Vernetztes Auto:"Wir machen das Auto zum persönlichen Begleiter"

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Der Anspruch des Autozulieferers Bosch ist hoch: Er will das "Gehirn" für selbstfahrende Autos liefern. (Foto: Bosch)

Zulieferer wie Bosch entwickeln nun auch digitale Geschäftsmodelle. Doch genau wie die Autohersteller laufen sie Gefahr, nur die Juniorpartner der IT-Riesen wie Google und Amazon zu werden.

Von Joachim Becker

Gibt es intelligentes Leben da draußen? Diese Frage beschäftigt Astronomen und Autofahrer gleichermaßen. Während die einen in fernen Galaxien forschen, genügt den anderen ein Blick auf das eigene Smartphone: Mehr als 2,3 Milliarden der mobilen Endgeräte schwirren in der vernetzten Welt herum. Bloß das Auto glänzt im Internet der Dinge durch weitgehende Abwesenheit. Dabei könnten 260 000 Unfälle mit 350 000 Verletzten vermieden und 400 000 Tonnen CO₂ eingespart werden. Diese Zahlen nennt Bosch in der Studie "Connected Car Effect 2025" für Deutschland, die USA und China.

Die Zukunft hat längst begonnen. Vor allem die Premiumhersteller rüsten ihre Fahrzeuge auf Wunsch mit fest eingebauten Telefonkarten aus. Ab März 2018 wird der automatische Notruf E-Call in der EU obligatorisch. Dann ist faktisch jedes neu produzierte Auto ein vernetztes Auto. Die Sim-Karte löst so etwas wie eine Kopernikanische Wende im Autouniversum aus: Statt des Produkts steht der Kunde im Mittelpunkt. Oder besser gesagt: Diese merkwürdige digitale Spezies, die sich aus seinen verschiedenen Endgeräten und Nutzerprofilen zusammensetzt.

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Für die Autohersteller ist diese Spezies ein echter Alien. Bisher haben sie die Kontaktpflege meist ihren Händlern überlassen. Entsprechend diffus und uneinheitlich ist die Datenbasis. In der digitalen Welt wäre das völlig undenkbar - zumal mit Autos viel Geld verdient wird. Viele Telekom- und IT-Firmen sind hauptsächlich damit beschäftigt, die Daten unzähliger Apps und Sensoren in den Mobilfunkgeräten auszuwerten und daraus digitale Geschäftsmodelle zu bauen. Auf die Frage "Wer oder was ist der Kunde - und wenn ja, wie viele?" hat jeder Tech-Player eine etwas andere Antwort. Bei Amazon sind die Kunden das Produkt ihrer Bestellungen, bei Google die Summe ihrer Suchanfragen und bei Microsoft eine Schnittmenge aus Adressbuch und Terminkalender.

Versuche, die verschiedenen Datenquellen im Auto zu verknüpfen, gibt es bereits: Kaum koppelt man ein aktuelles Smartphone mit einem entsprechend ausgerüsteten Fahrzeug, schon zeigen Android Auto oder Apple Car Play ungefragt das nächste Ziel an. Der digitale Assistent funktioniert wie ein guter Butler. Er fragt nicht lange, sondern kennt die Gewohnheiten der Herrschaften. Im Auto entfällt dadurch die fummelige Zielsuche im Navigationssystem. Vorausgesetzt die Systeme haben Zugriff auf den Terminkalender und die Bewegungsprofile des Smartphone-Nutzers. Allerdings profitieren in diesem Fall nicht die Autohersteller, sondern Apple und Google von der direkten Kundenbeziehung.

"Das Personalisieren bringt in Zukunft den Mehrwert"

Was die IT-Giganten noch nicht besetzt haben, sind die Schnittstellen zur Autoelektronik. Laut dem Marktforschungsunternehmen Gartner werden bis 2020 etwa 250 Millionen vernetzte Fahrzeuge auf den Straßen dieser Welt unterwegs sein. Damit sind Autos gemeint, die das Funkfeuer ihrer Sensoren nicht nur intern, sondern auch als Schwarmintelligenz nutzen - zum Beispiel, um vor Falschfahrern zu warnen.

Viele Experten erwarten, dass sich mit der Konnektivität im Auto künftig mehr Geld verdienen lässt als mit dem Verkauf des Wagens selbst. "Das Personalisieren ist das, was in Zukunft Mehrwert bringt - im Fahrzeug, auf dem mobilen Endgerät und an allen möglichen anderen Kontaktpunkten", sagt Dieter May. Doch der Chief Digital Officer von BMW weiß: Beim Rennen auf der Datenautobahn wird es nur wenige Gewinner geben.

Die Autohersteller laufen Gefahr, zu Juniorpartnern der enorm finanzstarken, weltweit agierenden Tech- und Mobilfunk-Branche zu werden. May: "Wir sagen immer: Gegen die Spieler aus der Konsumenten-Elektronik kannst du nur schwer gewinnen." Demnach müssen BMW Connected und Mercedes Me das Beste aus dieser schnelllebigen Welt der Mobile Devices ins Auto bringen. Zum Beispiel Sprachassistenten wie Amazon Alexa, Siri von Apple, Google Home oder Microsoft Cortana. Das Problem ist nur, dass sich die Tech-Riesen solche Dienstleistungen auch mit (Kunden-)Daten bezahlen lassen. Wertvoll sind sie vor allem im Kontext eines Kundenprofils - ganz besonders bei Luxusmarken.

Alles unterhalb von zehn Millionen Nutzern ist in der digitalen Welt kaum der Rede wert. Für die meisten Autohersteller ist das aber eine Nummer zu groß. Zumindest im Neuwagengeschäft. Der Clou an vernetzten Fahrzeugen besteht darin, dass sie während ihrer gesamten Lebenszeit auf Empfang bleiben und so schnell zum Schwarm werden. Deshalb drängen auch klassische Zulieferer wie Bosch und Continental in die digitalen Geschäftsmodelle.

Ein Viertel der Kunden fordert Internet im Auto

"Wir machen das Auto zum persönlichen Begleiter", versprach Bosch-Geschäftsführer Dirk Hoheisel vor zwei Tagen in Berlin: Auf der Bosch Connected World kündigte er den Start einer Bosch Automotive Cloud Suite an. Die neue Plattform für Mobilitätsdienste bündele tiefes Know-how aus dem Fahrzeug und IT-Wissen zu einem umfangreichen Baukasten, sagt Hoheisel. Bis zum Jahr 2020 will Bosch zudem 300 Millionen Euro in künstliche Intelligenz investieren. "Von der Idee über die Einführung bis zum Betrieb von Services liefern wir alles aus einer Hand."

Für ein Viertel der deutschen Autokunden ist ein integrierter Internetzugang im Auto bereits heute ein wichtiges Kaufkriterium. Die Zahl wird schnell steigen, wenn sich die angekündigten Dienste in der Praxis bewähren.

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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