Unterwegs:Parken à la Wurschtegal

Parkplätze sind in unserem Wohnviertel so rar wie Wasser und Brot. Nur manchmal kommt einer daher und tut so, als sei im das alles egal. Und fläzt sein Auto so quer und bekümmert in die Lücke, dass es gleich zwei Plätze belegt.

Von Richard Christian Kähler

Man kann es kaum fassen und muss deshalb immer wieder hinschauen, aber dadurch ändert sich ja rein gar nichts: Seit zwei, ja, drei Tagen schon steht da unten vor dem Haus ein kleiner roter Wagen. Okay, hier in der Straße stehen immer 1001 Wagen dicht an dicht nebeneinander, doch im Moment eben nur 1000. Denn der kleine Rote da parkt so keck und schief auf seinem Platz, dass er damit locker zwei mögliche Lücken belegt.

Ich muss vorausschicken: In unserer Gegend ist ein Parkplatz in der Nähe des eigenen Heims so wertvoll wie Wasser und Brot. Das verschwendet man weder, noch nimmt man es anderen weg. Für jede auch nur halbwegs legale Parklücke scheut man selbst längere Fußwege nicht. Und für einen Autoübernachtungsplatz vor der eigenen Haustür wird hier erst gebetet, dann meist geflucht, weil man ihn so selten bekommt, und am Ende, gedanklich wenigstens, einfach eine Lücke freigebombt. Um nur bitte, bitte endlich den Wagen von der Straße zu kriegen und den eigenen müden Hintern ins Bett.

Umso schlimmer, wenn dann so ein Sozialschädling daherfährt und sich mir nichts, dir nichts einfach mitten rein fläzt. So einer bekommt dann von irgendeinem Nachbarn ein vorgedrucktes A4-Blatt auf die Windschutzscheibe: "Mit Ihrem einen Wagen belegen Sie gleich zwei Parkplätze. Bemerken Sie so was nicht? Oder wollen Sie es nicht sehen? Es ist Ihnen wurscht? Sie sind also gedanken-, bedenken- und rücksichtslos? Oder leiden Sie sogar an sozialer Ignoranz und wissen es nur nicht?" Das ist zwar ziemlich spießig, aber es erfüllt einen doch mit heimlicher Genugtuung, zu sehen, wie eine Dame am roten Sünderwagen das Schreiben in seiner Plastikhülle zu zerreißen versucht und es dann wütend zerknüllt hinschmeißt. Bevor sie wieder so schräg vom Bürgersteig zurücksetzt, wie sie vor Tagen dort hinaufgehopst sein muss.

Und nun parken hier zwischen jeweils zwei Kastanienstämmen wieder genau vier gedecktfarbene Wagen korrekt in Reih und Glied und im rechten Winkel ausgerichtet. Wie sich das gehört. Und plötzlich fehlt einem so was freches Rotes, Anarchisches dazwischen. Komisch eigentlich.

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