Unterwegs:So weit die Füße tragen

Kaum hat man den aufrechten Gang erlernt, wird man auch schon undankbar. "Was: Sooo weit soll ich gehen? Zu Fuuuß?" Dabei ist Wandern doch so wunderbar. Reden, denken, schweigen, frei sein. Danach ist man von sich selbst begeistert.

Von Richard Christian Kähler

Kaum hat man den aufrechten Gang erlernt, wird man auch schon undankbar. Und bequem: "Was! Sooo weit soll ich gehen? Zu Fuuuß?" "Wie soll man denn sonst gehen?", antworten coole Eltern dann auf den Protest ihres bewegungsmüden Nachwuchses. Und alles ist ein schöner Traum, was einen endlich vom blöden Zu-Fuß-Gehen-Müssen befreien würde: Fahrrad, Motorrad, ein eigenes Auto gar. Doch wenn Jahrzehnte später ein Knöchel mal böse verknackst war und ein Knie manchmal fies zwickt, ist das öde 'Gehen' auf einmal wieder ein Luxus, den man um keinen Preis missen möchte.

Und scheint es anfangs auch noch ein wenig ungewohnt und unnötig strapaziös zu sein nach all den Büro- und Autositzjahren, kann man dabei in Ruhe über das Stehen und Gehen nachdenken und über das Leben als Wanderung. Fast 40 Millionen Deutsche sind inzwischen wieder Wanderer - allein oder in Gruppen, schnell oder langsam, aber immer ist es gehen, sehen, riechen, spüren. Und es ist: reden, schweigen, denken, oder auch nicht. Und wirklich frei sein für den Moment. Ursprünglicher geht's nicht: Ich Urmensch gehe durch diese Natur über diese Erde. Und der allergrößte Luxus dabei: Wandern ist bewusst verschenkte Zeit.

Mit dem Auto, ja sogar mit dem Rad wäre man schneller am Ziel! Na und? Es gibt ja gar kein Ziel. Weil beim Wandern nun wirklich mal der Weg das Erlebnisziel ist. Und je länger die Strecke, desto länger währt diese so unfassbar unproduktive Freiheit: Gemeinsam kochen, essen, trinken und in Hütten übernachten. Und wunderbar müde einschlafen.

Autofahrten über Tausende Kilometer werden nicht mehr groß beklatscht. Aber ein paar Kilometer fußläufig quer durch den Wald und über die Heide, da dreht man sich am Ende um, schaut zurück und ist von sich selbst begeistert wie selten: Was! Sooo weit soll ich gegangen sein? Zu Fuuuß? - Und der aufbrausende innere Applaus dafür will kein Ende nehmen. Wann wandern wir das nächste Mal?

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: