VW beendet Produktion des T2:Der letzte Bulli

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Die letzten VW Bulli laufen in Brasilien vom Band.

(Foto: JWO)

Trauriger Tag für Autofans: Nach 56 Jahren läuft der letzte T2 in Brasilien vom Band. Ein sentimentaler Besuch im VW-Werk in Sao Paulo.

Von Jürgen Wolff

Es ist eine nostalgische Reise in die Vergangenheit: Als der Shuttle-Bus vor dem Tor zur Produktionshalle des VW-Transporters im brasilianischen VW-Werk Anchieta ausrollt, klingt aus dem Bordlautsprecher gerade Scott McKezies Hippie-Ode an San Francisco. Schluss, aus, vorbei - am 20. Dezember soll die Produktion des "Bulli" in Brasilien eingestellt werden. Bis dahin rollten noch jeden Tag rund 150 Stück aus der Halle. Alle weiß, alle längst verkauft.

Die limitierte "Last Edition", die Abschiedsversion des Kultmobils, musste verdoppelt werden, von geplanten 600 auf 1200 Stück. Auch die sind längst verkauft und gehen von hier aus in die ganze Welt. Meist an Sammler, bis nach Asien, in die USA und in den Nahen Osten.

"Last Edition" mit nostalgischem Charme

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Die Abschiedsversion des Bulli musste auf 1200 Stück verdoppelt werden.

(Foto: JWO)

Die "Last Edition" bietet noch einmal alles, was den nostalgischen Charme des Bullis ausmacht: schicke Weißwandreifen, eine zweifarbige Lackierung in Weiß und Himmelblau, gestreifte Vinylsitze, Teppichboden, ein in Vinyl verpacktes Reserverad und einen 1,4 Liter großen 78-PS-Vierzylinder. Als Zugabe gibt es das traditionelle Fahrgefühl mit schwammiger Lenkung, hakeliger Schaltung, gewöhnungsbedürftigem Geradeauslauf und einem zähen Spurt vom 0 auf 100 km/h in 16,6 Sekunden.

Wer sich traut, schafft es bis Tempo 130. Der Verbrauch: etwa 10 Liter auf 100 km. Mit ausgebauten Sitzen hat das Auto über 4800 Liter Stauraum, maximal passt eine Tonne Nutzlast in den Kombi. Garantiert nicht an Bord: Heizung (braucht in Brasilien eh keiner), Airbags oder ABS. Ganz zu schweigen von anderen Assistenzsytemen, die über Blinker und Tacho hinaus gehen.

Das macht aber nichts: Bei einer kleinen Ausfahrt an der Atlantikküste erntet die Last Edition bei Passanten und anderen Autofahrern genauso wohlwollende Blicke wie hierzulande ein Ferrari oder Lamborghini. Verglichen mit dem Basispreis des VW Kombi in Brasilien (umgerechnet rund 17.000 Euro) hat die Last Edition fast schon Luxus-Niveau: 85.000 brasilianische Real verlangt VW, etwa 27.500 Euro.

1,12 Millionen verkaufte Bullis

Noch ist der VW Kombi aus dem Straßenbild von Brasilien nicht wegzudenken. Um die 26.000 Stück verkaufte Volkswagen zuletzt pro Jahr, 1,12 Millionen waren es vom T2 in 45 Jahren Produktionszeit. Das reicht für einen Platz in der Top Ten der Zulassungsstatistik des Landes.

"Wir stoppen die Produktion ja auch nicht wegen fehlender Nachfrage", sagt Jochen Funk, verantwortlich für Marketing und Verkauf. Es sind neue Gesetze, die dem Bulli den Garaus machen: Vom kommenden Jahr an müssen Neuwagen mit Airbags und ABS ausgerüstet sein. Und beides ist in dem betagten Design nicht unterzubringen - trotz aller Versuche. Einen Ersatz für den Bulli gibt es nicht: Die Mischung aus Nutzwert und Preis ist unschlagbar.

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VW verabschiedet die letzten VW Bullis in Brasilien mit einer Anzeigenkampagne.

(Foto: JWO)

Die Mitarbeiter aus der Produktionshalle des Bulli werden an anderer Stelle eingesetzt. Bedarf gibt es genug: In vier brasilianischen Werken beschäftigt VW etwa 24.000 Mitarbeiter. 22 Modelle werden dort produziert, 850.000 Autos verlassen jährlich das Band.

VW mit langer Tradition in Brasilien

Die Wolfsburger starteten 1957 als erste mit der Produktion im Ausland, im Werk Anchieta in Sao Bernardo do Campo, rund 18 Kilometer südlich von Sao Paulo. Und das erste Modell aus brasilianischer Fertigung war der VW Transporter, damals der T1. 1975 stellte die Produktion teilweise auf den T2 um, der in Deutschland seit 1968 vom Band lief. Der brasilianische "Bulli" war aber nicht identisch mit seinem deutschen Bruder. In Südamerika verwendete die Produktion die Seitenwände mit den kleinen Fenstern des Vorgängers T2. In der Blütezeit produzierten die Brasilianer 66.280 Fahrzeuge pro Jahr.

Die Produktion des VW Kombi ist ähnlich archaisch wie der Wagen selbst. Die Fertigungsanlagen stammen aus Mexiko. Als dort 1995 nach knapp 254.000 gebauten Bussen die Produktion des T2 endete, wurde alles demontiert, verschifft und in Anchieta wieder aufgebaut. Roboter gibt es im ganzen Werk nicht. Selbst in der Lackiererei wird die Farbe von Hand aufgesprüht.

Am Montageband gelten noch die alten Fertigkeiten. Der Motor etwa, seit 2005 kein luftgekühlter Boxer mehr, sondern ein Reihenvierzylinder mit Wasserkühlung, wird von Hand mit ein paar Schrauben im Heck fixiert. Zum Schluss werden Fehler am Blech mit dem Hämmerchen kunstvoll ausgedengelt und Lackfehler per Pinsel übermalt.

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Bei der Produktion der VW Bulli wurde jahrelang alles von Hand montiert. Im VW-Werk Anchieta gibt es keine Roboter.

(Foto: JWO)

VW war das Hippie-Image des Bulli übrigens eher suspekt. Die Alternativen, Surfer und Aussteiger, die den Transporter nutzten, passten nicht so recht ins Markenbild des Automobilherstellers. Doch genau jenen verdankt VW es, dass der Bulli zum Kult wurde. Und was nostalgische Gefühle weckt, lässt sich besser verkaufen. Also arrangierte man sich mit den Hippies und brachte sogar eine CD mit dem passenden Soundtrack heraus: "Summer of Love & Peace". Darauf: "Knockin' On Heaven's Door". Passender könnte der Bulli wohl kaum seine letzte Fahrt antreten.

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