Zukunfts-Szenarien:Die Mobilität der Zukunft? Denkbar ist vieles

Zukunfts-Szenarien: Barbara Lenz

Barbara Lenz

(Foto: Die Hoffotografen GmbH Berlin; DLR)

Es gibt einige Visionen dafür, wie die Menschen künftig mobil bleiben werden. Hier erzählen Frauen, die es wissen müssen, was sie davon halten.

Protokolle: Anke Eberhardt

"Wird der Lieferroboter in ein paar Jahren bei mir klingeln und mir sagen: 'Frau Lenz, kommen Sie runter und holen Sie Ihr Päckchen ab!'?"

Info

Prof. Dr. Barbara Lenz ist Leiterin des Instituts für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Expertin im Bereich autonomes Fahren, E-Mobilität und Verkehr.

Momentan ist es schwierig, abgedrehte Szenarien für die Zukunft zu entwerfen, denn viele Dinge sind schon so nah. Der Paketdienst Hermes hat zum Beispiel einen Lieferroboter, der weiß, wo die Pakete im Logistikzentrum hingehören. Wird er in ein paar Jahren bei mir klingeln und mir sagen: 'Frau Lenz, kommen Sie runter und holen Sie Ihr Päckchen ab!', oder gibt es bei mir im Haus dann schon einen Roboter, der es entgegennimmt? Das würde heute wohl fast niemanden mehr überraschen.

An den Individualkopter oder etwas Vergleichbares für den Alltag glaube ich nicht, allein schon aus sicherheitstechnischen Gründen. Aber kleinere Flugzeuge, die irgendwann elektrifiziert, ressourcenschonender und leiser sind, und dann stadtnah zur Verfügung stehen, das könnte ich mir schon vorstellen.

Eine wirkliche Revolution wäre es, wenn es eines Tages voll automatisiertes Carsharing gäbe, sodass ich an der Straße stehe, ein Auto bestelle, das mich abholt und an mein Ziel fährt. So etwas könnte auch helfen, Probleme der Infrastrukturkapazität zu lösen. Wenn wir ein vollautomatisches System hätten, bekämen wir mehr Fahrzeuge auf die vorhandenen Straßen. Ob wir das wirklich wollen, muss man allerdings diskutieren. Denn eigentlich sollten nicht noch mehr Vehikel auf die Straßen, sondern mehr Personen in jedes einzelne. Heute sitzen in Deutschland im Durchschnitt 1,4 Personen in einem Auto. Wenn wir das auf 2,8 Personen erhöhen könnten, hätten wir nur noch die Hälfte der Fahrzeuge auf den Straßen. Und weniger Stau. Und weniger Emissionen. Wenn man das noch mit Elektrifizierung kombiniert, geht da wirklich viel - sowohl was Zeit und Stress als auch den Umweltschutz anbelangt.

Ein Grundproblem des Verkehrs ist, dass der einzelne Mensch meistens das Gefühl hat, sein Handeln bewirke nichts - er oder sie ist ja nur eine Person unter ganz vielen. An einem Tag sind in Deutschland durchschnittlich ungefähr 300 Millionen Mal Menschen von A nach B unterwegs. Dabei haben wir nicht den Eindruck, dass das einzelne Handeln Auswirkungen hat. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad kommt möglicherweise das Gefühl von unmittelbarer Verantwortung auf, bei motorisierten Fahrzeugen scheint das schwieriger zu sein. Denn wir haben unser Leben ja auch darauf eingerichtet, dass bequeme und flexible Individualfahrzeuge zur Verfügung stehen. Und was wir wahrnehmen, ist: Das Flugzeug hebt ja sowieso ab, das bleibt nicht am Boden, wenn ich nicht einsteige. Wenn Feedback nicht direkt erlebbar ist, fällt es schwer, Konsequenzen für sein eigenes Tun zu ziehen. Deswegen bleibt es eine riesige Herausforderung, das Mobilitätsangebot in Zukunft so zu gestalten, dass wir von vornherein möglichst nachhaltig unterwegs sein können.

Zukunfts-Szenarien: Meike Niedbal

Meike Niedbal

(Foto: Pablo Castagnola; Deutsche Bahn)

"Stellen Sie sich mal Berlin ohne Autos im inneren Stadtring vor. Das ist schon verlockend, oder?"

Info

Dr. Meike Niedbal ist Leiterin des Konzernprogramms Smart City bei der Deutschen Bahn und entwickelt für den Konzern Strategien in Sachen Bus, Bahn, Bike und Co. für morgen und übermorgen.

Künftig werden wir Städte weitgehend ohne Autos haben. Wir beobachten seit Jahren, dass junge Erwachsene, die in der Stadt wohnen, immer seltener ein Auto besitzen. Das ist ein gesellschaftlicher Wandel, der sehr gut zur technischen Entwicklung von autonomen Fahrzeugen, Sharing-Flotten, Pedelecs et cetera passt. Heute zählen wir in Berlin noch knapp 1,2 Millionen Pkw. Wenn ich Pensionärin bin, braucht keiner mehr ein Auto für die Fahrt nach Berlin - weil der öffentliche Verkehr die erste und letzte Meile mit individuellen Mobilitätsangeboten deutlich erweitert hat. Stellen Sie sich mal Berlin ohne Autos im inneren Stadtring vor. Das ist schon verlockend, oder?

Im Moment testen wir den Einsatz von autonom fahrenden Kleinbussen. Menschen, die bislang mit dem Auto im Stau gestanden haben, können sich künftig direkt von der Haustür abholen und zum nächstgelegenen Bahnhof fahren lassen. Über intelligente Algorithmen wird es möglich sein, gleiche Strecken mit mehreren Fahrgästen zu bündeln, ohne dass die Umwege für jeden Einzelnen zu lang werden. So könnte man Zeit gewinnen, statt sich über die quälenden Blechlawinen auf der Straße zu ärgern.

Der Einsatz von Drohnen wird hingegen aus meiner Sicht überschätzt. Wenn sich jeder seine Pakete an die Haustür liefern ließe, würde es am Himmel bald ziemlich unübersichtlich werden. Natürlich gibt es spezifische Einsatzfelder, wo die Anwendung sinnvoll ist. Bei der Deutschen Bahn nutzen wir beispielsweise Drohnen, um Baumaßnahmen besser zu planen oder Solaranlagen zu inspizieren. Aber einen flächendeckenden Einsatz halte ich nicht für realistisch. Unterschätzt wird hingegen der Fahrradverkehr. In Kopenhagen wird das Fahrrad heute bereits mehr genutzt als das Auto. Und in China wachsen gerade große Bikesharing-Plattformen. Zehn Millionen Fahrten täglich und 30 Millionen registrierte Nutzer sprechen für sich. Das Fahrrad ist eben immer noch ungemein flexibel, günstig, gesund und umweltschonend.

Für mich persönlich wäre es im Moment der größte Erfolg, wenn sich meine Kinder den Fahrradhelm morgens allein und freiwillig aufsetzen würden!

Mobilität soll möglichst unkompliziert sein

Zukunfts-Szenarien: Tanja Kessel (links) und Rahild Neuburger (rechts)

Tanja Kessel (links) und Rahild Neuburger (rechts)

(Foto: EICT / LMU München)

"Nie mehr einen Fahrplan lesen, keine Fahrkarte mehr am Automaten kaufen, sich nicht im Vorfeld einer Reise stundenlang orientieren müssen, wie man von A nach B kommt."

Info

Tanja Kessel und Dr. Rahild Neuburger vom EICT - European Center for Information and Communication Technologies Berlin und der Ludwig-Maximilians-Universität München sind Mitverfasserinnen der Münchner-Kreis-Zukunftsstudie VII Mobilität. Erfüllung. System - Zur Zukunft der Mobilität 2025+.

Heute stehen Bus und Bahn, Fahrrad und Taxi eher nebeneinander; man entscheidet sich normalerweise für das eine oder das andere. Das wird sich künftig ändern. Dank überregionaler Anbieterplattformen wird man verschiedene Fortbewegungsmittel besser verknüpfen können. Nie mehr einen Fahrplan lesen, keine Fahrkarte mehr am Automaten kaufen, sich nicht im Vorfeld einer Reise stundenlang orientieren müssen, wie man von A nach B kommt: Durch die Digitalisierung hat Mobilität das Potenzial, einfach und unkompliziert zu funktionieren, sodass man nahtlos zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln wechseln kann. Erste Beispiele gibt es heute schon, wie die App 'moovel', über die man öffentlichen Nahverkehr, aber auch car2go und mytaxi buchen und direkt bezahlen kann.

Derartige Konzepte verändern unseren Umgang mit Mobilität grundlegend. Damit dies funktioniert, ist es wichtig, Akzeptanz zu erzeugen; besonders wenn es um technische Plattformen und Infrastrukturen geht. Da diese nicht ohne die Erfassung und Nutzung persönlicher Daten funktionieren, braucht es entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen, über die heute schon viel diskutiert wird.

Außerdem gibt es immer noch einen nicht geringen Anteil an Nonlinern in Deutschland, also Menschen, die gar nicht online sind oder sein möchten. Wären sie durch die digitalisierten Systeme von der schönen neuen Zukunft der Mobilität ausgeschlossen? Oder wie kann es gelingen, den Zugang für alle zu ermöglichen? Denn gerade ältere Menschen, solche in ländlichen Regionen, oder die keinen Führerschein oder ein eigenes Verkehrsmittel besitzen, könnten von einer besseren Verknüpfung von Transportmitteln und der Automatisierung erheblich profitieren.

Durch neue Technologien wie Virtual Reality und Augmented Reality könnte man aber auch erreichen, dass insgesamt gar nicht mehr so viel Verkehr entsteht. Denn durch Ferndiagnosen wird die Wartung technischer Geräte möglich, virtuelle Assistenten helfen bei medizinischen Diensten, oder die Arbeitsumgebung wird virtueller, ganz unabhängig davon, wo ich mich gerade befinde. Dadurch ließe sich der Berufsverkehr auf eine ganz andere Art reduzieren. Denn Nachdenken über neue Mobilitätskonzepte heißt auch zu überlegen, wie Verkehr durch die Digitalisierung vermieden werden kann.

Zukunfts-Szenarien: Hildegard Wortmann

Hildegard Wortmann

(Foto: BMW Group)

"Ich möchte während der Fahrt entscheiden, wann es Zeit für ,Füße hoch' zum Entspannen ist und wann ich die Straße aktiv erobern möchte"

Info

Hildegard Wortmann ist Leiterin der Marke BMW. Sie ist sowohl für die Markenkommunikation als auch für das Produktmanagement verantwortlich und somit zukunftsweisend für einen der 15 größten Automobilhersteller der Welt.

Zukünftig wird Mobilität noch individueller auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten und komplett vernetzt sein. Smart Devices werden mit den Fahrzeugen kommunizieren und die Rolle unseres persönlichen Mobilitätsmanagers spielen. Je nach Verkehrs-, Wetter-, Termin- und Gefühlslage bekommen Sie die optimale Lösung angeboten: Wenn morgens die Strecke zum Büro wegen eines Unfalls verstopft ist und die Sonne scheint, wird Ihnen vorgeschlagen, mit dem Fahrrad zu fahren. Wenn aber in Ihrem Kalender für abends noch eine Verabredung zum Sport steht, vermutet das System, dass Sie größeres Gepäck dabei haben und schlägt eine andere Lösung vor. So werden Sie bestmöglich durch den Alltag navigiert.

Ich gehe nicht davon aus, dass wir bald in kleinen, autonom gesteuerten Kapseln durch die Gegend fliegen. Aber die Geschwindigkeit, mit der autonomes Fahren auf uns zukommt, wird hierzulande noch häufig unterschätzt. In China oder den USA arbeitet man schon mit Hochdruck an dem Thema und schafft bereits die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Ich denke, dass wir Anfang des kommenden Jahrzehnts technisch so weit sein werden - und das wird unseren Alltag maßgeblich verändern. Wenn Sie während der Fahrt zum Büro schon E-Mails bearbeiten können, haben Sie unterm Strich mehr Zeit für sich. Ich möchte in Zukunft während der Fahrt entscheiden können, wann es Zeit für 'Füße hoch' zum Entspannen ist und wann ich die Straße aktiv erobern möchte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: