Unterwegs mit einem Tandem:Erzwungene Harmonie

Gar nicht so schwer: Schon nach kurzer Zeit fühlt sich ein Tandem vertraut an. Man biegt mit dem immerhin zwei Meter langen Rad lässig ums Eck, die Scheu ist schnell überwunden. Der Kauf des Fahrrads für zwei stellt sich allerdings als wesentlich komplizierter heraus.

Sebastian Herrmann

Auf den ersten wackeligen Metern herrscht noch Leere im Schädel. Die Testfahrt beginnt in der Tiefgarage und es kostet zu Anfang einige Konzentration, das Tandem zwischen Betonsäulen und parkenden Autos flüssig zu wenden. Mit wachsender Sicherheit strampelt sich allerdings langsam eine Frage frei: Warum tauft man ein Tandem auf den Namen Compact? Ein Klapprad, ein Faltrad, irgendetwas Kleines, etwas Handliches, das sind die Dinge, die so einen Namen verdienen. Aber ein Rad, auf dem zwei Menschen hintereinander sitzen, das etwas länger als zwei Meter ist und das man jetzt nicht mal eben so mit in die S-Bahn nimmt oder ins Auto lädt? Nun gut, niemand sollte sich von Namen blenden lassen, heißt das lange Zweipersonen-Zweirad eben Compact. Es soll ja nicht schön klingen sondern schön fahren.

Für den Tandem-Novizen beginnt die Fahrt zu zweit damit, Scheu und etwas Schiss zu überwinden. Erzwungene Harmonie lautet das Schlagwort, unter dem schließlich zwei Menschen den Osten Münchens erkunden. Für den Hintermann ist es ungewohnt, sich ganz dem Steuermann auf der vorderen Position zu unterwerfen. Auf dem vorderen Sattel dauert es auch ein paar Minuten, um sich an den Passagier am blinden Fleck hinter dem Rücken zu gewöhnen. Das Anfahren ist gelegentlich noch etwas wackelig, aber die Fahrt zu zweit beginnt rasch Spaß zu machen.

Gute Ausstattung, viel Fachchinesisch

Das Rad ist mit Kettenschaltung mit umfangreichen Übersetzungen ausgestattet, hat griffige Scheibenbremsen von Avid, die mit Seilzug statt Hydraulikschläuchen bedient werden und bietet angenehme Sitzpositionen. Außerdem verfügt das getestete Modell über einen Dynamo, der sich so wie die klobigen, unzuverlässigen Dinger von einst, direkt an der Felge dreht. Allerdings bewegt sich das kleine Gerät geschmeidig, fast ohne Geräusche und vor allem ohne spürbaren Kraftverlust.

Die Webseite des Herstellers preist diesen Rim-Dynamo mit den folgenden Worten an: Der "Compact-Dynamo ist ein extraleichtes High-End-Lichtkraftwerk für Fahrräder im Miniaturformat. Seine Hard Skills sind extremer Leichtlauf auch bei höheren Fahrtgeschwindigkeiten, minimales Gewicht und hoher Wirkungsgrad für moderne LED Scheinwerfer". Irgendwie scheint es dem Hersteller eher um den nur 60 Gramm schweren und Streichholzschachtel-großen Dynamo als das Tandem zu gehen. Dafür passt das Attribut Compact auch besser - man wird aus der Webseite nicht schlau. Die Seite bietet ein Gewirr an abstrakten Informationen. Es wirkt, als hätten hier Ingenieure eine Buchstabenwüste für Ingenieure angelegt.

Dabei sollte es doch um ein Fahrrad gehen. Nun, das Tandem fährt, es macht Spaß, und der Hersteller bietet Ausstattung und Anfertigung nach individuellen Wünschen der Kunden an. Und da fängt die Verwirrung schon wieder an: Dass der Rahmen in fast 200 verschiedenen Farbtönen lieferbar ist, versteht man noch gut. Dann verliert man sich in endlosen technischen Details, die den Tandemfreund und Techniklaien verwirrt zurücklassen. Sich mit dem Rad selbst und der Fahrt zu zweit anzufreunden, ging wesentlich schneller.

ca. 5000 Euro; www.compact-tandem.com

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