Verkehrssünderdatei in Flensburg:Ramsauers Reform, ein Segen für Raser

Weniger Punkte in Flensburg, die schneller verjähren: Verkehrsminister Peter Ramsauer will die Verkehrssünderdatei reformieren. Experten sehen dafür aber gar keine Notwendigkeit. Und die Opposition warnt, notorische Schnellfahrer könnten von den neuen Regeln profitieren.

Michael Bauchmüller und Thorsten Denkler, Berlin

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat bisher eher selten die Gelegenheit genutzt, in ihren 2009 geschlossenen Koalitionsvertrag zu schauen. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat das jetzt getan und sich den elften Unterpunkt des Kapitels 4.4.1. zum Thema Mobilität vorgenommen. Der letzte Satz dort lautet: "Das Punktesystem beim Bundeszentralregister in Flensburg wollen wir reformieren, um eine einfachere, transparentere und verhältnismäßigere Regelung zu schaffen." (Hier gibt es den Koalitionsvertrag als PDF.)

Radarwarner, App, Radarfalle

Tempokontrolle mit einem Radarmessgerät in Köln: Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer will die Punktevergabe für Verkehrsdelikte reformieren.

(Foto: dpa)

Alleroberste Priorität schien das Projekt nicht gerade zu haben. Dennoch stehen die Planungen für eine Reform der Flensburger Verkehrssünderdatei offenbar vor dem Abschluss. Das Ministerium bestätigte der Süddeutschen Zeitung einen entsprechenden Bericht der Bild-Zeitung von diesem Donnerstag "im Prinzip", jedoch nicht im Detail.

Bisher werden für Verkehrsdelikte je nach Schwere ein bis sieben Punkte vergeben. Künftig soll es nach dem Bericht der Bild-Zeitung nur noch ein oder zwei Punkte geben. Der Führerscheinentzug droht dafür schon ab acht Punkten. Noch müssen 18 Punkte zusammenkommen.

Ramsauer verspricht mehr Transparenz

Noch wichtiger aber dürften die neuen Verjährungsfristen werden. Derzeit verlängert sich die Verfallzeit des gesamten Punktekontos automatisch um zwei Jahre, sobald zu den bestehenden Punkten ein weiterer hinzukommt. Künftig soll es für jeden Punkteintrag eine eigene Verjährungsfrist geben. Ein Zwei-Punkte-Eintrag verfällt nach drei Jahren. Ein Punkt nach zwei Jahren. Nach Informationen der SZ sind diese Fristen aber noch nicht fix. Es gibt offenbar Überlegungen, sie länger zu gestalten.

Am Morgen erklärte Ramsauer im ARD-Morgenmagazin: "Die Grenze von 18 auf acht runter, das klingt drastisch, aber relativiert sich dadurch, dass wir die Punktezahlen auch verkürzen. Bei Vergehen, bei denen es bisher bis zu drei Punkte gab, gibt es in Zukunft nur noch einen." Weitere Einzelheiten will er erst Ende Februar bekanntgeben.

Ramsauers Ziel ist mehr Transparenz: "Jeder muss selbst mit dem System zurechtkommen, ohne dass er einen Experten zu Rate zieht."

Kritik von Verkehrsexperten

Nur sehen Verkehrsexperten dafür gar keine Notwendigkeit. Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland (VCD), findet, dass über einzelne Tatbestände gesprochen werden könne. Das System als solches aber hält er für transparent genug. Da gebe es klare Tabellen, in denen jeder nachlesen könne, welches Delikt mit wie vielen Punkten geahndet werde.

Er findet das neue Konzept auch nicht verhältnismäßig. "Wer mit Tempo 60 durch eine Tempo-30-Zone brettert, der begeht ein gefährliches Delikt", sagte er der SZ. Dennoch soll es dafür künftig nur noch einen Punkt statt drei Punkten geben.

Die neuen Verjährungsregeln könnten in der von der Bild-Zeitung berichteten Form zudem bedeuten: freie Fahrt für Raser. Wer sich alle sechs Monate einen Punkt einfängt, läuft demnach nicht Gefahr, irgendwann seinen Führerschein loszuwerden. Acht Punkte hätte er erst nach vier Jahren zusammen. Da sind die ersten Punkte aber längst wieder verfallen. Lottsiepen vom VCD fordert, dass zumindest bei gefährlichen Verkehrsdelikten die automatische Verlängerung der Verjährungsfristen beibehalten wird, wenn neue Punkte hinzukommen.

"Wir haben echt andere Probleme"

SPD-Vizefraktionschef Florian Pronold warnt im Gespräch mit der SZ: "Es darf keinen Rabatt geben für Drängler, Raser und Alkoholsünder." Genau das sei aber ein Kernelement des Vorschlags." Pronold vermutet dahinter Wahlkampfgeklingel. Die Verkehrssicherheit dürfe aber nicht "Opfer auf dem Altar des Stimmenfangs werden". Wenn es Reformbedarf gebe, dann liege der darin, die Selbstauskunft in Flensburg unbürokratischer zu gestalten.

Der Grünen-Verkehrsexperte Anton Hofreiter hält es ebenfalls nicht für notwendig, das System grundlegend zu ändern. "Wir haben echt andere Probleme im Verkehrsbereich als die Reform der Verkehrssünderdatei in Flensburg", sagte er der SZ. Er habe nichts dagegen, wenn immer mal wieder die Bußgeldsätze angepasst würden. Aber wenn es um Verkehrssicherheit gehe, dann helfe einzig die konsequente Durchsetzung der bestehenden Regeln. Das zeigten alle internationalen Erfahrungen. Dafür aber bräuchte es mehr Verkehrskontrollen.

Völlig unklar ist, wie bei einem Systemwechsel mit den bisherigen Punkten umgegangen wird. Vielleicht lässt Ramsauer ja alle auf einen Schlag verfallen. Mit so einer Generalamnestie würde er eines auf jeden Fall erreichen: Die Herzen der Raser würden ihm zufliegen.

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