Zukunft von Lexus:Wenn möglich, bitte wenden

Der neue Lexus RX 450h.

Lexus will in Europa mittelfristig 100 000 Autos jährlich absetzen. Der neue RX 450h soll dabei helfen.

(Foto: STG)

In Europa spielt Lexus nur eine Statistenrolle. Um das zu ändern, bringt Toyotas Nobelmarke den RX450h auf den Markt - und wiederholt mit dem Hybrid-SUV alte Fehler.

Von Georg Kacher

Als Toyota 1989 in Amerika die Marke Lexus einführte und als erstes Modell den LS 400 präsentierte, da hatte die europäische Premium-Konkurrenz nur ein müdes Lächeln übrig für den Rivalen aus der Retorte. Eine fatale Fehleinschätzung, nicht unähnlich der überheblichen Reaktion auf Teslas Elektro-Offensive knapp 25 Jahre später. Der LS 400 war nämlich aus dem Stand ein Volltreffer, der vor allem Mercedes zusetzte. Die V8-Limousine erwies sich als noch leiser und bequemer, sie war besser ausgestattet und sogar besser verarbeitet.

Doch das Trumpf-As der Japaner war das Motto "smart buy": Kunden mit Köpfchen legen weniger Wert auf Prestige und Image, wenn das Produkt stimmt und der Preis, der rund 40 Prozent unter einer vergleichbaren S-Klasse lag. Klar, der erste LS schrieb tiefrote Zahlen, und auch die wenig später vorgestellte ES-Mittelklasselimousine verdiente zunächst kein Geld. Aber der Markt liebte den Newcomer, und der Absatz kletterte auch deshalb rasant, weil Lexus lange vor seinen Wettbewerbern kompromisslose Kundenzufriedenheit zum obersten Gebot erkoren hatte.

Drei Gründe für die Misere

Im traditionsbehafteten Europa tat sich die Marke ungleich schwerer. Die alte Welt misstraut Nobodys - vor allem dann, wenn sie über Jahrzehnte gefestigten Ikonen den Kampf ansagen wollen. Die Folge war ein veritabler Rohrkrepierer, im Ansatz vergleichbar mit hastig hochgezogenen Edelmarken wie Merkur (Ford USA), Xedos (Mazda) oder Eagle (Chrysler). Lexus überwand zwar die Startschwächen, aber in der alten Welt hat es 2014 trotzdem nur zu 52 590 Verkäufen gereicht, das ist weniger als ein Zehntel vom Gesamtabsatz.

Schuld an der Misere haben drei Faktoren: die Ausrichtung der Produkte an Amerika und China, das dünne Händlernetz und die trotz Hybrid-Bonus allzu selbstbewusste Preisstellung. Für Europa untauglich befunden wurden der betuliche HS im Golf-Format, das biedere ES-Stufenheck und die dicken SUV-Brocken GX und LX. Leider hat auch der Rest der Palette derzeit nicht die Strahlkraft, die Lexus bräuchte, um sein Mauerblümchen-Kostüm abzustreifen.

Der Hybrid-Vorsprung wurde zum Rückstand

Weil das Team aus Toyota City zu lange auf den Status quo vertraute, verwandelte sich der Hybrid-Vorsprung binnen zehn Jahren in einen technischen Rückstand. Statt moderner Lithium-Ionen-Batterien verbaut man betagte Nickel-Metallhydrid-Akkus, statt Plug-in-Hybriden kommt immer noch der kaum zukunftsfähige Full Hybrid zum Einsatz. Kritik verdienen auch die großvolumigen Low-Tech-Verbrenner mit sechs und acht Zylindern, die sich auf die CO₂-Bilanz negativ auswirken.

So gesehen bringt auch der neue, knapp 60 000 Euro teure RX 450h die Marke nicht wirklich voran. Der Triebkopf und die Architektur stammen im Prinzip vom Vorgänger, über Distanz rein elektrisch fahren bleibt fürs erste Wunschdenken, das Gewichtshandicap hat Bestand, die elektrisch angetriebenen Hinterräder sind eine 68 PS schwache Traktionshilfe ohne Fahrdynamik-Talent, der Verbrauchsvorteil greift ausschließlich im Stadtverkehr. Toyota nennt als graue Theorie einen Mischwert von 5,2 l/100 km.

Lieber Turbobenziner als Hybrid

Lexus NX 200t

Erfolgreichstes Lexus-Modell in Europa ist derzeit die kleine SUV-Baureihe NX.

(Foto: SOM)

Die Stärken des RX liegen anderswo. Das Design mit den vielen Kanten, Falzen und Sicken wirkt markant, die Verarbeitungsqualität ist so überzeugend wie damals beim LS 400, der Fahrkomfort stimmt, die Ausstattung verwöhnt, der Hybrid-Faktor schmeichelt. Trotzdem würden wir lieber den RX 200t nehmen - mit 2,0-Liter-Turbobenziner statt 3,5 Liter V6, mit aufmerksamer Sechsgang-Automatik statt zähem CVT-Getriebe, mit mechanischem Allradantrieb und rund 10 000 Euro Preisvorteil. Den RX gibt's mit diversen Assistenzsystemen, schaltbaren Dämpfern und Stabilisatoren, und als kernigen F Sport im bösen Manga-Design. Was es leider nicht gibt, sind wirklich souveräne Bremsen, eine mitteilsame Lenkung und ein Fahrverhalten, das Laune macht.

Dabei hatte Lexus schon 2009 mit dem kompromisslosen LFA einen Hightech-Fixstern mit Vorbildcharakter lanciert. Der mit einem 560PS starken V10 bestückte Zweisitzer hat die Herzen im Sturm erobert, als die Sinne belebender Supersportwagen, der mühelos mitspielen konnte im Konzert der ganz Großen. Der Frontmotor-Hingucker war garantiert hybrid-frei, aber leider limitiert auf 500 Fahrzeuge und mit 375 000 Euro unerreichbar teuer. Der Abstrahleffekt wäre vermutlich enorm gewesen, doch Lexus hat sich im Nachgang nicht einmal den schon fertigen LFA Roadster getraut, und auch keinen Gran Tourismo als Nachfolger für den SC, kein hochwertiges Gegenstück zum Toyota GT86, keinen Ableger der von BMW entwickelten nächsten Supra-Generation.

Lexus versucht es mit dem Wasserstoffantrieb

Ein Blick in die Kristallkugel verrät, dass Lexus sich dennoch zeitnah anders aufstellen wird. Mutiger, emotionaler, rundum spannender. Wie diese Zukunft aussehen soll, zeigt uns vermutlich schon die für die Tokio Motorshow Ende des Monats avisierte LS-Studie. Die Luxuslimousine wird sich für die Vorstellung im Herbst 2017 neu erfinden, weg vom Parallelhybrid, hin zur Brennstoffzelle. Keine Frage: Nach dem Toyota Mirai muss auch Lexus Flagge zeigen.

Die nächste Wasserstoff-Evolutionsstufe ist dem Topmodell vorbehalten, das trotz kleiner Stückzahlen Zeichen setzen soll. Obwohl der lange geächtete Plug-in-Hybrid nicht länger tabu ist, will man bis auf Weiteres am klassischen Full Hybrid festhalten - aus Kostengründen, weil die hohen Stückzahlen in Summe eine deutliche CO₂-Entlastung versprechen, und weil dieses Antriebsprinzip nicht auf Fördermittel angewiesen ist. Die Entscheidung, ob und wann es ein reines Elektromobil geben wird, hat das Management erst einmal vertagt.

Die Neuheiten der nächsten Jahre

2016 rollt nur in Amerika mit dem Lexus TX die siebensitzige Version des RX an den Start. Auch für Europa relevant ist der Nachfolger des CT, von dem man sich allerdings keine Wunderdinge erwarten sollte, denn trotz neuer Optik ändert sich am Konzept nur wenig. 2017 steht für leistungsbegeisterte Lexus-Fans ganz im Zeichen des LC. Dabei handelt es sich um ein entfeinertes und schwächer motorisiertes Derivat des 74 900 Euro teuren RC mit V8-Motor. Der LC macht mobil gegen BMW Vierer, C-Klasse und Audi A5, wobei er dem Heckantrieb treu bleibt und es nicht an Leistung fehlen lassen will. Man darf gespannt sein, wie Lexus dieses Modell einpreist, und wie man sich die Evolution des F Sport-Konzepts vorstellt.

Erst 2018/2019 werden GS und IS abgelöst. Um in Europa zu punkten, müssten beide Limousinen in Sachen alternative Antriebe einen Sprung nach vorne machen. Teure Experimente wie der SportCross haben in Zukunft keine Chance mehr. Stattdessen wird darüber nachgedacht, einen modularen Bausatz für eine deutlich leichtere SUV-Familie zu entwickeln - Hybrid inklusive.

Das in Europa meistverkaufte Lexus-Modell (21 000 Einheiten seit Oktober 2014) ist der kompakte NX. Dahinter rangiert der RX, der weltweit seit der Markteinführung 2,2 Millionen Kunden fand. Nach rund 60 000 Autos in diesem Jahr soll der Europa-Absatz mittelfristig auf 100 000 Fahrzeuge ansteigen. Um diese Vorgabe zu erfüllen, muss Lexus auch in anderen Segmenten zulegen, die Hybridtechnik nachschärfen und nicht zuletzt in Deutschland sein auf 21 Stützpunkte ausgedünntes Händlernetz wieder verdichten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: