VW in den USA:Mit dem Jetta aus der Nische

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Volkswagen verkauft in den USA nur wenig Autos. Modelle wie der neue Jetta und hohe Investitionen sollen das endlich ändern.

Kristina Läsker

Die Sonne brennt auf die Gruppe in Palo Alto nieder, Musik rieselt aus Lautsprechern, Minute um Minute beantwortet Martin Winterkorn Fragen, schließlich greift er nach einem Kugelschreiber, um etwas zu erklären. "Habt Ihr das immer noch nicht verstanden mit der Tiefenlokalisation?", fragt der Chef von Volkswagen die Journalisten ringsherum.

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Zügig schraubt Winterkorn den Schreiber auseinander. "Wenn dieser Stift ein Jetta für den amerikanischen Markt ist", sagt der Ingenieur, "dann kamen früher alle Einzelteile für den Jetta aus Europa und wurden in Amerika zusammengebaut. Das war teuer." Winterkorn hält Patrone und Gehäuse hoch. Künftig, so doziert er und drückt an der Feder, die partout nicht zurück will in den Kuli, künftig also kämen 70 Prozent der Jetta-Teile aus Nordamerika. "Das heißt Tiefenlokalisation und spart Geld. Klar?"

Winterkorn steht vor dem hauseigenen Forschungsinstitut Electronics Research Center im kalifornischen Silicon Valley und versucht klarzumachen, dass VW mit dem neuen Jetta den US-Markt aufrollen wird. Ein anderes Thema ist ihm aber auch noch wichtig: Dass es nämlich bei den Elektroautos daheim nicht ohne europaweit einheitliche Subventionen und Kaufanreize geht. "Ich würde mir wünschen, dass wir europaweit ein Programm einführen, um die E-Mobilität zu fördern", sagt er. Wissend, dass die Franzosen schon heute mehr für ihre Autoindustrie tun als die Deutschen - und dass von der schwarz-gelben Koalition zurzeit kaum mehr als ein paar Forschungssubventionen zu erwarten sind.

Mit neuen Elektroautos, die der Konzern von 2013 an in Serie herstellen will, möchten die Wolfsburger dies- wie jenseits des Atlantiks punkten. In Palo Alto untersucht VW im Forschungszentrum, ob sich mit sogenannten Consumer-Batteriezellen, wie sie auch in Handys verwendet werden, künftig Elektroautos antreiben lassen. Laut Winterkorn senkt dies die Kosten für Batterien deutlich. Während andere Batterien den Kaufpreis für E-Autos um 6000 bis 12.000 Euro gegenüber einem Benziner erhöhen, seien es bei Consumerzellen nur noch 5000 Euro zusätzlich, sagt er.

"Wir wollen VW zu einem der führenden Autohersteller in Amerika machen", kündigt Winterkorn an. Der Weg dahin ist lang, das wird spätestens klar, wenn man von Volkswagens Forschungszentrum in Palo Alto auf der Interstate 280 nach San Francisco fährt. Da ist noch nichts von Winterkorns Visionen zu entdecken. Volkswagen oder Audis sind selten, dafür Toyotas, Chryslers und andere asiatische und amerikanische Marken oft zu sehen.

Anders als in Europa oder in China ist Volkswagen in den USA nur ein Autokonzern unter vielen, ein Nischenanbieter: Auf 2,8 Prozent Marktanteil hat es der Konzern 2009 in den USA gebracht, das entspricht 300.000 Fahrzeugen. Winterkorn will den Absatz bis 2018 verdreifachen und dann etwa eine Million Fahrzeuge verkaufen. Ein kühner Plan. Zumal vor kurzem auch noch US-Chef Stefan Jacoby absprang.

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VWs US-Bilanzen sind so ausgetrocknet wie die gelben Felder rings um Palo Alto. Lange Jahre hat der Vorstand in Wolfsburg den amerikanischen Markt vernachlässigt. Doch nun, wo Volkswagen bis 2018 zum größten Autobauer der Welt aufsteigen will, führt kein Weg mehr vorbei an den USA, dem nach China größten Automarkt mit zuletzt mehr als zehn Millionen verkauften Fahrzeugen pro Jahr. Wer oben mitspielen will, muss auch hier viele Autos verkaufen und Geld verdienen. Beides ist bisher nicht gelungen, beides will der VW-Chef ändern. VW werde künftig in den USA wieder Profite machen, verspricht er. Wann? "In Kürze."

Den Kurswechsel soll der neue Jetta bringen, er wurde angepasst an die Vorlieben der amerikanischen Kunden. "Der Jetta ist länger und geräumiger", sagt Winterkorn. Anders als in Deutschland ist der Jetta hier von jeher beliebter als sein Zwillingsbruder, der Golf. Auch, weil die Amerikaner das Stufenheck des Jetta lieber mögen als die schräge Heckklappe beim Golf.

Im September soll der Hoffnungsträger in den USA auf den Markt kommen. Damit die Wachstumsstrategie aufgeht, zieht Volkswagen seit Monaten eine neue Fabrik im Bundesstaat Tennessee hoch. Etwa eine Milliarde Euro investiert der Autokonzern in das Werk in der Stadt Chattanooga. Es ist das erste VW-Werk in den USA seit 20 Jahren, hier soll von Mitte kommenden Jahres an der New Midsize Sedan gefertigt werden, eine Art verkappter Passat.

Auch die Fabrik im mexikanischen Puebla, wo einst der Käfer gebaut wurde, hat frisches Geld erhalten. In Puebla rollt schon bald der neue Jetta vom Band. Ein Preisbrecher soll dieses neue Auto werden; der Preis sinkt durch die Tiefenlokalisation von 18.000 auf 16.000 Dollar. Damit spricht VW die Mittelschicht an, die wegen der Wirtschaftskrise stärker aufs Geld schauen muss.

© SZ vom 21.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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