Ladesäulen-Infrastruktur:Geladene Stimmung

Smart mit Elektroantrieb an der Ladesäule

Sollen 2020 wirklich eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen fahren, müssten Zehntausende öffentliche Ladestationen entstehen.

(Foto: dpa)
  • Die Ladeinfrastruktur für Elektroautos ist in Deutschland noch sehr lückenhaft. Derzeit gibt es nur etwa 5500 öffentliche Ladesäulen - die meisten davon in Großstädten.
  • Und dort, wo es Ladesäulen gibt, herrscht ein heilloses Durcheinander von Anbietern und Tarifen.
  • Experten fordern einen schnellen Ausbau der Infrastruktur und eine Vereinheitlichung der Tarife. Doch keiner fühlt sich für diese Maßnahmen zuständig.

Von Markus Balser und Michael Bauchmüller, Berlin

Wer mit herkömmlichen Autos durch Deutschland tourt, muss nicht lange suchen. Tankstellen gibt es überall, bezahlt wird per Kreditkarte. Wer aber Elektroauto fährt und etwa zwischen Berlin und Frankfurt nachladen muss, könnte Pech haben. Auf tausend Quadratkilometer kommt in Brandenburg nur eine öffentliche Station. Wer es nach Sachsen-Anhalt oder Thüringen schafft, muss auf gleicher Fläche mit drei öffentlichen Anlagen klarkommen.

Eine Garantie aber ist auch das nicht. Oft ist das Laden nur als Kunde eines bestimmten Versorgers drin - mit dem richtigen Vertrag. Fachleuten ist längst klar, dass nicht nur Autobauer über den Erfolg der Verkehrswende entscheiden. Sollen 2020 wirklich eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen fahren, wie es sich die Regierung bislang wünscht, müssten hierzulande in den nächsten Jahren Zehntausende öffentliche Ladestationen entstehen.

Etwa 5500 öffentliche Ladesäulen in Deutschland

Zum Elektromobilitätsgipfel an diesem Montag in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schlagen Stromanbieter Alarm und fordern die Neuausrichtung der Politik. "Mit dem bisherigen Wildwuchs werden wir unsere nationalen Ziele verfehlen", warnt Gero Lücking, Geschäftsführer des Stromversorgers Lichtblick. Nicht nur bei der Zahl der Fahrzeuge, auch bei der Infrastruktur drohe eine gewaltige Lücke. Etwa 5500 öffentliche Ladepunkte gibt es bislang in Deutschland am Straßenrand oder auf Parkplätzen - vor allem in Großstädten. Laut Plänen der Bundesregierung sollen es 2020 schon mindestens 70 000 sein. Die EU-Kommission wünscht sich in Deutschland sogar 150 000.

Das Problem: Derzeit will die Säulen vor allem in dünner besiedelten Regionen kaum jemand errichten. Mit bis zu 10 000 Euro sind sie teuer. Allein mit dem Verkauf von Strom rechnen sie sich nicht. Würde der an den Ladestationen kostendeckend verkauft, müsste er fünfmal teurer sein als zu Hause. Kaum ein Kunde würde das mitmachen, die Firmen warten lieber ab. Der Finanzierungsbedarf für öffentliche Lademöglichkeiten liegt laut Regierung bei insgesamt 550 Millionen Euro bis 2020.

Weil die Autobranche vom Ausbau der Infrastruktur profitiert, aber die Strombranche zahlt, passiert wohl weiter wenig. "Das kann zu einem Henne-Ei-Problem führen", sagt Achim Zerres von der Bundesnetzagentur. "Die einen sagen: Die Ladeinfrastruktur kommt nur, wenn es genug Autos gibt. Die anderen behaupten, mehr Autos werden nur gekauft, wenn die Infrastruktur steht."

Heilloses Durcheinander von Anbietern und Tarifen

Die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE), ein Beratergremium der Bundesregierung, empfiehlt deshalb die öffentliche Förderung der Ladestationen. Die Bundesregierung lehnt das ab und wünscht sich ihrerseits, dass die Industrie nicht nur die Infrastruktur schafft, sondern auch eine einheitliche Abrechnung. Denn selbst dort, wo es Ladesäulen gibt, herrscht bislang ein heilloses Durcheinander von Anbietern und Tarifen. Das sei ein Hindernis, heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Klären sollten das aber die Unternehmen. "Wir wollen zunächst versuchen, ob der Markt das schafft." Eine Regulierung sei nur eine Notlösung.

So gehe das nun schon seit Jahren, klagt Lichtblick-Manager Lücking und will die Politik auf dem Gipfel mit einem Positionspapier wachrütteln. Öffentliche Ladesäulen müssten Teil des Netzes und wie Stromleitungen von Netzbetreibern betrieben werden, so der Manager. Dann würde nicht mehr die Wirtschaft, sondern der Staat über die Bundesnetzagentur den Ausbau planen. Zahlen würden ihn die deutschen Stromkunden über die Netzentgelte.

Auf Stromkunden könnten neue Kosten zukommen

Die Sache hat allerdings einen Haken. Die Bundesnetzagentur will nicht zur ordnenden Hand der Elektromobilität werden und warnt vor neuen Kosten für Stromkunden. Den Bedarf kenne der Markt am besten, nicht der Staat, sagt Abteilungsleiter Zerres. Mit der Finanzierung über Netzentgelte würde der Stromkunde mit Kosten belastet, die ihn eigentlich nichts angehen. Schließlich fahre nicht jeder Elektroauto. Zudem sei eine solche Entscheidung für die Finanzierung über die Stromrechnung beinahe unumkehrbar. "Wir würden eine Ewigkeitsförderung für eine Industrie schaffen", sagt Zerres.

Und so fließt vorerst weder der Strom noch der E-Verkehr. In der Strombranche wächst der Ärger. Dem Land droht gar ein Rechtsstreit. "Die Ladeinfrastruktur in Deutschland ist für Verbraucher eine teure und komplizierte Zumutung und verhindert die Integration von E-Mobilen in den Strommarkt", heißt es im Papier von Lichtblick. Das verstoße gegen EU-Recht. Das müsse sich ändern, sonst könnten rechtliche Schritte folgen. Alle Stromanbieter müssten Kunden öffentlicher Ladestationen diskriminierungsfrei Strom zu ihrem Preis liefern können.

Ein Trost: Auch das Tankstellenwesen musste sich vor 100 Jahren erst mal entwickeln. Das erste Verzeichnis umfasste 1909 etwa 2500 Verkaufsstellen, die Benzin bereithielten: Drogerien, Fahrradhandlungen, Hotels und Gaststätten.

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