Vorstellung: Neuer Audi-Sportwagen:Der Carrera-Jäger

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In Ingolstadt fiel jetzt der Startschuss zu einem ehrgeizigen und spektakulären Projekt.

Von Georg Kacher

Wir blenden kurz zurück zur Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt/Main 2003. Dort sonnte sich auf dem Audi-Stand eine aufregende Sportwagen-Studie namens Le Mans im Scheinwerferlicht.

Das Mittelmotorcoupé kam beim Publikum ausgesprochen gut an, und spätestens Mitte 2004 schien klar, dass die Serienfreigabe nur eine Frage der Zeit sein würde. Doch diese Theorie war so grau wie die unlackierte Aluminium-Spaceframe-Karosserie der Projektnummern AU714 und 715.

In der Praxis verschaffte die Flunder seinen Schöpfern nämlich vor allem schlaflose Nächte. Das lag in erster Linie am so genannten Packaging, das zwar für ein Show Car taugte, für die Produktion jedoch grundlegend überarbeitet werden musste.

Denn im Gegensatz zum Ausgangsprodukt, dem Lamborghini Gallardo, braucht selbst der sportlichste Audi ein Mindestmaß an Beinfreiheit, Kopffreiheit, Kofferraumvolumen und Ablagemöglichkeiten, von kostspieligen Auflagen wie den neuen Fußgängerschutz-Bestimmungen ganz zu schweigen.

In der Folgezeit stand das Projekt mehr als einmal auf der Kippe. Der Hinterwagen samt Antrieb und Achse konnte zwar fast unverändert von der Studie übernommen worden, doch der zu verlängernde Radstand bedingte eine neue Dachkontur, und auch die Schnauze musste noch einmal unter das Messer - mehr Stauraum war gefordert und eine voluminösere Knautschzone für den kritischsten aller Kontakte zwischen Mensch und Maschine.

Als die Konstrukteure endlich abzogen, begannen wiederum die Designer zu jammern, denn die Proportionen stimmten nicht mehr, und so markante Stilelemente wie die kontrastfarbigen Klingen vor den seitlichen Lufteinlässen mussten neu interpretiert werden.

Weder aufgeplustert noch abgewertet

Außerdem galt es, das mit großer Geste entworfene Cockpit auf ein bezahlbares Maß zu reduzieren, wobei das Resultat weder aussehen durfte wie ein durch Audi-Versatzstücke entwerteter Lamborghini Gallardo noch wie eine zum Möchtegern-Sportwagen aufgeplusterte A6-Limousine.

Anfang 2005, als alle Arbeiten endlich erledigt waren und die Beteiligten müde ihre Wunden leckten, zeigte das allmächtige Produkt-Strategie-Komitee (PSK) dem R9, der schlussendlich anders heißen wird, plötzlich die Rote Karte.

Zu teuer, zu kleine Stückzahlen, zu kurze Laufzeit, zu dicht am Lamborghini - kurz: das verkehrte Auto zur verkehrten Zeit, so lauteten die Argumente.

Doch die PSK-ler hatten ihre Rechnung ohne den Audi-Chef Martin Winterkorn und Ferdinand Piëch gemacht, den Herrn im Hintergrund, der vom nahen Österreich aus immer noch einen Controller der Playstation namens VW-Konzern bedient.

Man suchte und fand also Sparpotenzial, man verlängerte mit ein paar Federstrichen die Laufzeit bis 2017 (!), man gab sich generell kompromissbereit und ließ sogar in Sachen schon fast fertiger R9 Roadster mit sich handeln.

Und siehe da - die Wolfsburger Kostenkiller zogen besänftigt von dannen und das Audi Le Mans Coupé erhielt nun endlich die höheren Weihen: Der Produktionsstart wurde für Anfang 2007 terminiert, hergestellt wird der neue Audi-Sportwagen im schwäbischen Neckarsulm.

Weil jeder Sportwagenentwickler, der etwas auf sich hält, den Porsche 911 im Visier hat, soll auch der R9 versuchen, den Marktführer am Firmament der Hochleistungs-Fixsterne zu überstrahlen.

Deshalb bekommt der Allradantrieb eine heckbetonte 40:60-Drehmomentverteilung, das Sechsgang-Getriebe wird intuitiv mit den Zeigefingern elektro-hydraulisch geschaltet, und zum fast schon selbstverständlichen V8 gesellt sich ein bullig-bäriges V10-Triebwerk.

Der direkteingespritzte 5,2-Liter mobilisiert glatte 500 PS. Damit der Respektabstand zum Lamborghini gewahrt bleibt, schüttelt aber seinerseits der Gallardo zum Stichtag X eben 550 PS aus der Kurbelwelle. Doch der V10 startet im R9 ohnehin erst ab Frühjahr 2008.

Die Ouvertüre bestreitet somit einzig und allein der 4,2-Liter-V8 aus dem neuen RS4, dessen Hochdrehzahlkonzept für 420 PS gut ist. Diesen Motor wird es auch in Verbindung mit dem klassischen Sechsgang-Handschalter geben. Die Fahrleistungen sind sensationell: 4,5 Sekunden von Null auf 100 km/h, Spitze entweder politisch korrekte 250 oder zeitgeistig brisante 300 km/h.

Der endgültige Preis wird derzeit noch ausgewürfelt, er könnte aber noch ganz knapp fünfstellig sein, schon um das Zuffenhausener Selbstbewusstsein dort anzuknacken, wo es am heftigsten weh tut.

© Süddeutsche Zeitung vom 14. Mai 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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