Zeitmaschinen (19): Range Rover:Fürst der Berge

Ein Auto wie ein Denkmal des gut frisierten Jägers und wetterfesten Wanderers: 1970 hatte auch Europa mit dem Range Rover plötzlich seinen Geländewagen. Der war mit Gelände allein längst nicht ausgelastet, sondern steckte auch Gartenschläuche weg.

Martin Stubreiter

Spen King, Jahrgang 1925 und geistiger Vater des Range Rover, ist es heute ein bisserl peinlich, dass seine Idee jetzt mehrheitlich stadtfein und übergroß durch Häuserschluchten flaniert ("The Range Rover was never intended as a status symbol, but later incarnations of my design seemed to be intended for that purpose", sagte er 2004), aber er kann sich notfalls auf Jeep ausreden: Der Wagoneer als Luxus-Geländewagen kam schon 1963, die SUV-Idee ist also mindestens sieben Jahre älter als der Range Rover.

So viel zur geschichtlichen Einordnung einer Idee, die damals noch eher zart war, zumindest im Gewicht: Der erste Range Rover wog 1,7 Tonnen, da liegen heute Mittelklasse-Limousinen drüber. Aber im Auftritt war er immer ein ordentlicher Wastl von Auto, in seinen Anfängen durchaus ein wenig roh im Finish, wenn man ihm in die breiten Spaltmaße starrt und nah an der Oberfläche Nieten findet, über die sich heute kein Hersteller mehr trauen würde.

Immerhin ist auch beim Range Rover ein Teil der äußeren Beplankung aus Alu, Erbe des Ur-Land Rover, der seine Alupaneele bis heute behalten sollte. Und das Interieur ist heute ein Ding aus einer anderen Welt: So karg und plastikknarzend traut sich kein Kleinwagen mehr in die Schauräume, damals aber war Plastik das Material, aus dem künftige Problemlosigkeit gegossen wurde.

Auftritt Gartenschlauch. Mittels seiner Hilfe sollte das Interieur des Neuen leicht zu reinigen sein, wenn ein Ausflug im Sinne des Range Rover verlaufen war, also erdig, gatschig, mutig und vielleicht mit heldenhaftem Blick durchs Zielfernrohr. Meistens war dann Ladegut im Spiel, zum Abtransport kam alles ab Wildschweingröße in Frage, wollte man es im Kofferraum nicht der Lächerlichkeit preisgeben - man stelle sich ein totes Kaninchen im Schatten des Reserverades vor, oder eigentlich lieber nicht.

Aber beginnen wir am Anfang.

Rover, bis vor kurzem eher mausetot, war in den 50ern eine umtriebige Firma mit wachem Portfolio und schrägen Ideen. Das Rover-Turbinenauto fuhr 1950. Es fuhr in eine Sackgasse hoher Kosten und zweifelhafter Praxistauglichkeit (im Abgasstrom geröstete Passanten galten selbst in den 50ern als zu hoher Preis der Mobilität), ein Foto zeigt den jungen Spen King am Steuer. Parallel zum Land Rover sollte auch ein Brückenschlag zu den wunderbar britischen Rovers der Asphaltstraße erfolgen, es reiften zwei Road-Rover-Prototypen, grobstollig und roh.

Der eigentliche Range Rover entstand dann aus dem Bauch einiger Ingenieure, Spen King und Gordon Bashford tüftelten anfangs gar ohne Auftrag. Der ging wenig später an Marketingmann Graham Bannock, da waren King und Bashford heimlich schon zu weit, um das Projekt wieder zu streichen, und ihre Methoden waren ebenso hemdsärmelig wie das Auto selbst: Es gab nie offizielle Entwicklungskosten, weil der Range Rover quasi nebenher erdacht wurde. Spen King warf sogar das Design aufs Papier (wegen Überlastung der Designabteilung).

Man sitzt mehr AUF als in ihm

Mit dem sagenhaften V8 war Rover-Chef William Martin-Hurst aus den USA heimgekommen - dort hatte man den Motor, von Buick fertig entwickelt, als zu klein weggelegt, er sollte bei Rover die gesamte Zukunft befeuern.

Die Prototypen trugen zwar schon die grundsätzliche Silhouette der späteren Serie, nahmen aber hinten Anleihen beim Saab 95 mit seinen Heckflossen-Karikaturen und vorne beim Renault 6, und man ist heute nicht so sicher, was davon tatsächlich nur Tarnung war. Das letzte Durchbürsten der Linien tat dem Range Rover sichtlich gut, damit war die Arbeit der Designer für 26 Jahre quasi erledigt.

Der permanente Allradantrieb wurde notwendig, weil eine angetriebene Hinterachse alleine mit dem Drehmoment des V8 überfordert war. Das damit nötige Mitteldifferenzial wurde mittels Sperre auf Geländetauglichkeit getrimmt, die Untersetzung unterstrich die Ernsthaftigkeit, die Starrachsen waren mittels Schraubenfedern Richtung Komfort gebürstet, einst keine leichte Entscheidung: Bislang wollte Tom Barton, Land Rovers Technikchef von 1948 bis 1980, die Autos nämlich durch ruppigen Komfort schonen - durchgerüttelte Fahrer würden im Gelände langsamer fahren.

Der Range Rover aber war schnell, er war souverän und groß, auch wenn seine 4,47 Meter nach heutigen Maßstäben auf ein Kompakt-SUV weisen. Er kam innen anfangs mit Kunstleder statt Stoff, und statt Teppichen gab's Plastikmatten.

Souverän war freilich der Motor, der 3,5-l-V8 mit 130 PS, geschmeidig, satt und zum Glück vor der Energiekrise geeicht: Im ersten Autorevue-Test schenkten wir 23,9 l/100 km nach, wer schonend fährt, kommt deutlich unter 20 weg. Und man fährt gerne schonend, weil der Range -Rover noch heute eine ungeahnte Souveränität ausstrahlt und durchs Alter lückenlos ins Sympathische entschärft wird.

Man sitzt mehr AUF ihm statt in ihm, gewöhnt sich flink an die langen und nicht immer stolperfreien Schaltwege, hilft ihm gerne mit Zwischengas oder Zwischenkuppeln. Der Sound ist perfekt temperiert für ein üppiges Leben, das nicht ins Fette abgleitet, auch wenn die späteren Versionen natürlich plüschiger wurden und höherwertig innen. Und irgendwann, nach schlanken elf Jahren, sogar viertürig - jahrelang hatte Rover, dann schon nimmer ganz gesund, das Geld dazu gefehlt.

Auch für den VM-Dieselmotor, der erst 1986 angeboten und flugs zum Desaster wurde, bevor die Rover-eigene Entwicklung ab 1991 für Entspannung sorgte. Der letzte und 317.615. Range Rover Classic schwenkte am 15. Februar 1996 vom Band, da war der Nachfolger, noch immer mit Leiterrahmen, schon praktisch zwei Jahre am Markt - er sollte wegen akuter Einfallslosigkeit nur bis 2001 bleiben und dann dem ersten selbsttragenden Range Rover weichen.

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