Unterwegs:Baumelndes Wunder

Kaum jemand weiß, was wir Rob Johnson aus Watertown im US-Bundesstaat New York zu verdanken haben - dabei hängt es in so vielen Autos.

Von jörg reichle

Große Ursache, kleine Wirkung. Die wenigsten von uns wissen vermutlich, was wir Rob Johnson aus Watertown im US-Bundesstaat New York zu verdanken haben. Von dem nämlich erzählt die Legende, er sei eines heißen Morgens im Frühjahr 1950 mit vier Schweinen auf der Ladefläche seines Pick-ups zum weit entfernten Metzger gefahren. Und die Schweine quiekten und stanken fürchterlich. Eine Hölle auf Rädern. So sei, heißt es, die Idee zum Wunderbäumchen entstanden. Für Spätgeborene und Ignoranten sei an dieser Stelle erklärt: Wunderbäumchen sind diese kleinen Kartondinger, gute zehn Zentimeter hoch und drei Millimeter dick. An putzigen Schnürchen befestigt, schaukeln sie weltweit an Millionen Innenspiegeln. Dabei verströmen sie die unterschiedlichsten Düfte - nach unbestätigten Zählungen sollen es an die 40 Aromen sein, die unter anderem auf so exotische Namen wie Zauberduft, Everfresh oder Wilde Frische hören.

Und auch, wenn die zeitweise herrschende Wunderbäumchen-Manie inzwischen ihren Höhepunkt überschritten hat: Gemessen an dem anderen Zeugs, was es als Zubehör fürs Auto gibt, Felgen und Navis und so Sachen, ist der Wunderbaum ein echter Renner, wenn man so sagen darf. Das freut nicht alle. Erst neulich im Taxi schaukelte mal wieder so ein Ding. Es mag an der frühen Stunde gelegen haben, aber mein Magen war noch nicht auf bleischwer wabernden Vanilleduft eingestellt. Außerdem führt das duftende Tännchen im Auto eines starken Rauchers einen so verzweifelten wie erfolglosen Kampf um seine Selbstbehauptung. Und auch der exzessive Genuss von Knoblauch ist eher ein Fall für die Teufelsaustreibung als für den Wunderbaum. Das zog in meinem Fall einen schier unwiderstehlichen Würgereiz nach sich und führte zu einem fluchtartigen Verlassen des duftgefluteten Beförderungsautomobils. Womit zumindest bewiesen ist, dass zumindest nicht jeder Duft für jeden Mitfahrer die Eintrittskarte ins olfaktorische Paradies bedeutet. Für den einen oder anderen nimmt er es im Habitus einer gewissen miefigen (sic!) Kleinbürgerlichkeit auch durchaus mit dem Wackeldackel oder dem gehäkelten Klorollenüberzug auf. Und das alles wegen Bauer Johnson und seinen Schweinen.

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