VW Jetta 1.4 TSI im Test:Warum hat ihn keiner lieb?

VW Jetta Facelift

Das Basismodell des neuen VW Jetta kostet mindestens 22 100 Euro. Die 125-PS-Version ist 23 375 Euro teuer.

(Foto: WGO)

Der Jetta ist der erfolgloseste VW auf dem deutschen Markt. Trotzdem hält Volkswagen an ihm fest, frischt ihn gar umfangreich auf. Und macht aus ihm ein Auto, das mehr Liebe verdient hätte.

Von Thomas Harloff

Es war ein vielversprechender Start für den Jetta, als er 1979 auf den Markt kam. In seinem Debütjahr entschieden sich hierzulande immerhin etwa 90 000 VW-Kunden für den "Golf mit Rucksack", wie die Limousine noch heute etwas spöttisch genannt wird. Es war wie bei einem One-Hit-Wonder: Gleich der erste Erfolg wurde zum Höhepunkt der Karriere, danach nahm das Interesse an der kompakten Stufenheck-Limousine stark ab.

2014 konnte VW in Deutschland gerade einmal 940 Jettas verkaufen, der Unterschied zum beliebten Schrägheck-Pendant Golf (255 044 verkaufte Autos) ist geradezu unglaublich. Blickt man auf die globalen Zulassungszahlen, zeigt sich jedoch, dass der Jetta im Gegensatz zum Golf ein echter Weltbürger ist. Weltweit war er mit mehr als 900 000 abgesetzten Autos der meistverkaufte Volkswagen und landet deutlich vor der markeninternen Konkurrenz Golf und Polo, die nur auf etwa 700 000 verkaufte Exemplare kommen.

Der Jetta verschwindet in der Masse

Flop in Deutschland, top im Rest der Welt: Was reflexartig Verwunderung hervorruft, ist bei genauerer Betrachtung schnell erklärt. Die Autokäufer in China und den USA, den beiden größten Automärkten der Welt, stehen einfach auf Limousinen. In beiden Ländern ist der Jetta einer der meistverkauften Volkswagen.

Doch was sehen die Amerikaner und Chinesen in Volkswagens Kompaktlimousine, was bei deutschen Autokäufern keine Beachtung findet? Das brave Design kann kein Hinderungsgrund für einen Kauf sein, schließlich gehört es bei VW zur Markenidentität und zeichnet auch Bestseller wie Golf oder Polo aus. Zwar hübschten die Designer die Jetta-Karosserie beim kürzlich erfolgten Facelift mit einer prägnanteren Front und einer Heckpartie, die ein wenig an Kontur gewonnen hat, auf. Doch die leichten Retuschen ändern nichts daran, dass der Jetta im Straßenbild in der breiten Masse verschwindet.

Der Innenraum des VW Jetta Facelift.

Etwas hemdsärmeliger als im Golf, aber sehr geräumig: der Jetta-Innenraum.

(Foto: Volkswagen AG)

Viel Platz im Innen- und Kofferraum

Typischen, wenn auch schmucklosen VW-Chic gibt es auch im Innenraum. Man setzt sich in den Jetta und fühlt sich gut aufgehoben, obwohl das Interieur in puncto Materialqualität und Bediensicherheit nicht ganz mit dem des aktuellen Golf mit der Zusatzzahl Sieben mithalten kann. Hier merkt man dem Jetta an, dass er technisch eng dem sechsten Golf verwandt ist und auch nicht in Europa, sondern in Mexiko gebaut wird.

Das hindert ihn aber nicht daran, ausladende Platzverhältnisse zu bieten. Besonders großzügig ist die erste Sitzreihe geschnitten, auch im Fond können sich dank des Radstandes von 2,65 Meter nur Sitzriesen über mangelnden Platz beklagen. Der Kofferraum schluckt bis zu 510 Liter Gepäck, was nicht weit vom Niveau des größeren Passat entfernt ist. Vom Gepäckabteil aus lassen sich zudem die Fondsitze umklappen, weshalb sich auch sperriges Transportgut mitnehmen lässt.

Guter Motor, komfortables Fahrwerk

VW Jetta Facelift.

"Golf mit Rucksack": In Deutschland ist der Jetta das erfolgloseste VW-Modell.

(Foto: WGO)

Sechs unterschiedliche Motorvarianten von 105 bis 150 PS, darunter einen Hybrid, bietet VW für den Jetta an. Fast genau in der Mitte liegt das getestete Modell, der 1.4 TSI mit 125 PS. Das heißt aber nicht, dass der Motor Mittelmaß ist. Zum einen ist er sparsam. Während des Tests kam er mit 6,9 Litern 100 Kilometer weit. Außerdem ist er kräftig genug, um die 4,66 Meter lange Limousine souverän zu beschleunigen. Auch auf der Autobahn hält der Vierzylinder-Turbobenziner gut mit. Zumindest bis 190 km/h. Wer schneller fahren und die Höchstgeschwindigkeit von 206 km/h erreichen möchte, braucht Geduld. Dafür liegt der Viertürer auch beim hohen Tempo sicher auf dem Asphalt und lässt nur verhaltene Wind- und Motorgeräusche nach innen vordringen.

Ganz auf Komfort ist das Fahrwerk ausgelegt. Federn und Dämpfer ebnen selbst üble Straßen. Wer genau hinhört, vernimmt jedoch hin und wieder ein Poltern der Achsen, die beim Jetta simpler konstruiert sind als beim Golf oder Passat. Es sind Details wie diese, die zeigen, dass der Jetta nicht mit dem Besten und Modernsten gesegnet ist, was VWs Konzernregale hergeben. Trotzdem ist der Jetta nicht nur komfortabel, sondern auch ausreichend agil.

Altmodisch auf eine sympathische Art

Etwas altmodisch ist der Jetta auch beim Thema Konnektivität. Das Angebot beschränkt sich auf das Allernötigste, die volle Integration eines Smartphones oder Tablet-Computers ist nicht möglich. Auch bei den Assistenzsystemen beschränkt er sich auf einen Totwinkelwarner, einen Assistenten, der Auffahrunfälle verhindern soll, und ein System, das beim rückwärtigen Ausparken vor Querverkehr warnt. Wer mehr möchte, muss sich ein anderes Auto kaufen.

Man kann das für antiquiert halten, gerade bei einem Konzern, der sich gerne als Innovationstreiber inszeniert. Man kann das aber auch erfrischend finden und den Jetta deshalb mögen, weil er noch ein weitgehend analoges Auto ist. Eines, das unkompliziert zu handhaben ist und das Zeug zum anspruchslosen, aber für die meisten Zwecke gerüsteten Begleiter hat.

Die Konkurrenz hat das gleiche Problem

Insofern überrascht es schon, dass der Jetta in Deutschland der erfolgloseste Volkswagen überhaupt ist. Liegt es vielleicht am Preis? 23 375 Euro kostet die 125-PS-Version - 5000 Euro weniger als der Passat, aber 900 Euro mehr als der Golf mit gleicher Motorisierung.

Oder liegt der Misserfolg im Karosseriekonzept des Jetta begründet? Dass es Kompaktwagen mit Stufenheck in Deutschland extrem schwer haben, zeigt auch die Konkurrenz. Ob Ford Focus, Opel Astra, Toyota Corolla oder Mazda 3: Sie alle gibt es mit Rucksack, und jeweils verkauft sich die Stufenheckvariante schlechter als ihre Pendants mit Schräg- oder Kombiheck. In anderen Teilen der Welt sieht es aber auch bei ihnen völlig anders aus.

Technische Daten VW Jetta 1.4 TSI:

R4-Benzinmotor mit 1,4 Litern Hubraum und Turboaufladung; Leistung 92 kW (125 PS); max. Drehmoment: 200 Nm bei 1400/min - 4000/min; Leergewicht: 1341 kg; Kofferraum: 510 l; 0 - 100 km/h: 9,6 s; Vmax: 206 km/h; Testverbrauch: 6,9 l / 100 km (lt. Werk: 5,4; CO2-Ausstoß: 125 g/km); Euro 6; Grundpreis: 23 375 Euro

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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