VW Passat W8:Mut zum Luxus

VW bleibt dran: Nachdem der Golf VR6 schon 1991 der erste Kompaktwagen mit sechs Zylindern war, kam mit dem Passat W8 der erste Vertreter der bürgerlichen Mittelklasse mit acht Zylindern.

Michael Harnischfeger

Spötter mutmaßen, der Passat W8 verdanke seine Existenz den vielen VW-Managern, die sich als Firmenwagen ein Auto mit mehr als sechs Zylindern wünschen. Der W8 sei die Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hat.

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Ein VW mit acht Zylindern? Wer kauft denn so was in der Preisklasse von 80.000 Mark aufwärts? Da, wo es aufs Image vielleicht mehr ankommt als auf technische Glanzleistungen?

Gemach, gemach, rufen die Erfahrenen unter uns. Als Audi vor vielen, vielen Jahren den steinigen Weg ins Premium-Segment antrat, waren die Zweifel dieselben. Den ersten Achtzylinder-Audi, den V8, konnten nur Kenner vom Audi 200 unterscheiden. Doch heute steht der Nachfolger, der A8, ganz selbstverständlich neben einer S-Klasse oder einem Siebener-BMW.

Der Innenraum: Fast ein Wohnzimmer

Wer weiß, vielleicht sehen wir den Passat W8 in einigen Jahren auch so. Schließlich ist er, so Konzernchef Piech, nur der Anfang einer Offensive unter dem Arbeitstitel Mut zum Luxus. Denn dem W8 soll im kommenden Frühjahr mit dem D1 der S-Klasse-Konkurrent von VW folgen, weiterhin stehen ein mit Porsche entwickelter Offroader namens Colorado und der Zwölfzylinder-Sportwagen W12 auf der ehrgeizigen Liste.

Heute aber steht erst einmal der Passat W 8 vor uns, und das tut er wie jeder andere Passat auch.

Fast zumindest. Zweiteilige 17-Zoll-Räder, vier verchromte Auspuffendrohre und ein Hauch mehr Chrom rundum müssen reichen, um sich von einem Passat 1.6 mit 102 PS / 75 kW abzuheben.

Auch innen gibt es nur minimale Unterschiede zu den braven Brüdern für den Massengeschmack. Poliertes Nussbaumholz und teilweise mit Leder überzogene Sitze setzen dezente Akzente, auch Chrom wird etwas spendabler eingesetzt als beim Passat Variant des Gemüsehändlers von der Ecke.

Die Verarbeitung? Alles fasst sich gut an und sieht gut aus, nur bei einem Testwagen, einem Variant, waren schon ab 130 km/h kräftige Windgeräusche im Bereich der vorderen Türen zu vernehmen.

Mit der durch das zurückhaltende Design erzielten Diskretion hat es nach dem Anlassen des Motors ein Ende. Denn die acht Zylinder, die kunstvoll verschachtelt aus zwei V4-Blöcken zusammengesetzt sind, erwachen zum Leben mit jenem wuchtigen Fauchen, das nur entsteht, wenn reichlich eingeschenkter Hubraum und eine große Zahl bewegter Teile im Spiel sind.

275 PS / 202 kW und 370 Newtonmeter melden sich zum Dienst und bescheren dem Über-Passat unerwartetes Temperament. 6,8 Sekunden bis 100, 250 km/h Spitze (abgeregelt, natürlich) katapultieren diesen VW auf das Niveau der großen Achtzylinder von BMW und Mercedes.

Gewalttätig geht es nicht voran, aber mit Macht, wobei im Drehzahlkeller ruhig noch etwas mehr Nachdruck zu spüren sein dürfte. Wer das Sechsgang-Getriebe gegen die in dieser Klasse eigentlich obligatorische Automatik tauscht, ist noch weiter davon entfernt, den Passat für übermotorisiert zu halten.

Denn einige der so distinguiert gewonnenen Pferde scheinen im Drehmomentwandler des Getriebes zu versickern, was auch die Werksangaben für die Beschleunigung dieser Variante klar zum Ausdruck bringen: 7,8 statt 6,8 Sekunden

Das Fahrverhalten des W8 ist faszinierend

Dass kein falscher Eindruck entsteht: Schnell ist der W8 ohne Frage, und wie er auch bei höherem Tempo noch ganz lässig zulegt, ist faszinierend und nervenschonend zugleich.

Doch Kraftmeier wie der BMW 540i oder der Mercedes E 430 lassen ihren Fahrer noch nachdrücklicher fühlen, was die Faszination einer großen Achtzylinders ausmacht.

Dafür fährt sich der große VW bei Bedarf auch sportlich. Mit der leichtgängigen, dennoch präzise agierenden Servolenkung lässt er sich ausgesprochen zügig auch durch kleine Kurven scheuchen.

Der Allradantrieb ist dabei sicherlich ebenso hilfreich wie der ungemein leichte Motor: Mit nur 190 Kilogramm wiegt er gerade einmal fünf Kilogramm mehr als der neue Fünfzylinder-Diesel von Volvo und drückt entsprechend wenig auf die Vorderachse.

Ein leichtes Untersteuern in engen Kurven ist zwar nicht zu übersehen, aber wenn man sich schon so weit vorgewagt hat, ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Einsetzen des ESP, das mit etwas rüden Bremsaktionen selbst kleinere Drifts nachhaltig verhindert.

Der W8 hat gewaltigen Durst

Es macht schlicht Spaß, schon im Scheitelpunkt einer Serpentine voll aufs Gas zu steigen und mitzuerleben, wie der Allradler wie an der Schnur gezogen Fahrt aufnimmt. Mit auffälliger Härte der Federung wurde diese überzeugende Fahrwerksabstimmung nicht erkauft; in dieser Beziehung ist der Passat W8 ganz souverän.

Der Allradantrieb erhöht natürlich nicht nur das Gewicht und den Verbrauch, der mit 13,2 Litern laut EG-Norm nicht gerade gering ist und eine Erhöhung des Tankinhalts von 62 auf 80 Liter erforderlich machte. Er schmälert auch das Kofferraumvolumen, das bei der Limousine gerade einmal 400 statt 475 Liter beträgt.

Das kann schon einmal eng werden, wenn vier Geschäftsleute, die übrigens gut Platz finden im geschmackvoll eingerichteten Innenraum, samt sperriger Aktenkoffer auf Reisen gehen. Da ist der Variant (Aufpreis 2.249 Mark / 1.150 €) für viele sicherlich die bessere Wahl.

Wermutströpfchen?

Was fehlt? Ein wenig Ausstrahlung womöglich - ein kleines, aber feines Detail, das die technischen Ambitionen dieses Autos und seine hervorgehobene Stellung in der Passat-Baureihe jederzeit erlebbar macht.

So, wie der Passat W8 heute ist, kann er manchem Interessenten ein wenig zu kühl, zu perfekt vorkommen. Dadurch könnte ihn das Schicksal vieler ambitionierten Autos aus Japan ereilen: Technisch gibt es nichts zu meckern, und auch der Preis ist trotz außergewöhnlich guter Ausstattung bis hin zu Bi-Xenon-Scheinwerfern für Abblend- und Fernlicht deutlich niedriger als bei der Konkurrenz aus Süddeutschland.

Doch das Gefühl, der Besitzerstolz, wird womöglich zu wenig gehätschelt. Daran hat hierzulande auch Lexus, die Nobelmarke von Toyota, zu knabbern. Denn qualitativ hervorragend sind ein Lexus GS oder Lexus LS ja ohne Zweifel auch.

VW rückt mit dem W8 näher an die Premium-Klasse

VW sagt, dass der W8 seine Kunden vor allem in den USA finden werde, wohin die Hälfte jener 10.000 Exemplare gehen sollen, die man pro Jahr bauen will. Schließlich gelten Autos Made in Germany jenseits des Großen Teichs als technisch anspruchsvoll und sind in gebildeten Bevölkerungsschichten schlicht hip.

Von den für Europa verbleibenden 5000 Passat W8 sollten dann rund 2500 pro Jahr auf den deutschen Markt entfallen. Die dürften ihren Besitzern viel Freude machen und ganz unauffällig helfen, die Marke VW noch näher in Richtung Premium-Segment zu rücken.

Auch überzeugte Gebrauchtwagen-Käufer werden am W8 ihre helle Freude haben, denn der Wertverlust wird, so viel sei prognostiziert, erheblich sein.

Quelle: autocert.de

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