Weltspiegel (11): Luxusmarkt Russland:Mit der Bank im Keller

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Nirgendwo sonst gibt es mehr S-Klassen oder Maybachs pro Einwohner als in Russland. Selbst Porsche, Bentley und Lamborghini werden eher verteilt denn verkauft.

Von Stefan Grundhoff, Moskau

Geld regiert die Welt - das wird nirgends augenscheinlicher als in der russischen Hauptstadt. Autos spielen dabei eine wichtige Rolle - die Russen lieben sie. Für viele ist der fahrbare Untersatz trotz der alltäglichen Stauorgien auf Moskaus Straßen ihr ein und alles. Dabei ist nicht wichtig, wie viel Geld man für sein Auto ausgeben will. Egal ob Neu- oder Gebrauchtwagen: Deutsche und japanische Produkte stehen in der Gunst der Kunden schichtenübergreifend ganz vorn.

Der russische Automarkt gilt als einer der größten Luxusmärkte der Welt. (Foto: Foto: Pressinform)

Meistverkauftes Auto ist der Ford Focus, dicht gefolgt vom Dacia Logan, der in Russland unter dem Renault-Label verkauft wird. Die Preise klingeln einem in den Ohren. Ein Focus kostet beim Ford-Händler weniger als 300.000 Rubel - ein Kampfpreis von nicht einmal 8400 Euro. Noch günstiger ist der Logan: Das Einstiegsmodell gibt es bereits ab rund 260.000 Rubel - rund 7200 Euro.

Besonders heiß geht es jedoch auf dem Luxusmarkt her. Wer etwas auf sich hält, ist in deutschen Luxuskarossen Marke Audi, BMW oder Mercedes unterwegs. Gerne auch mit umfangreichem Begleitschutz im Konvoi und besonders oft mit Panzerung der schwersten Schutzklasse B6/B7 - und obligatorisch mit Blaulicht für freie Fahrt auf allen Wegen.

2007 hat Mercedes in Russland mehr als 12.000 Mercedes S-Klassen verkauft - mehr als von jedem anderen Modell. Verkaufsschlager ist dabei der S 500L 4matic. "Wir würden ansonsten mehr S 600 verkaufen", sagt Denis Parfenov, Verkaufsleiter von Mercedes-Benz Russland: "Aber der ist nicht mit Allradantrieb verfügbar." Dieselfahrzeuge werden gar nicht angeboten. Erst in diesem Jahr will man vorsichtig Geländewagen und SUV mit Dieseltriebwerken in den Markt einführen.

Kaum zu glauben: Eine absolute Spartenmarke wie Maybach ist im wilden Moskauer Straßenbild durchaus wahrnehmbar. "Allein in Moskau sind derzeit mehr als 130 Maybachs unterwegs", sagt Anastasia Zbarskaya von Mercedes-Benz Avolin, dem größten Daimler-Händler in Osteuropa. "Wir verkaufen rund 12 Maybach pro Jahr. Viele Firmeninhaber fahren einen 62S - wegen der Liegesitze und der Trennwand."

Nicht ungewöhnlich dabei, dass die exklusive und mindestens 25 Millionen Rubel teure Luxuskarosse in bar bezahlt wird. Parfenov: "Je teurer die Autos, desto mehr cash." Aus diesem Grund haben die meisten Autohäuser im Keller eine eigene Hausbank. Wird das Auto abgeholt, kommt der ein oder andere Kunde mit einem schmucken Geldkoffer. Bei den kleinen Scheinen bringt das viel Arbeit für die Kassiererin hinter der dicken Panzerglasscheibe, die das Geld zählen muss.

Das ist bei Lamborghini nicht anders als bei Mercedes oder Rolls Royce. Der italienische Hersteller von Luxussportwagen hat Russland längst zu einem seiner europäischen Lieblingsmärkte auserkoren. So gibt es nicht nur in der Nähe des Roten Platzes einen Verkaufsraum, sondern auch einen Glastempel im renommierten Barvikha Luxury Village an der Edelmeile Rubljovka.

Im Erdgeschoss stehen Gallardo und Murciélago dicht an dicht mit den neuesten Bentley-Boliden. Der internationale Mercury-Konzern vertreibt in Russland nicht nur die Automarken Lamborghini und Bentley, sondern ganz nebenbei auch noch Luxusmarken wie Dolce & Gabbana, Ferrari, Maserati, Gucci oder Zegna.

Doch wo fährt man in den überfüllten Straßen von Moskau und Sankt Petersburg die teuren Renner von Maserati, Lamborghini, Mercedes und Porsche?

"Wir verkaufen die allermeisten Autos in den Großstädten. Manche Kunden fahren am Wochenende ins Umland oder mieten eine Rennstrecke, um die eigenen Sportwagen auch mal auszufahren", erzählt Tatiana Koroleva, Verkaufleiterin von Lamborghini Moskau. "Unsere Kunden sind ebenso wie bei Mercedes, Maybach und Rolls Royce sehr jung - die meisten zwischen 27 und 45 Jahre."

Die Kundenstruktur im Luxussegment ist in Moskau völlig anders als in Zentraleuropa, Asien oder den USA. "Die meisten jungen Kunden sind in den vergangenen Jahren zu sehr viel Geld gekommen", sagt Anastasia Zbarskaya. Ein Beispiel ist der russische Wodka-König Rustam Tarika, der mittlerweile bereits seinen zweiten Maybach, einen dunklen 62S, bewegt. Zbarskaya: "Er ist jung, hübsch und berühmt. Da zeigt man gerne, was man hat."

Maybachs und gepanzerte S-Klassen werden bevorzugt im Paket verkauft. Viele Kunden bestellen gleich noch ein paar Begleitfahrzeuge der ML- oder G-Klasse. "Wir wissen von einem Moskauer, der allein 40 AMG-Modelle in seiner Sammlung hat - und noch ein paar andere Marken."

Damit die Kunden nicht so lange warten müssen, werden einige Fahrzeuge im Voraus geordert. Das beliebteste Poolfahrzeug - wie könnte es anders sein - ist der Mercedes S 500L 4matic, zumeist in Vollausstattung und dunkler Lackierung. Was nicht heißt, dass Extrawünsche nicht gerne erfüllt würden. So lässt Mercedes-Avilon zum Beispiel exquisite Fußmatten aus echtem Pelz anfertigen. Ähnliche Schuhschmeichler gibt es übrigens auch bei Rolls-Royce.

Ein besonders wichtiger Markt gehört den gepanzerten Fahrzeugen. Auch hier ist die Nachfrage deutlich größer als die Liefermöglichkeit. "Besonders bei den gepanzerten G-Modellen tun wir uns schwer. Da eine gepanzerte G-Klasse als Kriegsfahrzeug gilt, wird die Ausfuhr jedes Fahrzeugs aufwendig von der Regierung geprüft", sagt Valentina Afonia, bei Mercedes-Benz Russland zuständig für die Sonderschutzfahrzeuge. "Wir könnten deutlich mehr verkaufen. Sehr viel mehr."

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