Volvo S 90 vs. Mercedes E-Klasse:Mittelklasse-Vergleich: Schwede gegen Schwabe

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Volvo S 90 gegen Mercedes E-Klasse: Der Schwede ist etwas dynamischer, der Schwabe dafür komfortabler. (Foto: dpa; Daimler AG)

Teuer sind beide. Und auch sonst sind sich Volvo S 90 und Mercedes E-Klasse recht ähnlich. Im direkten Vergleich fallen dann aber doch Besonderheiten auf.

Test von Jörg Reichle

Wer ernsthaft darüber nachdenkt, sich eine neue E-Klasse anzuschaffen, hat es zu etwas gebracht im Leben, so viel steht fest - beruflich, finanziell, statusmäßig. Und will das auch zeigen, egal ob er nun das Nobelmodell selbst erstanden hat oder nur als Dienstwagen nutzen darf. Für Demonstrationen dieser Art sind die Autos mit dem Stern immer noch die erste Adresse. Um diese Kundschaft buhlen aber natürlich auch andere. BMW und Audi fallen einem spontan ein, Jaguar noch und ein paar wenige Außenseiter wie Lexus. Und neuerdings sehr nachdrücklich: Volvo.

Dass sich der S 90 in die erste Liga der oberen Mittelklasse hinaufgerobbt hat, ist vor allem ein Verdienst der Designer. Klare Linien ohne Mätzchen, saubere Proportionen, Größe, aber kein Protz: Die schwedische Limousine gibt sich nach innen und außen luxuriös, ohne anzugeben. Ein stilvoller Auftritt - den das Publikum schätzt, wie man überall mitbekommt, wo man mit dem S 90 auftaucht. Mit der E-Klasse passiert einem das eher selten, schon deshalb, weil kaum jemand optisch den Unterschied zur kleineren C-Klasse oder zur größeren S-Klasse erkennt, es sei denn, alle drei stünden zufällig nebeneinander.

Dem Volvo-Vierzylinder fehlt es an Laufkultur

Auch technisch hat der Volvo einen großen Schritt gemacht. Die skalierbare Produktarchitektur, auf der die 90er-Modelle XC, S und V aufbauen, sorgt künftig bei allen Modellen vom 60er aufwärts für ein einheitliches Fahrwerk und ebensolches Infotainment. Und es gibt nur einen Motor, einen Zweiliter, als Diesel und Benziner in unterschiedlichen Leistungsstufen, kombiniert mit einer Achtstufenautomatik. In der Top-Ausführung ist der Motor direkteinspritzend, aufgeladen mit zwei Turbos und wird ergänzt von einem Druckluftspeicher, der das Turboloch untenrum eliminieren soll.

Unser Testwagen wurde vom 235 PS starken D-5-Diesel angetrieben, der mit seinen stämmigen 480 Nm Drehmoment kräftig anschiebt und sich doch mit einem Verbrauch zwischen 7 und 8 Liter auf 100 Kilometer erfreulich zurückhält, obwohl der Normverbrauch, den Volvo mit 4,8 Liter angibt, deutlich verfehlt wird. Nur was die Laufkultur angeht, wünschte man sich dann und wann eben doch einen seidigen Sechszylinder. Die leistungsmäßig vergleichbare E-Klasse, ein 350d mit 258 PS, fährt mit ihren sechs Töpfen in V-Anordnung jedenfalls um einiges komfortabler, verbraucht allerdings auch etwa einen halben Liter mehr.

Umfangreiche Sicherheitspakete

"Sicherheit aus Schwedenstahl" hieß einmal ein Volvo-Werbespruch. Und Sicherheit ist auch heute wieder ein Kernwert der Marke, wenn auch unter zeitgemäßen Vorzeichen, heißt: Assistenten. Zu den heute bereits mehr oder weniger gängigen für Spurhaltung, Abstand, Tempolimiterkennung und präventive Gurtstraffung kommt hier noch der sogenannte Pilot Assist II, der durch eine Kombination von Abstandstempomat und aktiver Lenkunterstützung des Spurhalteassistenten teilautonomes Fahren bis 130 km / h ermöglicht, und zwar, ohne dass ein anderes Auto vorausfährt.

Und das bereits bekannt City-Safety-System erkennt jetzt auch große Tiere bei Tag und Nacht, was im Elch-Land Schweden womöglich wichtiger ist als in Deutschland, wo freilaufende Ochsen eher Seltenheitswert haben. Kommt das Auto von der Fahrbahn ab, soll eine Sicherheitszelle aus Borstahl die Insassen schützen. Damit es aber gar nicht so weit kommt, verfügt der S 90 über exzellente Bremsen und - zumindest der D 5 - über serienmäßigen Allradantrieb.

Wirklich übertrumpfen lässt sich der Mercedes, der inzwischen auf eine lange kontinuierliche Entwicklungsgeschichte zurückblicken kann, aber nicht in Sachen Sicherheit. Auch hier Assistenten zuhauf, abhängig von der Bereitschaft des Kunden, mehr zu bezahlen und sich dafür Teile seiner Fahrkunst aus der Hand nehmen zu lassen. Stichworte wie aktiver Bremsassistent mit Kreuzungsfunktion stehen dafür, ein Ausweich-Lenkassistent, oder Sachen wie Pre-Safe-Impuls-Seite, was bedeutet, dass bei einem drohenden Seitenaufprall Fahrer oder Beifahrer seitlich vom Aufprallpunkt wegbewegt werden.

Was ihr Wesen angeht, verbindet den Mercedes und den Volvo eine ganze Menge: Beides sind geräumige Reiselimousinen mit hervorragendem Sitzkomfort auf allen Plätzen, einem aufnahmefähigen Kofferraum (Volvo: 500 Liter; Mercedes 540 Liter), sorgfältig ausgewählten und bestens verarbeiteten Materialien. Und beide fahren sich lustvoll, lenken präzise, bremsen superb - mit Vorteilen für den Volvo - und federn langstreckenkompatibel. Wobei hier der Mercedes die Nase vorn hat.

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Teuer sind beide

Wohlfühlen jedenfalls kann man sich in beiden Limousinen, und ob einem das skandinavisch reduzierte oder das opulent geschwungene Innendesign des Mercedes besser gefällt, ist natürlich Geschmacksache. Was auch für die digitalisierte Bedienung gilt. Im Mercedes mit seinem Riesenbildschirmcockpit ist das besonders augenfällig. Der Volvo hält mit einem großen, hochkant stehenden Monitor auf der Mittelkonsole dagegen. Ob die aufkommende Bildschirmwelt die Bedienung nun leichter macht oder nicht, sei dahingestellt. Klar ist aber, dass man nach einer gewissen Eingewöhnung mit fast jedem System zurechtkommen dürfte.

Fazit: Nach den reinen Eigenschaften bewertet, kommt an der E-Klasse so schnell keiner vorbei. Die Ausgewogenheit der Eigenschaften, die Verbindung von Fahrkomfort und -dynamik ist vorbildlich. Der Volvo markiert im stilvollen Auftritt den Anspruch einer attraktiven Alternative zum Mercedes-Audi-BMW-Einerlei und verlangt dafür nur wenige Zugeständnisse wie den etwas schlechteren Federungskomfort oder die geringere Laufruhe der Vierzylindermotoren. Teuer sind beide, wenigstens das haben sie gemeinsam.

Technische Daten:

Volvo S 90 D5: Reihenvierzylinder mit Bi-Turbolader, 1969 cm₃; 173 kW / 235 PS; max. Drehmoment: 480 Nm bei 1750 - 2250 U / min; Achtgang-Automatik; Allradantrieb; 0 - 100 km / h: 7,0 s; Vmax: 240 km / h; Leergewicht: 1892 kg; Verbrauch: 4,8 l (Werksangabe); Grundpreis (Inscription): 58 350 Euro.

Mercedes E 350d: Sechszylinder-V-Motor; 2987 cm₃; 190 kW / 258 PS; max. Drehmoment: 620 Nm bei 1650 U / min; Neungang-Automatik; Hinterradantrieb; 0 - 100 km / h: 6,5 s; Vmax: 250 km / h; Leergewicht: 1920 kg; Verbrauch: 5,1 l / 100 km (Werksangabe); Grundpreis (Exclusive): 56 257 Euro.

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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