Vorgestellt: Porsche 911 GT3:Freud und light

Imposanter Vortrieb plus Gewichtsreduktion schaffen ein Fahrvergnügen der besonderen Art.

Georg Kacher

(SZ vom 19. 2. 2003 - ) Porsche baut den 911 in zwei unterschiedlichen Ausprägungen. Basis des Geschäfts ist der Carrera 2/4, den es als Coupé oder Cabriolet, als breitschultrigen 4S oder lichtdurchfluteten Targa gibt.

Vorgestellt: Porsche 911 GT3: Ab 250 km/h mutieren selbst sanfte Biegungen zu scharfen Ecken.

Ab 250 km/h mutieren selbst sanfte Biegungen zu scharfen Ecken.

(Foto: Foto: Porsche)

Die Krönung dieser pragmatisch-konservativen Linie ist der Turbo, der mit 309 kW (406 PS) und Allradantrieb gegen die Überweisung von 126.208 Euro zu haben ist.

Das zweite Gesicht

Das andere Gesicht des Klassikers wirkt deutlich kämpferischer, unsteter und kompromissloser - hinter der leicht grellen Fassade schlummern jene Kräfte, die Straßenautos für ein paar Runden zu Rennfahrzeugen adeln.

In diese Abteilung gehört nach dem 340 kW, respektive 462 PS starken und 175.044 Euro teuren GT2 mit Turbomotor jetzt auch die zweite Auflage des GT3, die hohe Schule des Saugmotors.

Wer sich das geflügelte Federgewicht mit der 280 kW (381 PS) starken 3,8-Liter-Maschine in die Garage stellen will, sollte mindestens 102.112 Euro haben und über entsprechendes Fahrkönnen verfügen.

Der erste GT3 hatte 360 PS und war für seinerzeit knapp 182.000 Mark ein Sonderangebot in limitierter Auflage. Bei der zweiten Serie hat Porsche den Preis deutlich angehoben, aber dafür bleibt der Wagen im Programm, bis der 996 im Modelljahr 2005 ausläuft.

Zum Räubern gemacht

Gemacht ist das Auto - geplant sind 2.500 Einheiten - in erster Linie für jene Hardcore-Kunden, die ihren Elfer weniger zum Flanieren als zum Räubern nutzen wollen. Porsche warnt bei der Beschreibung des Fahrwerks zwar vor der klaren Bevorzugung der Fahrdynamik gegenüber den Komfortansprüchen; doch der GT3 ist keineswegs unzumutbar hart, sondern einfach nur ziemlich straff gefedert.

Der Schwerpunkt rückt um 30 Millimeter weiter in Richtung Erdmittelpunkt - ein klares Plus auf ebenem Belag, ein steter Kampf mit Spur und Sturz auf welliger Oberfläche.

Weil Grip durch nichts außer durch noch mehr Grip zu ersetzen ist, haben die Schwaben dem GT3 noch breitere Räder und Reifen verpasst. Hinten sind Walzen der Dimension 295/30ZR19 aufgezogen; der nächste Schritt sind wohl gummibeschichtete Felgen.

Statt auf Antischlupfregelung und Traktionskontrolle vertraut der Zweisitzer wie zu Großmutters Zeiten auf ein mechanisches Sperrdifferenzial, das mit einem Sperrfaktor von 40 Prozent den Wagen beim Herausbeschleunigen aus engen Kurven etwas eckig wirken lässt.

Die verstellbaren Federn, Stabilisatoren und Achsgeometrien sind für den Straßenbetrieb nicht relevant, doch die Keramikbremsscheiben gegen 7.830 Euro Zuzahlung sollte man zumindest mal ausprobiert haben.

Denn wenn nach dem ersten Tritt aufs Pedal die zuvor streng nach hinten gekämmten Haare plötzlich wie ein Vorhang vor der Stirn baumeln, ist das schon ein Erlebnis besonderer Art.

Aber auch die Standard-Bremsanlage wurde durch größere Scheiben, bessere Kühlluftzufuhr und leistungsfähigere Sechs-Kolben-Sättel weiter aufgewertet.

Radikale Abspeckung

Eine ganz wesentliche Zielsetzung des GT3-Entwicklungsteams war die kompromisslose Gewichtsreduzierung. Die Abmagerungskur reicht von fehlenden Rücksitzen über abgespeckte Räder bis zu besagten Keramikbremsen, die allein 17 Kilo einsparen.

Auch den Motor nahmen die Weight Watchers in die Mangel - die bewegten Massen konnten um 3,5 Kilo verringert werden. Unter dem Strich gelang es, das Leergewicht auf 1.380 Kilogramm zu drücken - damit wiegt der GT3 nur 35 Kilogramm mehr als ein Carrera Coupé.

Entsprechend souverän sind die Fahrleistungen. Das aerodynamisch auf viel Abtrieb getrimmte Coupé beschleunigt in 4,5 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und ist bei idealen Bedingungen 306 Kilometer pro Stunde schnell. Der Durchschnittsverbrauch beträgt unverändert 12,9 Liter für 100 Kilometer Strecke; ein theoretischer Wert, denn bei vollem Leistungseinsatz ernährt sich auch dieses Auto nicht von Luft und Liebe allein.

Motor: alltagstauglich...

Der Sechszylinder-Boxer ist ein erstaunlich alltagstauglicher Motor, der sich bei 2.000 Touren ebenso wohl fühlt wie bei 8.200 Umdrehungen, wenn die Elektronik an der Schwelle zum roten Bereich warnend den Zeigefinger hebt.

...und zugleich extrem

Um das allerletzte Kilowatt aus dem zweiteiligen Kurbelgehäuse herauszukitzeln, muss man regelmäßig den Drehzahlgipfel besteigen. Dabei erstaunt immer wieder, mit welcher Begeisterung sich der reibungs- und gewichtsoptimierte Sauger ins Zeug legt. Trotz der Umstellung auf ein elektronisches Gaspedal ist das Ansprechverhalten unverändert spontan. Die stufenlose Nockenwellenverstellung dient als willkommene Aufpolsterung der Drehmomentkurve, die bei 5.000 / min ihren Höchstwert von 385 Newtonmetern erreicht.

Das im fünften und sechsten Gang etwas kürzer übersetzte Getriebe unterstreicht die Sonderstellung des GT3 im obersten Geschwindigkeitsbereich. Das gewaltige Beschleunigungsvermögen zwischen 250 und 300 km/h ist zwar imponierend, in der Praxis aber kaum auszuschöpfen, weil man schon die kleinste Biegung als scharfes Eck empfindet.

Es steht zwar nicht in der Betriebsanleitung - doch im richtigen Leben macht dieser Porsche keinen Hehl daraus, dass er sehr wohl zwischen kleinen Jungs und gestandenen Männern zu unterscheiden weiß. Der Autor jedenfalls ist nach dem wilden Ritt nicht mehr so sicher, zu welcher Kategorie er gehört.

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