VW Passat:Es ist Ruhe eingekehrt im großen VW

Während die Dieseltriebwerke mit Drehmoment glänzen, wirken die Benziner antiquiert

(SZ vom 28.10.2000) VW droht all denen mit Entzug der Freundschaft, die sich erdreisten, den Modelljahrgang 2001 des Passat als profanes Facelift zu bezeichnen. Aus Wolfsburger Sicht handelt es sich hier nämlich um ein weitgehend neues Auto - schließlich haben die Techniker und Designer mehr als 2300 neue Teile verbaut. Die meisten schlummern allerdings in den Tiefen des Bleches, wo sie die Verwindungsfestigkeit der Karosserie um zehn Prozent erhöhen und den Aufbau endlich ruhig stellen. Die Knister- und Knarzgeräusche, das Dröhnen, Zittern und Wummern, das man von frühen Modellen kennt, ist von sofort an jedenfalls kein Thema mehr. Es ist Ruhe eingekehrt im großen VW, der sich selbst auf schlechten Straßen geräuschneutral verhält.

Der renovierte Passat ist knapp drei Zentimeter länger und fast einen Zentimeter breiter geworden. Diese Änderungen wurden notwendig, weil VW von Mitte 2001 an sein Topmodell auch mit dem rund 250 kW (340 PS) starken 4,0-Liter-Achtzylinder anbieten will - dann allerdings mit einem um zehn Zentimeter gestrecktem Radstand und totaler Luxusausstattung. Den überarbeiteten Passat erkennt man am zusätzlichen Chromzierrat und am wuchtigeren Vorderwagen, bei dem sich die Proportionen zwischen dem Grill, den Scheinwerfern und dem Lufteinlass im Stoßfänger geändert haben. Die Designer sprechen von höherer Wertigkeit und von elegant-dynamischer Linienführung, aber aus manchen Perspektiven wirkt der Wagen ein klein wenig neureich. Die neuen Rückleuchten mit den roten Linsen für Brems- und Rücklicht sind, wohlwollend gesagt, kein stilistischer Fortschritt.

Klimaanlage nun serienmäßig

Innen blieb alles beim alten, wenn man von der modifizierten Mittelkonsole mit den zwei Dosenhaltern, den chromumrandeten Instrumenten sowie der serienmäßigen Fernentriegelung für Tankdeckel und Heckklappe einmal absieht.

Das Passat-Spektrum reicht bei größtenteils unveränderten Preisen von 39 508 Mark für das Limousinen-Grundmodell bis 66 889 Mark für den Variant V6 TDI 4Motion Automatik. Weil nun serienmäßig eine Klimaanlage an Bord ist, spart der Kunde gegenüber dem Vorgänger ausstattungsbereinigt deutlich mehr als 2000 Mark. Schon der einfachste Passat verfügt darüber hinaus über ESP, Fensterheber vorn, vier Airbags, Zentralverriegelung mit Fernbedienung, elektrisch verstell- und beheizbare Außenspiegel, geteilt umklappbare Rücksitze und eine Gepäckraumabdeckung (Variant). Neu in der Preisliste sind Kopfairbags (782 Mark), lichtstarke Bi-Xenon-Scheinwerfer (1887 Mark), größere 17-Zoll-Räder (ab 1369 Mark), verbesserte Radio-Navigationssysteme (ab 3276 Mark), das Solardach und die akustische Einparkhilfe (beide noch ohne Preis).

Das Triebwerksangebot wurde enger gestaffelt und erweitert. Es gibt zwei neue Benzin- und zwei neue Dieseltriebwerke: Im Basismodell tut ein 75 kW (102 PS) starker 1,6-Liter-Vierventiler Dienst (Null auf 100 km/h in 12,7 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 192 km/h, Mixverbrauch 7,7 Liter auf 100 Kilometer, ab 39 508 Mark). Die Lücke zwischen dem 1. 8T mit 110 kW (150 PS) und dem 142 kW (193 PS) starken 2,8-Liter-V6 wird durch den 2. 3 V5 mit 125 kW (170 PS) geschlossen (Null auf 100 km/h in 9,1 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 228 km/h, Mixverbrauch 9,4 l/100 km, ab 50 607 Mark). Der Passat TDI mit 66 kW (90 PS) muss einer 74 kW (101 PS) starken Variante weichen (Null auf 100 km/h in 12,4 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 191 km/h, Mixverbrauch 5,4 l/100 km, ab 43 811 Mark).

Ebenfalls neu im Angebot ist ein zweiter, noch kräftigerer TDI mit 1,9 Liter Hubraum, Pumpe-Düse-Einspritzung und 96 kW (130 PS) Leistung, (Null auf 100 km/h in 9,9 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 208 km/h, Mixverbrauch 5,6 l/100km, ab 46 549 Mark).

Der von sofort an mit vier Ventilen pro Zylinder und zwei verstellbaren Nockenwellen ausgestattete Fünfzylinder ist laufruhig, leise und drehfreudig. Er bietet ordentliche Fahrleistungen, aber leider fehlt es dem 2,3 Liter-Aggregat nach wie vor an Durchzugskraft. Spätestens wenn man vom Benziner in einen der neuen Diesel umsteigt, wird klar, dass der Passat erst als TDI richtig zur Geltung kommt. Während sich VW bei den Benzintriebwerken im Lauf der Jahre eine wenig überzeugende Gemischtwarenhandlung herangezüchtet hat (Vierzylinder, Fünfzylinder, V6; Zweiventiler, Vierventiler, Fünfventiler; Sauger und Turbo), stimmt beim Diesel die Strategie. Ausnahme ist der antrittsschwache 2,5-Liter-TDI-V6, der 2004 auf Pumpe-Düse-Technik umgestellt werden soll.

Die beiden neuen Vierzylinder verdienen dagegen eine Eins mit Stern für viel Drehmoment und wenig Verbrauch sowie für die guten Fahrleistungen, das ordentliche Ansprechverhalten und die akzeptablen Abgaswerte. Allein die Laufruhe unter Last und bei niedrigen Drehzahlen sowie das Geräuschniveau bei hohen Drehzahlen sind verbesserungsfähig.

Nichts auszusetzen gibt es am Drehmomentverlauf. Die 74 kW (101 PS) starke Version hält bereits bei 1900/min stolze 250 Nm bereit, der 96 kW (130 PS) leistende Motor benötigt gar nur 1750/min, um 285 Nm an die Schwungscheibe zu wuchten. Beide Triebwerke gibt es auf Wunsch auch mit Automatik - den stärkeren Vierzylinder-TDI bekommt man gegen Aufpreis sogar mit Sechsgang-Getriebe und 4Motion-Allradantrieb. Für die Diesel spricht neben den günstigen Verbrauchswerten von kaum über 8,0 l/100 km die gelassene Leistungscharakteristik. Gleiten statt Hetzen heißt die Devise, denn diese Motoren schöpfen nahezu unabhängig von Drehzahl und Fahrstufe jederzeit aus dem Vollen.

Die herausragende fahrdynamische Stärke des überarbeiteten Passat ist der deutlich verbesserte Komfort. Dieses Urteil betrifft neben der tollen Geräuschdämmung auch die guten Sitze und die souveräne Federung. Der große VW fährt sich wie ein schwerer Wagen, und er liegt ungewöhnlich gut auf der Straße. Schönheitsfehler sind die starke Seitenneigung der Karosserie in schnellen Kurven und das leichte horizontale Stuckern der Vorderachse auf kurzen Bodenwellen. Kritikwürdig sind auch die Mahlgeräusche der Fünfgang-Getriebe im Schiebebetrieb und die extrem früh eingreifende ESP-Regelsensorik.

Freundschaft hin, Freundschaft her - der Passat wird in Verbindung mit den beiden Vierzylinder-TDI-Aggregaten in der Tat zum neuen, subjektiv und objektiv besseren Auto. Die Benziner sind dagegen vor allem im direkten Vergleich zum Diesel ein alter Hut, der durch die Modellpflege nur bedingt an Attraktivität gewonnen hat.

Von Georg Kacher

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