Zulassungsverfahren:EU-Kommission zieht Konsequenzen aus VW-Skandal

TÜV-Report 2015

Ein Kfz-Sachverständiger vom TÜV überprüft ein Fahrzeug.

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)
  • Der Einsatz von manipulativer Abgas-Software oder falsche Angaben sollen laut EU-Kommission mit bis zu 30 000 Euro pro Auto bestraft werden.
  • Den Plänen zufolge stehen TÜV oder Dekra in Zukunft unter stärkerer Kontrolle.
  • Ob die beschlossenen Maßnahmen umgesetzt werden, ist allerdings ungewiss.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Es ist nicht so, dass Elżbieta Bieńkowska etwas gegen Autos hätte. Die Industriekommissarin der EU liebt ihren kleinen Mercedes. Schon als Kind sei sie als Tochter eines Ingenieurs mit dem Lenkrad zwischen den Händen aufgewachsen, erzählt sie in ihrem Büro mit Blick über die Dächer von Brüssel. Es sind schöne Erinnerungen, doch seit die dreisten Abgasmanipulationen von Volkswagen aufgeflogen sind, hat Bieńkowska mit den Abgründen einer Industrie zu tun, die sich lange Zeit für unangreifbar gehalten hat.

An diesem Mittwoch steht sie zusammen mit ihrem Kollegen Jyrki Katainen im Pressesaal der EU-Kommission und erklärt, welche Konsequenzen die Brüsseler Behörde aus dem VW-Skandal zieht. Aus ihrer Sicht haben die nationalen Kfz-Zulassungsverfahren versagt; die Kommission will die Ämter deshalb künftig europaweit überwachen. Auch technische Prüfstellen, wie in Deutschland etwa Dekra und TÜV, sollen unabhängiger von der Autoindustrie werden. Dass die Hersteller derzeit diese Dienstleister selbst bezahlen, sei "wirklich lächerlich", meint Bieńkowska.

Bußgelder für Autohersteller

Geht es nach dem Willen der EU-Kommission, drohen betrügerischen Autoherstellern künftig Bußgelder. Der Einsatz von manipulativer Abgas-Software oder falsche Angaben sollen mit bis zu 30 000 Euro pro Fahrzeug geahndet werden. Die Kommission soll diese Strafen verhängen können, falls die nationalen Behörden den betroffenen Autokonzern nicht selbst zur Kasse bitten.

Die Brüsseler Behörde will zudem das Recht erhalten, technische Prüfstellen wie TÜV oder Dekra zu kontrollieren, deren Kompetenzen zu begrenzen oder deren Erlaubnis zur Zulassung gleich ganz zu kassieren. Außerdem will die EU-Kommission auch nach der nationalen Zulassung Autos selbst testen - und wenn nötig Rückrufe anordnen. Auch die zuständigen Aufsichtsbehörden der Mitgliedsländer sollen Rückrufaktionen verlangen können, selbst wenn der Fahrzeugtyp in einem anderen EU-Staat genehmigt wurde. In schweren Fällen kann ein Modell gleich ganz vom Markt genommen werden.

Sogenannte defeat devices sollen weiterhin verboten bleiben. Mit einer derartigen Software hatte Volkswagen Abgaswerte von Dieselautos manipuliert. Die EU-Kommission will nun durchsetzen, dass die Autohersteller auch die Protokolle der in den Fahrzeugen genutzten Software offenlegen. Typenzulassungen sollen fünf Jahre gültig sein; dann müssen die Hersteller für den Fahrzeugtyp ein neues Genehmigungsverfahren durchlaufen.

Ein undurchsichtiges Geflecht von Prüfern und Genehmigungsbehörden

Bislang weiß die Kommission nicht einmal genau, wo welche Autos in der Europäischen Union geprüft werden. In den vergangenen Jahrzehnten ist ein undurchsichtiges Geflecht von Prüfern und Genehmigungsbehörden entstanden. Volvo etwa baut Autos in Schweden, lässt sie aber in Spanien zertifizieren. Audi greift auf Zertifizierer in Luxemburg zurück. Die Typ-Genehmigungsbehörde für den tschechischen Autohersteller Škoda ist die VCA in Großbritannien. Ford nimmt ebenfalls die Dienste des VCA und der SNCH in Luxemburg in Anspruch. Daneben sind auch Minetur in Spanien und, wie bei Opel, deutsche Organisationen im Einsatz. Opel bemüht zudem die Behörden in Luxemburg und den Niederlanden. Auch künftig sollen die Autohersteller frei wählen dürfen, wo sie ihre Fahrzeuge untersuchen lassen. Das ist im Sinne des europäischen Binnenmarktes. In Zukunft will die Kommission das Ganze eben nur strikt überwachen.

Ob die vorgelegten Pläne auch umgesetzt werden, ist ungewiss. Sie müssen von den EU-Staaten und dem Europaparlament beschlossen werden. Nach dem Willen der Kommission soll das neue Verfahren dann zwei Jahre später greifen. "Wir haben eine breite Unterstützung für das neue Zulassungssystem", sagt Bieńkowska. Und was die neuen Abgastests betrifft, so seien eben Mitglieder des Europaparlaments dagegen, weil ihnen die Vorschläge nicht ambitioniert genug seien.

Die Autolobby setzt die Abgeordneten unter Druck

Nächsten Mittwoch werden die Abgeordneten über die neuen Fahrtests abstimmen. Zuvor hatten die Mitgliedsstaaten den Vorschlag der Kommission auf Druck der Autolobby massiv abgeschwächt; der Umweltausschuss des Parlaments lehnte deshalb die geplanten Grenzwerte bei Stickstoffoxiden ab. Seitdem verhandeln der Ausschuss, die Kommission und die Mitgliedsstaaten über einen Kompromiss.

Die grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms begrüßt zwar den Zulassungsvorschlag der Kommission, warnt aber vor einem Kuhhandel: "Es darf nicht sein, dass das Parlament im Gegenzug aufgeweichte Stickstoffgrenzwerte für Neuwagen durchwinkt." Die Parlamentarier Andreas Schwab und Peter Liese von der CDU sehen das anders: "Der Vorschlag zur besseren Marktüberwachung ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das Parlament den neuen Abgastests zustimmen kann." Am Ende wird es an den Sozialdemokraten liegen, wie die Abstimmung ausfällt. Die Autolobby setzt die Abgeordneten seit Wochen unter Druck. Ihr Argument: Durch zu strenge Regeln wären Arbeitsplätze in Gefahr. Von der Umwelt ist keine Rede.

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