Unterwegs:Reif auf der Insel

Kaum gibt die Sonne mal wieder ein längeres Gastspiel, erwacht die Lust am Autofahren in den Bergen neu. Doch wer das auf Mallorca ausprobiert, lernt bald die sonnige Gelassenheit der Autobahnen schätzen.

Von Richard Christian Kähler

Kaum lässt sich die Sonne zu einem längeren Gastspiel überreden, ist sie auch schon wieder da, die Lust Autofahren in den Bergen. Besonders, wenn man aus seiner Flachlandheimat weder echte Erhebungen noch Haarnadelkurven kennt. Und der schmale Asphaltstreifen beispielsweise entlang der Flanken und Abgründe der Tramuntana auf Mallorca hin zum Kloster Lluc und weiter nach Pollença schlängelt sich um hunderttausend Felskurven, hinter denen gigantische Touristenbusse mit gruseligen Insektenfühler- Außenspiegeln lauern und für Gänsehaut sorgen, wenn sie in unmöglich scheinenden Passiermanövern einem selbst fast den Rückspiegel abrasieren.

Nach ruhigeren Stunden am Meer die Rückfahrt. Wieder durch diese Berge? Im Dunkeln? Da legt sich die Euphorie schnell. Hier hinter Alcudia beginnt doch die M-13 über Inca nach Palma. Man sieht der mallorquinischen Autobahn ihre Jugend an. Aber ob man will oder nicht, sowie man Gas gibt, steigt die heimatliche Alltagsanspannung im gerade erst entspannten Geist wieder: Autobahn, hmmm. Da muss man schnell fahren. Weil man dringend wo hin muss. Wo man auch pünktlich sein muss. Dreimal muss. Und damit dreimal zu viel für entspannte Urlaubstage frei von Verpflichtungen.

Doch nach ein paar Kilometern merkt man: Wer auf dieser Zweispurigen hier mehr als die eh nur erlaubten 120 fährt, hat es wirklich eilig. Und nicht nur spätpubertären Testosteroneinschuss. Sanft duftende Oleanderbüsche mit Blütenmeeren in Rot und Weiß füllen den gesamten Mittelstreifen, wedelnde Palmen und schwingende Gräser winken sacht von den Seiten her, geruhsam rollt man zwischen weiten Weinfeldern und endlosen Mandelbaumplantagen über die Insel dahin.

"Wie hübsch", seufzt bewundernd die Beifahrerin. "Und ist das nicht eine super gemütliche Autobahn hier?" - Was ich gerade sagen wollte! Wie angenehm. Die alten Vorteile einer Autobahn: Keine Kreuzungen, keine Kurven und keine Monsterbusse von vorn. Und Gemütlichkeit kehrt wieder da ein, wo sie hingehört: ins Gemüt. Ja, so muss es auch damals bei uns auf der Autobahn gewesen sein. Als der VW noch höchstens 110 fuhr.

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