Vergleichstest:Charakterwandel in der Luxusklasse

Audi A8 vs. Mercedes S-Klasse

Der neue Audi A8 (links) kostet in der Version 50 TDI Quattro mindestens 90 600 Euro. Der Mercedes S 450 startet bei 93 385 Euro.

(Foto: Audi/Mercedes)

Der Audi A8 50 TDI überzeugt mit Hightech, fährt aber schwerfällig. Der Mercedes S 450 ist begriffsstutzig, macht aber Spaß: Im Test zeigen die Oberklasse-Limousinen ungewohnte Eigenschaften.

Von Joachim Becker

Hier spielt die Musik. Wer mit so einem Auto vorfährt, gibt den Ton an. Die Mercedes S-Klasse hat sich als Laster der Chefetage weltweit etabliert. Bei all jenen, die montags bis freitags das Geschehen vom Rücksitz aus dirigieren. Entsprechend präsent und prächtig ist der Auftritt. Der Chromgrill und die Taglicht-Schlitzaugen erzeugen ein grimmiges Gesicht: Platz da! Mit dem funkelnd schwarzen Maßanzug des Testwagens kommt Prominenz-Verdacht hinzu. Auch der neue Audi A8 mit seinem riesigen Kühlermaul ist ein Klotz in der Landschaft. Diskret und unauffällig geht anders.

So ein Chef ist ja auch nur ein Mensch. Entsprechend gediegen und gedämpft reist es sich im Innenraum. Piano, pianissimo. Geräuschdämmende Scheiben machen die Gleiter so leise wie Vorstandsbüros. Egal, ob sie vom Parkplatz rollen oder mit 200 km/h über die Autobahn jagen. Das kann die S-Klasse im Komfortmodus noch einen Tick besser als ihr Herausforderer. Der Audi wirkt mit der nachgiebigen Fahrwerkseinstellung etwas schwammig. Also schaltet man gleich auf Dynamic und spürt mehr Schlaglöcher als einem lieb sind.

Zum Trost gibt es Komfort in jeder technischen Spielart: Beide Testautos haben Extras für rund 40 000 Euro an Bord. Man gönnt sich ja sonst nichts. Was fehlt, sind die banalen Dinge des Alltags. Wer braucht schon eine mehr als fünf Meter lange Luxuslimousine, in der man mangels umklappbarer Rücksitze nicht einmal ein Paar Skier unterbringt?

Am Wochenende sitzt der Chef selbst am Steuer. Ob das mehr Spaß macht? Der Komfort einer S-Klasse ist über jeden Zweifel erhaben. Doch der Sportmodus wirkte bisher nun ja, etwas artfremd. Der Achtzylinder war für das Kurvenräubern nicht spritzig genug. Und für die wilden Augenblicke im Leben hatten die Chefs einen kleinen Flitzer in der Garage. Dieses Zweierlei muss nicht mehr sein, der S450 kann Business-Limousine und Freizeit-Kracher. Der neue Reihensechszylinder verbindet Laufruhe und Spontanität nach Manier des Münchner Vorbilds. Die schwer atmenden Mercedes V6-Motoren mit maximal 340 PS sind zum Glück Geschichte.

Beschleunigung wie im leistungsstarken Elektroauto

Dafür gibt es beim neuen M256 Technik vom Feinsten: mit 48-Volt-Bordnetz, integriertem Startergenerator und Elektro-Booster. 270 kW/ 367 PS leistet der Dreiliter-Turbo, 22 Extra-PS und 250 Nm zusätzliches Drehmoment liefert der Startergenerator im Boost-Modus. Damit schrumpft der Respektabstand zum Achtzylinder auf lediglich 20 PS. Statt den Trinksitten eines großvolumigen Säufers verspricht Mercedes beim neuen Sechszylinder nahezu Vierzylinder-Effizienz. Im Durchschnitt verbrauchte der Testwagen auf 1658 Kilometer Strecke allerdings 10,29 Liter Super. Nicht schlecht für ein schnelles Autobahnauto mit 2180 Kilogramm Gewicht, aber eben auch kein Sparwunder.

Der milde Hybridantrieb mit 48 Volt hat ein Janus-Gesicht. Einerseits bügelt er jeden Ansatz von Unruhe im Antrieb so konsequent platt, dass man einen Zwölfender unter der Haube vermuten könnte. Auch die Start-Stopp-Funktion wird derart verfeinert, dass vom Anspringen des Verbrenners kaum etwas zu merken ist. Das passt perfekt zur Positionierung als Souverän in der Oberklasse. Doch auf Wunsch entwickelt der elektrische Rückenwind jene ungestüme Wildheit, die vom Sport-Spezialisten AMG stammen könnte. Genau wie der Achtzylinder spurtet der neue Sechszylinder in 4,8 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h, beim Ampelstart liegt der kleinere Motor nach 20 Metern sogar vier Meter vorn. Der Sechser lässt sich so mühelos ausdrehen wie ein Motorrad, ohne wie andere PS-Diven hysterisch zu werden. Mit der ansatzlosen Beschleunigung wie aus einem einzigen Muskel kommt dieser Verbrenner dem Charakter jener Elektrofahrzeuge erstaunlich nahe, die ihn in Zukunft ablösen sollen.

Der Audi-Diesel ist ein echtes Effizienzwunder

Ein Tesla Model S ist mit 500 Kilogramm Batterie nicht schwerer als der S450 4Matic mit Allradantrieb und 2180 Kilogramm Gesamtgewicht. Noch größer ist das Erstaunen, als der Audi A8 TDI quattro auf die Waage rollt. Der einstige Leichtbaukünstler mit Alu-Spaceframe ist 50 Kilogramm schwerer als der S 450, was zum größten Teil dem Dieselmotor anzulasten ist. Der V6 TDI mit der verwirrenden neuen Bezeichnung ist dank 210 kW/ 286 PS nicht gerade schwach motorisiert. Im Vergleich zu dem bissigen Mercedes-Benziner wirkt er jedoch merklich träger.

Während der S 450 das kokonartig-Abgekapselte mit einem Kick auf das Gaspedal abschütteln kann, hilft beim Audi auch der Wechsel in den Sportmodus wenig. Der Motor braucht eine Gedenksekunde, um mächtig loszulegen. Beim Ausscheren auf einer vollen Autobahn kann die Verzögerung durchaus nerven. Dafür ist sein Testverbrauch von 6,84 Liter Diesel ein echtes Effizienzwunder. Über 1000 Kilometer mit einer Tankfüllung sind gut möglich. Das schafft kein alternativer Antrieb.

Begriffsstutziges Mercedes-Infotainment

Während der Benz Klassik-Rock aufspielt, mutiert der Audi mit seinem kühlen Raumschiff-Cockpit zur Space Oddity von David Bowie. Das Lied von den Sonderbarkeiten im All hilft, die kulturellen Unterschiede zwischen irdischen Kontinenten zu verstehen: Schon klar, die meisten A8 gehen nach China, wo Menschen am liebsten auf Bildschirme touchen. Doch die unzähligen Fingerabdrücke wirken in der Luxuslimousine nicht nur hässlich, sie sind auch wenig intuitiv. Jedes Mal muss man die Augen vom Straßenverkehr abwenden, um die Heizung oder Lüftung auch nur einen Tick weiterzudrehen. Auch das Zoomen des Bildschirms wird zur Geduldsübung wie in einem Kleinwagen. Merke: Selbst Raumschiffe haben ihre Moden oder, schlimmer noch, ihre Marotten.

Im S 450 ist der Spaß zu Ende, wenn man ein Navigationsziel per Sprache eingeben möchte. Schwer zu verstehen, warum Mercedes das alte, extrem begriffsstutzige Command-System in der S-Klasse trotz Modellüberarbeitung weiterverwendet - und der A-Klasse das neue superkluge Bediensysstem MB UX spendiert. Damit fällt das Mercedes-Topmodell nicht nur gegenüber den Kompaktautos, sondern auch gegenüber dem A8 um Lichtjahre zurück (um im Bild zu bleiben). Nichts wirkt älter als ein Bediensystem von gestern. Vor allem in Chefautos, die mit ein bisschen Ausstattung schnell 130 000 Euro kosten.

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