Landshut:Josef Deimer: Ein Gigant, wie ihn die CSU heute vermisst

Franz Josef Strauss und Josef Deimer

Josef Deimer (r.) 1979 mit Franz Josef Strauß.

(Foto: picture-alliance / dpa)

Der ehemalige Landshuter Oberbürgermeister, gab Ministerpräsident Strauß und seiner Regierung oft und deutlich Contra. Am Sonntag wird er 80 Jahre alt.

Von Wolfgang Wittl, Landshut

In der CSU vergeht für gewöhnlich kein Tag, an dem sich jemand fragt, was Franz Josef Strauß wohl gerade gesagt oder getan hätte. Was also würde Strauß zu Ehren des Mannes sprechen, dem er einst "saugrobe Briefe" schreiben ließ und der ihm - gänzlich unbeeindruckt - genauso grob zurückschrieb? Wie würde Strauß einen Parteifreund würdigen, der ihm schon mal das "dümmste Eigentor aller Zeiten" bescheinigte, wenn es angebracht schien?

Ach, sagt Josef Deimer, alles halb so wild. Duckmäuser habe der Strauß ja noch viel weniger geschätzt. Und auch wenn Deimer vom Partei-Establishment mit manch unfreundlichen Namen bedacht wurde: Duckmäuser war bestimmt nicht darunter.

Was wurde Deimer nicht alles gescholten: Ein Linksaußen sei er nicht nur in seiner aktiven Zeit als Fußballer gewesen, sondern auch als Politiker. Ein unverbesserlicher Revoluzzer. Einer, der nicht zum Vorbild für die Jugend tauge. Doch wer die CSU kennt, der weiß, dass sich dahinter stets auch Respekt verbirgt für einen, der seine Überzeugungen rigoros über die Interessen der Partei gestellt hat.

Tatsächlich war Deimer ein Gigant der Kommunalpolitik, wie ihn die CSU heute schmerzlich vermisst; der es als vermeintlich kleiner Oberbürgermeister von Landshut schaffte, in der Nachkriegspolitik landesweit große Spuren zu hinterlassen, davon 30 Jahre als Präsident des bayerischen Städtetags.

Wenn Deimer am Sonntag seinen 80. Geburtstag feiert, wird vieles zur Sprache kommen, was er für Stadt und Staat geleistet hat. Und vielleicht manches, was er sich an angeblichen Ungebührlichkeiten geleistet hat. "Da muss man durch", sagt er nur.

Die Laudatoren, darunter Ministerpräsident Horst Seehofer, werden am Samstag in einem Festakt auf Deimers Wirken zurückblicken. Sie werden den Weg des jüngsten von fünf Kindern nachzeichnen, das unter einfachen Verhältnissen im Landshuter Arbeiterviertel Achdorf aufgewachsen ist. Das von den Gräueln des Krieges mehr sah, als viele Erwachsene später zugeben wollten. Das früh seinen Vater verlor und auch seinen älteren Bruder Richard, von dem Deimer später seinen Spitznamen erbte. Freunde nennen ihn nur "Dick", was nichts mit der Statur zu tun hat. "Ich war scho allerweil a Zamperl", sagt Deimer. Aber dafür meist schneller als andere.

Schon als 30-Jähriger wurde Deimer nicht nur mit den meisten CSU-Stimmen in den Landshuter Stadtrat gewählt, sondern auch als jüngstes Fraktionsmitglied in den bayerischen Landtag. Mit 33 wurde er jüngster Oberbürgermeister in Deutschland, fünf Jahre später rückte er an die Spitze des Städtetags, den er zu einer Art außerparlamentarischen Opposition gegen die Staatsregierung formte.

Insgesamt sechsmal wählten ihn die Landshuter zum OB, einmal mit weit über 80 Prozent der Stimmen. Und gäbe es keine Altersbegrenzung für Kommunalpolitiker, sie würden ihn wohl heute noch wählen. Mit solch einem Rückhalt darf man auch frech sein, sagt Hans Rampf, sein Nachfolger als Oberbürgermeister. Und Deimer habe seine Unabhängigkeit durchaus ausgekostet.

Die Auseinandersetzungen mit dem Spitzenpersonal seiner Partei sind legendär. "Mit vollen Hosen ist gut stinken", giftete Deimer etwa, wenn das Kabinett die Nebeneinkünfte von Kommunalpolitikern beschneiden wollte. "Da sind sie natürlich wieder ausgeflippt", erinnert er sich mit diebischer Freude. Oder, beim Finanzausgleich: "Erst ziehen sie einem die Hose aus, dann soll man auch noch den Gürtel enger schnallen."

"Einige Deimers braucht es, aber nicht zu viele"

Josef Deimer wird 80

Am Sonntag wird er 80 - man sieht's ihm nicht an.

(Foto: dpa)

Dem damaligen CSU-Generalsekretär Markus Söder unterstellte er mal "Blödsinn", mal bezeichnete er ihn als "Politruk", als sozialistischen Politkommissar. Strauß warf er vor, sich mit der Staatskanzlei einen "gigantomanischen Betonklotz" als Denkmal zu errichten. Die Bemühungen von Kultusministerin Monika Hohlmeier bei den Ganztagsschulen würdigte Deimer wiederum als "Fliegenschiss".

Solch deftige Wortwahl mag überraschen für jemanden, der als Schöngeist gilt und Verse in der Form japanischer Haikus verfasst. Doch um gehört zu werden, müsse man über das Ziel auch hinausgehen, sagt Deimer. Stimmt, bestätigt der spätere CSU-Chef Erwin Huber, der unter Strauß und Edmund Stoiber als Exekutor der Partei- und Regierungsarbeit waltete: Deimer habe nie um des Streits willen gepoltert, sondern stets für die Städte und sein geliebtes Landshut gekämpft. Aus den Machtzirkeln der CSU hat sich Deimer rasch verabschiedet, angebliche Angebote als Partei-Vize oder Minister lehnte er gerne ab.

Inhaltlich war Deimer seiner Partei weit voraus. Er kämpfte bereits gegen die Atomkraft, als an die Grünen noch kein Mensch gedacht hat. Er setzte sich früh für Ganztagsschulen, Kinderbetreuung und Kommunalwahlrecht für EU-Bürger ein - heute Selbstverständlichkeiten, damals in der CSU Fremdwörter.

Ob der intellektuelle Querdenker genervt hat? "Ja", sagt Huber: "Aber positiv genervt." Der frühere Parteichef Theo Waigel befand: "Einige Deimers braucht es, aber nicht zu viele." Die Herausforderungen für die Zukunft sieht Deimer jetzt in der Integration, der Altersvorsorge und im sozialen Wohnungsbau.

Er leugne nicht, dass er in weiten Teilen sozialdemokratische Politik betrieben habe, sagt Deimer rückblickend. Er war nicht zufällig der einzige CSU-Mann, den der Münchner SPD-OB Georg Kronawitter duzte. Und Hans-Jochen Vogel lamentierte, was man falsch gemacht habe, dass einer wie Deimer nicht bei den Genossen gelandet sei.

Der christlichen Soziallehre verpflichtet, gestaltete Deimer auch seine Lokalpolitik: Er behielt Betriebe in kommunaler Hand, als andere ihr Tafelsilber verkauften. Ein zwiespältiges Erbe. Einerseits lasten auf dem 70 000 Einwohner zählenden Landshut etwa 200 Millionen Euro Schulden, andererseits sind schon fast die Stadtwerke allein so viel wert. Auch die städtische Klinik, obwohl Verlustbringer, gehört für Deimer zur Daseinsvorsorge.

Ein weiteres Anliegen ist ihm der Denkmalschutz. Den 65 Millionen Euro teuren Tunnel durch den Hofberg, der die Innenstadt entlastet und inzwischen seinen Namen trägt, setzte er gegen große Widerstände durch. Auch deshalb gibt es in Landshut das geflügelte Wort von der "Deimokratie". Beim Städtetag indes fiel der studierte Statiker als Brückenbauer in alle Richtungen auf.

Sein Versprechen, sich nicht mehr ins Tagesgeschäft einzumischen, hat er tatsächlich gehalten - "auch wenn er am Frühstückstisch sicher oft tief Luft holen musste", wie sein Nachfolger Rampf sagt. Mit zahlreichen Ehrenämtern, etwa bei der Lebenshilfe, ist Deimer trotzdem gut ausgelastet. Seine Erinnerungen, alle fein sortiert, füllen mittlerweile zwei Zimmer in seinem Haus aus: Akten, Zeitungsberichte, Briefwechsel - auch jene mit Strauß. Welche Schlagzeilen Deimer zu seinem 80. Geburtstag abheften will? "Die Leute sollen sagen, dass es gepasst hat."

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