Unterwegs mit Audi A6 3.2 FSI, BMW 530i und Mercedes E320:Die Sache mit der Haaresbreite

Ein Modell-Vergleich der etwas anderen Art: pro Emotion und wider die Schräubchenkunde. Wer die meisten Gefühle weckt...

Von Georg Kacher

Montag, Countdown bei Regen

Dreier-Bande
(Foto: Foto: SZ / Martyn Goddard)

Als erstes rollt der Mercedes E320 auf den Hof, außen schwarz und innen hell, ein Grundvogel ohne Comand, Keyless-Go und Distronic. Nachmittags holen wir den 5er, die Alles-Drin-Version mit Kurvenlicht, Aktivlenkung und Wankstabilisierung. Gegen Abend bringen sie den Audi, des Gewichts wegen ohne Schiebedach, ohne elektrische Sitzverstellung, aber sonst volle Ausstattungsliste, rauf und runter.

Der erste Eindruck ist bestimmt durch Styling und Design. Die E-Klasse wirkt besonders gefällig und sie ist leicht zu bedienen. Der 5er polarisiert, und iDrive ist in dieser illustren Gesellschaft nur die drittbeste Lösung. Der neue A6 mit dem riesigen (Singleframe-)Grill macht innen und außen viel her. Sie sehen das anders? Bitte sehr: Über Geschmack lässt sich wie immer trefflich streiten.

Dienstag, es ist immer noch nass.

Wir fahren die Handling-Strecke, quer durch den Pfaffenwinkel, dann hinüber nach Schwaben, entlang der Iller nach Norden und über Krumbach wieder zurück an den Ammersee. Die Strecke hat alles: schnelle Kurven und langsame Kurven, Bügelbrett-Asphalt und Waschrumpelpisten, enge Ortsdurchfahrten und breite Autobahnen.

Auf diesem schwierigen Parcours ist der Mercedes nur Dritter. Die Avantgarde-Version schafft es, weder besonders komfortabel noch besonders fahraktiv zu sein. Die Lenkung ist ausgesprochen unverbindlich, die Bremsen sind kräftig, aber seltsam passiv, und dem Chassis fehlt eine ausgewogene Feder-Dämpfer-Abstimmung.

Der A6 3.2 FSI hat Quattro, und das hilft nicht nur in engen Kurven, sondern auch beim Einfädeln an Einmündungen und beim Herausbeschleunigen aus Kreisverkehren. Leider ist die Lenkung eine Spur zu leichtgängig, das Eigenlenkverhalten eine Spur zu kopflastig und die an sich überlegene Bremse eine Spur zu giftig.

Während der Audi spröde abrollt und kurze Stöße unwillig abfedert, ist ausgerechnet der sportlich-dynamische BMW erstaunlich komfortabel. Das Fahrwerk erlaubt sich keinen Fehler, die anfangs gewöhnungsbedürftige Aktivlenkung empfindet man am zweiten Tag als genial, und auch an den Bremsen gibt es nicht viel auszusetzen.

Mittwoch, Sie ahnen es: Dauerregen.

Genug Zeit, um die drei Innenräume unter die Lupe zu nehmen. Der Audi ist ein großes Auto: sieben Zentimeter länger als der BMW, zehn Zentimeter länger als die E-Klasse, nur mehr 14 Zentimeter kürzer als der große A8. Doch man kann den Zollstock drehen und wenden, wie man will - weil der Radstand nach wie vor der Konkurrenz hinterherhinkt, kann der Wagen mit den vier Ringen in puncto Raumangebot nur gleichziehen, aber nicht überholen. Einzig und allein beim Gepäckraum gelingt dem A6 (546 Liter) ein hauchdünner Punktsieg gegen 530i (520 Liter) und E320 (540 Liter).

Der Mercedes besitzt das geräumigste Fondabteil, die übersichtlichste Karosserie und die aufwändigsten Sitze. Sie sind beheizt und belüftet, sie pulsieren und bewegen sich elektrisch und die Seitenwangen blasen sich in schnellen Kurven asymmetrisch auf, um der Fliehkraft ein Schnäppchen zu schlagen.

Auch im Audi ist hinten viel Platz, aber die abfallende Dachlinie behindert den Einstieg und man sitzt etwas zu tief auf einer sehr straff gepolsterten Bank.

Der BMW wirkt schmaler und enger als seine Mitstreiter. Das liegt an der hohen Fensterlinie, am voluminösen Gestühl und an der ausladenden Cockpit-Landschaft. Obwohl der neue A6 nicht in jedem Detail so gediegen verarbeitet ist wie sein Vorgänger, führt der Audi in Sachen Anmutung und Materialqualität knapp vor BMW und Mercedes.

Die Sache mit der Haaresbreite

Kleine Stadtpartie

Audi A6

Lang, breit und schwer: der neue A6

(Foto: Foto: Audi)

Etwas später unternehmen wir eine Stadtpartie. Und zwar per Zeigefinger-Zufallsgenerator und per Navi in die Waldhornstraße nach München. Keine Frage: iDrive ist längst besser als sein Ruf, aber die BMW-Software errechnet den langsamsten Weg, die Koordination von Display und Spracheingabe ist immer noch zu kompliziert, und wer unterwegs in ein anderes Menü wechseln möchte, kann sich oft nur über die Escapetaste retten.

Im Benz weist uns statt der farbigen Comand-Landkarte ein einfaches Monochrom-Piktogramm den Weg, der erstaunlicherweise zweimal durch nicht digitalisiertes Gebiet verläuft. Doch abgesehen von diesen kurzen Sendepausen führen uns Bild und Ton ohne Umwege ans Ziel. Am besten funktioniert das MMI im Audi. Es ist schnell, es wählt zumindest in diesem Fall die kürzeste Route, es lässt sich beinahe blind bedienen, und das Zusammenspiel zwischen den Vorwahltasten und dem ausführenden Controller wirkt besonders logisch und intuitiv.

Donnerstag, Ruhetag für Radarfallen - hoffentlich

Denn heute geht es ins Grüne, die Kraft austesten, den Verbrauch checken, den Getrieben auf die Zahnräder fühlen. Nein, das sind keine Sternstunden für den E320 (165 kW / 224 PS, 0-100 km/h in 7,7 Sekunden, 243 km/h, 13,5 l / 100 km im Test). Sein Dreiventiler ist rau und ziemlich laut, das teigige Gaspedal tut nur Dienst nach Vorschrift, und die Fünfstufen-Automatik schlenzt sich selbst im Sportmodus mit Bedacht von Gang zu Gang.

Der BMW kann das besser (170 kW / 231 PS, 0-100 km/h in 7,1 Sekunden, 245 km/h, 12,9 l / 100 km im Test). Er hängt gut am Gas, dreht willig hoch und teilt sein Drehmoment in sechs bedarfsgerechte Portionen. Doch keiner hat soviel Kraft wie der neue A6 (188 kW / 255 PS, 0-100 km/h in 7,1 Sekunden, 250 km/h, 14,0 l / 100 km im Test). Der FSI-Motor ist konsequent auf Leistung getrimmt, er macht vor allem bei höheren Drehzahlen die Pace, und sein Sechsgang-Selbstschalter lässt sich auf Wunsch punktgenau über Wippen am Lenkrad bedienen - das hilft beim Bergabfahren, beim Anbremsen von Kurven und beim Überholen.

Freitag ist Zahltag.

Der Audi 3.2 FSI kostet nackt 40.700 Euro, als Quattro Tiptronic stolze 45.500 Euro. Doch es geht noch teurer: Der BMW 530i steht mit Dynamic Drive, Aktivlenkung und Automatik, aber ohne Allradantrieb (kommt erst 2005) mit 46.600 Euro in der Liste. Mercedes verlangt für den E320 ohne Extras (Automatik ist Serie) 45.066 Euro, als 4Matic sogar 47.502 Euro.

Die Sache mit der Haaresbreite

5er-BMW

Ganz eigene Visage: der 5er-BMW

(Foto: Foto: BMW / dpa)

Na, und?

Unsere letzte Übung ist der beliebte Dreisatz aus Einparken, Aussteigen und Zusammenzählen. Die E-Klasse fällt als erstes durchs Raster. Sie ist hübsch, geräumig und inzwischen sauber verarbeitet, aber das reicht nicht. Denn Antrieb, Lenkung und Bremse arbeiten mit Filter und Weichzeichner, und in der spröden Avantgarde-Version kommt der markentypische Komfort nie so richtig zur Geltung.

Der BMW ist mit Wankstabilisierung und Aktivlenkung unverwechselbar kurvengierig und handlich. Er hätte beinahe gewonnen, doch der hohe Aufpreis relativiert den Dynamik-Bonus, das Design irritiert und die Bedienung konsterniert.

Wenn der Audi besser federn und dämpfen würde, wäre dieses Gipfeltreffen schon früh entschieden gewesen. Aber die falsch verstandene und teilweise schlecht interpretierte Sportlichkeit kostet Punkte. Dass es am Ende trotzdem reicht, verdankt der A6 der Summe seiner Eigenschaften. Die Kombination aus FSI, Quattro und Tiptronic bildet den überzeugendsten Antrieb, dazu kommen das hochklassigste Interieur und das beste Bediensystem. Ein knapper Sieg nach Punkten.

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