brachte die Polizei auf die Spur der Brüder. Das Auto gehörte einem Bekannten von Rudi R., der es diesem zur Benutzung überlassen hatte. Und bei dem Namen Rudi R. leuchteten bei der Polizei alle Alarmsignale auf. Rudi R. war 1976 schon einmal wegen Mordes an einem Polizisten schuldig gesprochen worden.

Damals hatte er mit einem Komplizen eine Kaserne in Landsberg überfallen und einen Soldaten zur Herausgabe seiner Dienstwaffe gezwungen. Als ein Polizeibeamter das von den Tätern benutzte Auto kontrollieren wollte, wurde er erschossen. Rudi R. war zur Tatzeit erst 19 Jahre alt, und er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt - ein ungewöhnlich hartes Urteil für einen Heranwachsenden. Er verbüßte 19 Jahre seiner Haftstrafe. 1994 kam er auf Bewährung frei, 2000 wurde ihm die Reststrafe erlassen. 2003 wurde er noch einmal zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil er bei einem Ladendiebstahl einen Kaufhausdetektiv mit Pfefferspray attackiert hatte.

5000 Schuss Munition, neun Handgranaten

Zwei Monate wurden Rudi R. und seine Kontaktpersonen nach allen Regeln der Kunst observiert, allerdings ohne wirklich beweiskräftige Ergebnisse. Auf die wichtigsten Indizien stieß die Polizei erst, nachdem die beiden Brüder am 29. Dezember 2011 festgenommen worden waren. In der Wohnung von Rudi M.s Tochter, auf dem Bauernhof seines Schwagers und auf einem Industriegelände in Kissing entdeckte die Polizei mehrere Metallkisten und Tonnen, in denen ein beeindruckendes Sortiment von Schusswaffen verwahrt war - Maschinenpistolen, Pistolen, Revolver, eine Pumpgun, mehrere Kleinkaliberwaffen, neun Handgranaten, und rund 5000 Schuss Munition; außerdem erhebliche Geldbeträge, zum Teil in ausländischen Währungen.

Eine Fülle von Spuren, die an diesen Gegenständen entdeckt wurden, bringen die Brüder jedenfalls in Verbindung mit dem Polizistenmord und den Raubüberfällen. An einem Seesack fanden sich Blutspuren des erschossenen Polizeibeamten, und am Tragegurt des Seesacks eine DNA-Spur von Rudi R. Dessen DNA wurde auch an drei der sichergestellten Kalaschnikow-Maschinenpistolen gefunden. Eine dieser Kalaschnikows soll Spuren an acht am Tatort aufgefundenen Patronenhülsen verursacht haben. Es handelt sich dabei aber nicht um Spuren an einem Geschoss, die einen sicheren Rückschluss auf die Tatwaffe zulassen, sondern um Spuren, die vom Patronenauswerfer an der Geschosshülse verursacht wurden. Ob das ausreicht, um die Waffe als Tatwaffe zu identifizieren, werden erst die Sachverständigen dem Gericht erklären können.

Die Verteidiger von Rudi R. und Raimund M. bezweifeln ohnehin die Stichhaltigkeit der Indizien. Dass die Blutspritzer auf dem Seesack von Mathias Vieth stammen, steht fest. Die DNA-Spur am Tragegurt könne aber auch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt gesetzt worden sein, sagt R.s Anwalt Kai Wagler. Es gebe jedenfalls, argumentiert er, keinen einzigen stichhaltigen Beweis dafür, das Rudi R. in der Mordnacht am Tatort gewesen sei.

Auf langen Indizienprozess eingerichtet

Anders liegen die Dinge bei dem älteren Bruder. Von ihm wurde eine DNA-Spur an einem Motorradhelm-Visier gefunden, das am Tatort liegen blieb. M.s Anwälte machen geltend, dass ihr Mandant so schwer an Parkinson erkrankt sei, dass er die ihm vorgeworfenen Taten nicht begangen haben könne. Andererseits weiß man von Raimund M., dass er Tennis spielte und im Fitnessraum trainierte. Beim Überfall auf eine Lidl-Filiale in Augsburg die den beiden Angeklagten zur Last gelegt wird, schilderten mehrere Zeuginnen, dass die Hand eines der Täter stark gezittert habe.

Rudi R. und Raimund M. haben bisher keinerlei Angaben zu den Tatvorwürfen gemacht. Das Augsburger Schwurgericht unter dem Vorsitz von Christoph Wiesner hat sich auf einen langen Indizienprozess eingerichtet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: