Umweltzonen:Deutsches Farbenspiel

Mit welchem Auto darf man in welche Stadt fahren? Die unterschiedlichen Umweltzonen in derzeit 40 Städten weben einen verwirrenden Flickenteppich. Und dazu gibt es eine Fülle von Ausnahmen.

Wolfgang Roth

In Sten Nadolnys Buchdebüt, einer Erzählung mit dem Titel "Netzkarte'", fährt ein junger Mann einen Monat lang mit der Bahn kreuz und quer durch Deutschland. Er lernt dabei, komplizierte Fahrpläne zu deuten und macht streckenweise amouröse Bekanntschaften.

Wer eine solche Tour mit dem Auto unternimmt, lernt weniger Leute kennen, macht aber Bekanntschaft mit Zonengrenzen, die er nicht an jedem Ort überschreiten darf. Es kommt ganz darauf an, ob an der Windschutzscheibe seines Autos eine Plakette klebt, und welche Farbe sie hat.

Ist sie etwa rot? Ganz schlecht! Dann verbietet ein Verkehrsschild die Einfahrt in die Umweltzonen von Berlin, Hannover, Bremen, Neu-Ulm und Frankfurt am Main. Ist sie gelb? Dann kommt es sehr auf den Zeitpunkt der Reise an.

Bis Ende 2012 werden 40 bundesdeutsche Kommunen alle Autos aussperren, die keine grüne Kennung tragen, und weitere werden ihrem Beispiel folgen. Die Planung einer Bildungsreise durch die schönsten, spannendsten Orte des Landes nimmt dann so viel Zeit in Anspruch wie das Studium eines Kursbuches.

Vor allem die Gäste aus dem Ausland kann das überfordern, sie machen Bekanntschaft mit dem Föderalismus auf der untersten Ebene.

Schon wahr: Es hat sein Gutes, dass der Bürger, der Souverän, über vieles in seiner unmittelbaren Umgebung entscheiden kann. Als die Stadträte unter dem Druck der Europäischen Union endlich zur Kenntnis nahmen, dass alljährlich Zehntausende Menschen wegen des auch vom Autoverkehr verursachten Feinstaubs vorzeitig sterben, waren sie weitgehend so frei, selbst Zeitpunkt und Ausgestaltung der Gegenmaßnahmen festzulegen.

Aber muss deshalb ein derartiger Flickenteppich herauskommen?

Fülle von Ausnahmen in jeder Stadt

Es hätte nichts dagegen gesprochen, landesweit koordinierte Zeitpläne für das schrittweise Verschärfen der Zugangsbedingungen zu entwerfen und in den Kommunen für sie zu werben. Apropos Flickenteppich: In Dortmund existiert in der Brackeler Straße eine Umweltzone auf 300 Meter Länge - angesichts der Tatsache, dass Feinstaub über große Strecken verfrachtet wird, ein Kuriosum.

Vollends unübersichtlich wird die Rechtslage, weil in jeder Stadt eine Fülle von Ausnahmen existiert, die die Einfahrt trotz veralteter Motortechnik ermöglicht. In der Koalitionsvereinbarung von Union und FDP steht, dass die Bundesregierung diesen Verhau beseitigen und einheitliche Kriterien aufstellen wolle. Das ist auch nötig. Es gibt überall Härtefälle, aber keinen Grund dafür, den Bürgern an einem Ort jenes Sonderrecht zuzugestehen, das denen andernorts verwehrt wird.

Und was den Umfang der Ausnahmeregelungen angeht, so gilt das, was im Grundsatz für die Umweltpolitik allgemein zutrifft: Ordnungsrecht, das niemandem wehtut, kann leider auch nichts bewirken.

Im Koalitionsvertrag steht zudem, dass Einfahrtsverbote dort gelockert werden sollten, wo die Einschränkungen in keinem vernünftigen Verhältnis zur Reduzierung des Feinstaubs stünden. Daraus spricht eine gewisse Skepsis über den Sinn der Umweltzonen.

Diese Skepsis ist aber umso weniger begründet, als Städte stufenweise dazu übergehen, nur mehr Autos hereinzulassen, die immer sauberer werden. Die Belastung durch Staubpartikel ist zwar stark von Wetterlagen abhängig, die heilsame Wirkung der Umweltzonen wird aber durch die nach und nach geplanten Verschärfungen immer klarer. Zudem treten mit Jahresbeginn neue EU-Grenzwerte für die ebenfalls gesundheitsschädlichen Stickstoffoxide in Kraft, und die sind nur einzuhalten, wenn zumindest die ältesten Dieselfahrzeuge ausgesperrt werden.

Das Farbenspiel geht also noch ein paar Jahre weiter. Wer sich auf Reisen den Flickenteppich von Umweltzonen ersparen will, der kann sich an Nadolnys "Netzkarte" orientieren. Es winken interessante Bekanntschaften.

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