Vier Vans im Vergleichstest:Familienautos für unterschiedliche Ansprüche

BMW 2er Gran Tourer, VW Touran, Dacia Lodgy und Renault Espace

Vier Minivans, vier Preisklassen: BMW Zweier Gran Tourer, VW Touran, Dacia Lodgy und Renault Espace (von links oben nach rechts unten).

(Foto: oh)

Minivans sind nicht sexy, aber beliebt bei jungen Familien. Weil sie praktisch sind und viel Platz haben. Ein Vergleich von Dacia Lodgy, VW Touran, BMW Zweier Gran Tourer und Renault Espace.

Test von Felix Reek

Wenn man das schon hört: Minivan. Das klingt nach Windeln, Pudding auf den Sitzen und Aufklebern auf der Heckscheibe, auf denen dann lustige Dinge stehen wie "Emilie und Pascal on tour". Aber wenn sich die Familie vergrößert, werden bei einem Auto andere Dinge wichtig. Statt Motorleistung, schickes Design und Fahrspaß geht es um Zuverlässigkeit, Stabilität und vor allem Platz. Also testeten wir aktuelle Minivans auf ihre Familientauglichkeit. Vier davon, um genau zu sein: Dacia Lodgy, VW Touran, BMW Zweier Gran Tourer und Renault Espace.

Platz haben sie alle, das steht fest. So viel wie der Dacia Lodgy hat sonst aber keiner. Fast 2600 Liter fasst der Kofferraum bei umgeklappter Rückbank. Das schafft zu diesem Preis kein anderes Auto. Gerade einmal 9900 Euro kostet der Dacia in der Basisversion. Er ist der mit Abstand günstigste Minivan in Deutschland. Das merkt man ihm leider an. Der Türgriff ist so fragil, dass man Angst hat, ihn abzureißen. Die riesige Kofferraumklappe ist innen nicht mal verkleidet. Beim Gasgeben bleibt der Fuß am Filz der Seitenwand hängen. Selbst das aufpreispflichtige Leder an Lenkrad und Sitzen fühlt sich billig an, mehr als das grob zusammengesägte Plastik, das den Innenraum beherrscht.

Der Dacia ist neu so teuer wie ein VW Touran, Baujahr 2007

Aber der Dacia macht das, was er soll. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Mit 115 PS ist er ausreichend motorisiert, die Schaltung arbeitet tadellos, das Fahrwerk ist robust, aber nicht unangenehm. ABS, ESP und Servolenkung gibt es mittlerweile auch serienmäßig, die bewährte Technik stammt von der Konzernmutter Renault. Wer ein vergleichbares Auto für diesen Preis möchte, muss bei einem Gebrauchtwagen mehrere Jahre Verschleiß und Laufleistungen von mehr als 100 000 Kilometern in Kauf nehmen. Erst dann erreicht zum Beispiel ein VW Touran, Baujahr 2007, die Preisgrenze des (neuen) Dacia.

Der VW ist, zumindest den Verkaufszahlen nach, der Traumwagen aller Eltern. Seit seinem Debüt 2003 verkaufte er sich 1,9 Millionen Mal, das Maß aller Dinge im Segment der kompakten Familienlaster. Aufgefallen ist das wohl den wenigsten. Der Touran ist ein im wahrsten Sinne des Wortes unaufgeregtes Auto. Er ist derart unscheinbar, dass seine schiere Masse auf deutschen Straßen gerne übersehen wird, so kompromisslos folgt die Form der Funktion.

Konsequent familientauglich

Der Touran will "auf einer kleinen Grundfläche möglichst viel Raum bieten", so VW. Dieser Maxime hat sich das ganze Auto unterworfen. Die Zielgruppe sind Familien, auf sie ist der Touran optimiert. In der Stadt ist der Kompaktvan wendiger als ein VW Passat Variant, bietet aber mehr Platz. Der Kofferraum fasst bis zu 1980 Liter, der Variant bis zu 1780 Liter. 47 Staufächer nehmen so ziemlich alles auf, vom Kinderspielzeug bis zur Windeltasche. Selbst unter den Vordersitzen gibt es Schubladen. Das ist zwar nicht aufregend, aber konsequent.

Das Gleiche lässt sich über den Motor sagen. Der 150 PS starke Benziner mit Doppelkupplungsgetriebe gibt keinen Anlass für Gefühlsausbrüche, tut aber genau das, was er soll: den Touran solide fortbewegen. Das gilt auch für Lenkung und Getriebe.

Bei VW wird man das nicht gerne lesen, aber im Prinzip verfolgt der Touran das gleiche Konzept wie der Dacia Logan. Nur dass VW für die bessere Verarbeitung und die aufwendigere Technik mit mindestens 23 000 Euro weit mehr als den doppelten Preis aufruft. Ihren Zweck erfüllen beide Minivans, wenn es genau das ist, was man in einem Auto sucht. Sie sind keine Aufschneider und Angeber. Es sind Autos wie ein guter Freund. Auf die man sich verlassen kann. Die aber eben keine großen Gefühle auslösen.

Der Touran war das Vorbild für den BMW Zweier Gran Tourer

Ohne Emotionen geht es bei BMW traditionsgemäß nicht. Die "Freude am Fahren" ist die viel beschworene Maxime. Jahrzehntelang bestimmte die Dreifaltigkeit aus Hinterradantrieb, Handschaltung und Sechszylindermotor das sportliche Markenbild. Beim Zweier Gran Tourer gibt es stattdessen Vierzylinder, Frontantrieb und ein Design, das verhältnismäßig bieder daherkommt.

Dass der Touran als Vorbild für den Kompaktvan aus München herhalten musste, daraus machen die Bayern keinen Hehl. Nur soll der Gran Tourer im Gegensatz zum VW aufregend und sexy sein. Das kann konzeptbedingt nicht gelingen. Viel Platz und Variabilität ergeben selten maximalen Schick. Die klassische Doppelniere der Marke schmückt einen gedrungenen Körper. Ein Kollege kommentiert es so: "Das sieht ja nach gar nichts aus." Vermutlich nicht das, was man hören will, wenn man gerade mindestens 27 000 Euro für ein vermeintliches automobiles Supermodel investiert hat.

Dabei ist der BMW kein schlechtes Auto, im Gegenteil. Von den vier Minivans im Test bietet er das beste Getriebe (eine 2100 Euro teure Achtgang-Automatik), der Motor des 220i ist kräftig, sportlich, mit 192 PS schon fast zu stark. Die Verarbeitung ist exzellent und vermittelt das gewohnte BMW-Gefühl: zum Fahrer ausgerichtetes Cockpit, Lederlenkrad, Chrom, ein M-Zeichen hier und da: alles, damit nur nicht der Verdacht aufkommt, man säße in einem, igitt: Minivan! Tut man aber doch. Und das ist die Schwäche des Bayern: Er will sich einfach nicht zu seiner Gattung bekennen. Der Spagat zwischen sportlicher Fahrweise und Familienlaster ist zu groß. Der Gran Tourer ist ein Auto für Männer, die noch nicht ganz akzeptiert haben, dass sie jetzt Vater sind und sich das Leben zwangsläufig ändert.

Geländewagen, Van und Limousine in einem

Dass es auch anders geht, zeigt ausgerechnet der Renault Espace. Jenes Familienauto, das 1984 den Minivan in Europa etablierte. Eine Schönheit war der Espace nie, aber er war eigenwillig schick und bot gewaltigen Stauraum. Mit der Neuauflage geht Renault jetzt einen anderen Weg. Die Franzosen ließen sich von der Fahrzeugklasse inspirieren, die die größten Wachstumsraten aufweist: den SUV. Das Ergebnis: Der Espace ist Geländewagen, Van und Limousine in einem. Und sieht obendrein schick aus. .

Innen wirkt er wie eine Steuereinheit aus "Star Trek". Mit genauso vielen Spielereien. Ein Display, so groß wie ein iPad. Sitze, die automatisch den Rücken von Mama und Papa massieren. Kameras, Abstandsmesser, Fahrassistenzsysteme. Und verschiedene Innenbeleuchtungen, die sich an die eigene Befindlichkeit anpassen lassen. Außerdem fährt die Familie wie auf Wolken. Braucht man das? Nein. Macht es Spaß? Natürlich!

So gelingt es ausgerechnet dem Espace, den Mief des Minivans abzuschütteln. Er vereint als einziges dieser vier Autos Design und Platz. Mit mindestens 33 500 Euro ist er aber auch der teuerste Van im Test.

Für die gleiche Summe bekommt eine Familie drei gut ausgestattete Dacia Lodgy mit der Technik des gleichen Konzerns. Der kann alles, was VW Touran, BMW Zweier GT und Renault Espace auch können. Er fährt, er hat Platz. Und ist außerdem billig. Wenn hier der Nachwuchs seinen Schokoriegel quer über das Sitzpolster zieht oder mit einem Filzstift die Inneneinrichtung dekoriert, schmerzt es bei weitem nicht so sehr wie im Renault, VW oder BMW.

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