Zum Ende von Maybach:Der lange Abstieg einer Luxusmarke

2002 wurde der Maybach mit viel Pomp vorgestellt, 2013 ist endgültig Schluss. Nur 3000 Luxusautos aus Stuttgart wurden in elf Jahren verkauft - für den dauerhaften Erfolg viel zu wenig. Zu viel Angst vor der eigenen Courage, die veraltete Technik der S-Klasse von Mercedes und biederes Design - damit hatte Maybach nie eine wirkliche Chance.

Georg Kacher

Wilhelm Maybach und Gottlieb Daimler waren zwei kongeniale Pioniere, die gemeinsam den ersten Mercedes aus der Taufe hoben und mit ihren Erfindungen dem deutschen Motorwagen das Laufen lehrten. Der Stratege Daimler und der Konstrukteur Maybach legten den Grundstein des guten Sterns auf allen Straßen, doch 1919 gingen Vater und Sohn Maybach eigene Wege.

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Schweres Erbe: Der neuzeitliche Maybach, hier der 57, sollte im Sog von Auto-Legenden wie dem Zeppelin von 1933 zum Erfolg fahren. 

(Foto: Maybach)

Mit Innovationen wie Reihensechszylinder, V12-Motor, Schnellganggetriebe und Schwingachse gelang es ihnen, sich mit ihren bis zu siebensitzigen Luxuswagen noch oberhalb von Mercedes am Markt zu etablieren. Doch trotz exklusiver Aufbauten berühmter Karosseriebauer, hochkarätiger Technik und exquisiter Verarbeitung überlebten weder der legendäre Zeppelin noch die etwas günstigere Baureihe SW 38/42 die Wirren des Zweiten Weltkriegs. Was blieb, war die Produktion von großvolumigen Dieselmotoren für Schiffe und Lokomotiven, die 1960 von Daimler-Benz erstanden und in die MTU integriert wurde.

Vielleicht wäre der Name Maybach für immer in der Versenkung verschwunden, doch als Bentley 1998 an VW verkauft wurde und BMW gleichzeitig Rolls-Royce übernahm, drängten auch die Schwaben unter der Führung des Duos Schrempp/Hubbert ins Rampenlicht. Um die Kaufkraft der Superreichen nicht komplett nach Wolfsburg und München abfließen zu lassen, entschloss man sich noch vor der Jahrhundertwende, die Marke Maybach neu zu beleben.

2002 war es dann soweit: Mit viel Pomp wurde der Maybach 62 vorgestellt. Doch die Euphorie hielt sich in Grenzen, denn der Luxuswagen war eine mit viel Chrom und wenig Stilsicherheit neu eingekleidete alte S-Klasse, die allenfalls durch nette Details wie Schlafsessel im Fond oder das in der hinteren Dachkonsole untergebrachte zweite Instrumentarium Aufsehen erregte.

Als Kulisse für das wenig sozialverträgliche 6,2-Meter-Schiff wurde eine von Superlativen umrankte Maybach-Welt hochgezogen, die mit geheimnisvoll abgedunkelten Sechs-Sterne-Lounges, rund um die Uhr verfügbaren Personal Liaison Managern und den Manufakturqualitäten des in Sindelfingen eingerichteten Center of Excellence ein abgehobenes Ambiente schaffen sollte.

An Ideen mangelte es nicht

Während Bentley durchstartete und Rolls-Royce mit dem Phantom vom ersten Jahr an vierstellige Verkaufszahlen einfuhr, blieb Maybach jedoch selbst dann hinter den Erwartungen zurück, als mit dem 57 eine kleinere und günstigere Variante auf den Markt kam. Statt der anvisierten 1000 Autos wurden in den ersten Jahren 600, 500, 360 und 2010 dann nur noch 180 Einheiten abgesetzt - zu wenig zum Überleben.

An Versuchen, die Marke auf vier gesunde Räder zu stellen, hat es in den vergangenen neun Jahren zwar nicht gefehlt. Wohl aber an der Bereitschaft, Geld in eine Fahrzeugklasse zu investieren, in der mit einem aufgehübschten Auslaufmodell und großspurigem Marketing kein Blumentopf zu gewinnen war.

Obwohl Daimler-Boss Dieter Zetsche rund eine Milliarde Euro in das Luxusauto-Abenteuer versenkt hat, blieb es bei einem einzigen Modell auf Basis der vorletzten S-Klasse, die schon 1998 eingeführt würde. Als 2005 der Nachfolger startete, musste der Maybach weiter mit der alten Elektronik, dem betagten Antriebsstrang und veralteter Sicherheitstechnik vorliebnehmen.

Statt die Marke zum Vorreiter der grünen Bluetec-Offensive zu machen und vielleicht sogar eine Brennstoffzellen-Kleinserie auf den Weg zu bringen, übten sich die Hüter des Maybach-Grals in der Kunst des Zauderns und Zögerns. An Ideen hat es dabei nicht gefehlt: Der kleine Maybach 52 setzte über mehrere Jahre in den Projektlisten Staub an, der Maybach SUV auf GL-Basis mit neuem Hut und hinteren Schlafsitzen fiel dem Rotstift zum Opfer, das als Maybach konzipierte viertürige Ocean Drive Cabrio wurde erst in letzter Minute zum Mercedes umgepfriemelt, und auch die ganz große Nummer mit vier neuen Maybach-Modellen scheiterte an der Angst vor der eigenen Courage.

Dabei hätte gerade dieser Aufschlag die Konkurrenz aus Crewe und Goodwood in den Grundfesten erschüttern können. Denn eine völlig neue Fahrzeuggeneration auf Basis der 2013er S-Klasse mit langer Limousine, großem viertürigen Coupé und einer Kreuzung aus Coupé und Cabrio mit hinten angeschlagenen Fondtüren wäre eine Comeback-Chance gewesen, ohne das Kerngeschäft mit dem Stern zu beschädigen.

Doch weil nichts geschah, konnte der Wettbewerb die Pfründe fast nach Belieben unter sich aufteilen. Während Bentley in seinem besten Jahr mehr als 10 000 Einheiten absetzte, kam Maybach zwischen 2002 und 2011 in Summe nur auf 3000 Autos - so viel wie Rolls-Royce allein 2012 verkaufen will. Langfristig rechnen beide High-End-Anbieter mit hohen vierstelligen (RR) oder gar fünfstelligen Stückzahlen.

Die Substanz war bescheiden, Neues kam nicht hinzu

Die BMW-Tochter will zu diesem Zweck die Ghost-Palette relativ zügig um ein Coupé und ein Cabrio erweitern. Der Phantom wird 2012 überarbeitet und vermutlich 2016 durch eine Neukonstruktion ersetzt, die sich an den nächsten BMW Siebener anlehnt. Nach dem Phantom-Konzeptfahrzeug mit E-Antrieb, das ein Einzelstück bleiben soll, gilt eine Plug-in Hybrid-Variante des Nachfolgers als beschlossen. Falls der Markt es verlangt, wäre man sogar bereit, auf Basis der BMW i-Module ein luxuriöses Zubringerfahrzeug zu entwickeln, dessen weiße Umweltweste nach Art des Hauses maßgeschneidert wäre.

Bentley baut aktuell sehr schwere und ziemlich durstige Kaleschen, doch schon der im Frühjahr lieferbare V8-Biturbo senkt den Verbrauch um 40 Prozent, und die nächste Modellgeneration wird im Extremfall fast eine halbe Tonne abspecken. Dabei dockt man technisch weder bei der VW-Mutter in Wolfsburg an noch bei der Tochter in Ingolstadt. Stattdessen macht Bentley-Chef Wolfgang Dürheimer gemeinsame Sache mit seinem früheren Arbeitgeber Porsche, der für den nächsten Panamera und die neue mittlere Bentley-Baureihe eine neue Architektur entwickelt.

Darüber besteht der Mulsanne mit etwas weniger archaischer DNS weiter, und darunter soll endlich ein kleinerer Bentley das Laufen lernen. Er wäre größenmäßig zwischen E- und S-Klasse angesiedelt und könnte sich die Gene mit dem projektierten Porsche Pajun teilen, der als zusätzliche Baureihe 2017 seinen Einstand geben soll. Schon 2015 will Bentley seinen Crossover für Sehr-viel-Besserverdiener ins Rennen schicken, eine sportlich-elegante Mischung aus Geländewagen, Shooting Brake und Nobelkombi.

Maybach darf in diesem Prestige-Lotto nicht mehr mitspielen, denn 2013 ist endgültig Schluss. In die Rolle des Nachfolgers schlüpft dann die neue Mercedes S-Klasse, von der es erstmals sechs verschiedene Varianten geben wird. Zum Grundmodell und der Langversion gesellt sich ein extra-langer Viertürer nach Art des Pullman sowie ein echter Mercedes 600 mit weitgehend eigenständigem Aufbau, der an das Repräsentationsfahrzeug aus den sechziger Jahren erinnert - mit stehenden Scheinwerfern, sechs Seitenfenstern, gegenläufiger Sitzanlage in Reihe zwei und allen erdenklichen Komfortfeatures.

Darüber hinaus plant Mercedes ein S-Klasse-Coupé als Ersatz für den CL sowie ein davon abgeleitetes viersitziges Cabrio. Mit vier verschiedenen Radständen und drei verschiedenen Motorisierungen bis zum modellgepflegten V12 treten die Sonderklassen das Erbe einer Marke an, die mehr verdient hätte als viel Brimborium um eine vergleichsweise bescheidene Substanz.

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