Verkehrspolitik:Darf's ein bisschen Maut sein?

Maut

Geht es nach Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), sollen künftig alle Autofahrer für die Nutzung aller Straßen in Deutschland zahlen.

(Foto: dpa)

Freie Fahrt für jedermann - wird es nach dem Willen des Bundesverkehrsministers bald nicht mehr geben. Schon bald soll eine Maut für die Nutzung deutscher Straßen fällig werden. Süddeutsche.de erklärt die Details der geplanten Regelung.

Von Stephan Radomsky

Aus der "Ausländermaut", die CSU-Chef Horst Seehofer im Bundestagswahlkampf vehement gefordert hat, ist nun offiziell die "Infrastrukturabgabe" geworden. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, ebenfalls CSU, hat seine Pläne am Montag in Berlin vorgestellt.

Wann kommt die Maut?

Ab Januar 2016 soll die neue Infrastrukturabgabe fällig werden. Ob das entsprechende Gesetz schon 2014 vorgelegt werden kann, darauf wollte sich Dobrindt nicht festlegen. Zu viel Abstimmungsarbeit liegt noch vor ihm: mit dem Bundesfinanzministerium, mit den Ländern, mit der EU-Kommission und vermutlich auch mit der mächtigen Autofahrer-Lobby.

Wer soll die Maut bezahlen?

Fast jeder, der sich mit Motorkraft über die deutschen Straßen bewegt. Klar ist nach den Plänen Dobrindts bereits, dass alle Autofahrer - sowohl einheimische als auch ausländische - die sogenannte Infrastrukturabgabe bezahlen sollen. Heute bereits geltende Ausnahmen von der Kfz-Steuer, etwa für Schwerbehinderte, sollen auch in Zukunft für die Infrastrukturabgabe gelten.

Welche Straßen werden mautpflichtig?

Alle, egal ob klein oder groß, ob in der Verantwortung des Bundes, eines Landes oder einer Kommune. Damit müsste jeder deutsche Autofahrer und alle Einreisenden zwangsläufig eine Vignette besitzen. So würde vermieden, dass Fahrer vor der Autobahn auf Nebenstrecken ausweichen, um Maut zu sparen. Die Halter sollen die Vignette den Plänen zufolge mit der Anmeldung ihres Wagens und anschließend jährlich per Post automatisch erhalten.

Nun fordern die Länder einen Anteil an den Einnahmen. Verkehrsminister Dobrindt zeigte sich bei der Präsentation seines Vorhabens in diesem Punkt gesprächsbereit und versprach, nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen - wohl auch, weil er bei der Verabschiedung eines Maut-Gesetzes auf die Zustimmung des Bundesrats angewiesen sein könnte.

Wie teuer wird die Vignette?

Im Schnitt soll der Mautsatz Dobrindts Plänen zufolge pro Jahr bei 88 Euro liegen, allerdings mit großen Schwankungen von Fall zu Fall. Wie viel die Straßennutzung konkret kostet, hängt nämlich von der Ökoklasse, dem Hubraum des Motors und dem Baujahr ab. Realistisch dürfte damit eine Bandbreite zwischen etwa 20 und 150 Euro jährlich sein.

Egal, wie hoch die Infrastrukturabgabe im Einzelfall ist: Der Minister versprach, dass kein deutscher Autofahrer unter dem Strich mehr zahle als bisher. Denn im Gegenzug für die geleistete Maut soll die Kfz-Steuer sinken, und zwar eben jeweils genau um den Betrag, der für die Vignette fällig wird.

Das würde aber auch bedeuten, dass lediglich ausländische Autofahrer - die ja nicht von einem solchen Ausgleich profitieren - mehr zahlen. Deshalb sieht die EU-Kommission Dobrindts Pläne skeptisch: Sie würden eine Benachteiligung von Ausländern durch die Infrastrukturabgabe vorsehen und das verbietet das EU-Recht. Der Minister dürfte daher noch einiges an Überzeugungsarbeit in Brüssel leisten müssen, bevor seine Pläne Gesetz werden können.

Geht es nach Dobrindt, dann haben ausländische Pkw-Fahrer die Wahl: Sie sollen zeitlich befristete Vignetten für zehn Tage oder zwei Monate zum Preis von 10 und 20 Euro an Tankstellen kaufen können. Wer regelmäßig auf deutschen Straßen unterwegs ist, soll sich - genauso wie deutsche Autofahrer - eine preislich genau auf sein Fahrzeug angepasste Vignette im Internet ausstellen lassen können. Oder aber für rund 100 Euro eine Pauschal-Jahresvignette ebenfalls an der Tankstelle lösen.

Kritiker fürchten ein "Bürokratiemonster"

Was wird aus der Kfz-Steuer?

Sie bleibt erhalten, soll aber reformiert werden, um die Belastung durch die Infrastrukturabgabe für deutsche Fahrzeughalter auszugleichen. So ist geplant, dass es eine abgesenkte Steuer mit Hubraum-Freigrenzen geben soll. Die Berechnung der Abgabe würde dann erst oberhalb einer bestimmten Kubikzentimeter-Zahl beginnen. Zudem soll sich die Höhe wie bisher auch an der Umweltfreundlichkeit des einzelnen Fahrzeugs orientieren.

Wie teuer wird das alles?

Bereits im Vorfeld war viel vom "Bürokratiemonster" Maut die Rede. Dobrindt hält dagegen, dass die Kosten für den gesamten Maut-Betrieb - also die Ermittlung der Vignetten-Kosten, das Herstellen und Versenden, die Kontrolle und die Verwaltung - bei etwa acht Prozent der Einnahmen liegen sollen.

Das Verkehrsministerium schätzt, allein durch die deutschen Fahrzeughalter etwa 3,8 Milliarden Euro jährlich einzunehmen - eine Summe, die aber Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) durch den geplanten Ausgleich an Kfz-Steuereinnahmen verlorengehen würde. Echte Mehreinnahmen brächten Autofahrer aus dem Ausland, hier rechnet Dobrindt mit rund 860 Millionen Euro pro Jahr. Abzüglich der Gesamtkosten für das Mautsystem sollen dann 600 Millionen Euro jährlich in den Straßenbau fließen.

Wie reagieren Opposition und Verbände?

Mit scharfer Ablehnung - und zwar von allen Seiten. So fürchtet die Zollgewerkschaft, deren Mitglieder erst seit Anfang Juli überhaupt mit der Verwaltung der Kfz-Steuer zuständig sind, neuen Bürokratieaufwand und Probleme. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace, grundsätzlich für eine Maut, hält dagegen die einseitige Belastung von ausländischen Autofahrern für ungerecht. So werde nicht genug Geld zusammen kommen, um die Straßen zu reparieren. Und der Sozialverband Deutschland fürchtet, dass Dobrindts Pläne schwerbehinderte Menschen benachteiligen könnten, weil sie bereits voll oder teilweise von der Kfz-Steuer befreit sind.

Ebenso wenig Begeisterung schlägt Dobrindt aus dem Parlament entgegen. Bereits am Sonntag nannte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter - selbst auch Verkehrspolitiker - die Pläne ein "absurdes, letztendlich völlig unverantwortliches Konzept, das es in der Form in ganz Europa nicht gibt". Auch der Koalitionspartner SPD ist zumindest zurückhaltend. Die Sozialdemokraten würden das Vorhaben nicht ungeprüft mittragen. "Dafür werden wir uns ausreichend Zeit nehmen", kündigte der Vizechef der Bundestagsfraktion, Sören Bartol, am Montag im Inforadio an. Die Pläne ohne größere Diskussionen durchzuwinken, wie es CSU-Chef Horst Seehofer fordere, werde die Partei nicht.

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