Turn-e Speedster:Der Auftrag war: "Bau mir ein geiles Auto"

Der Elektro-Speedster der Münchner Firma Turn-e sieht aus wie ein alter Porsche. Aber statt typischem Knattern verbreitet sein Motor wohltuende Stille.

Von Felix Reek

"Der Spielraum für Designer ist heute gering", sagt Christian von Hösslin. "Deswegen sehen Autos auch alle gleich aus." Er seufzt und deutet auf den Porsche Speedster neben ihm: "DAS ist ein Auto mit Charakter!" Hösslin, 51 Jahre, ist eigentlich selbständiger Grafiker. Doch ins Schwärmen kommt er nur, wenn es um Elektromobilität geht. Vor neun Jahren gründete er zusammen mit seinem Partner Edgar Sensen in der Nähe von München Turn-e. Das Unternehmen begann mit dem Umbau von Smarts in Elektroautos, lange bevor es Mercedes selbst tat. Als die Stuttgarter mit einem eigenen Modell nachzogen, konzentrierte sich Turn-e auf Liebhaberstücke. Wie den Porsche Speedster. Der sieht von außen aus wie ein herkömmlicher Oldtimer, im Heck ist aber ein Elektromotor verbaut.

Ursprünglich entstand der elektrifizierte Sportwagenklassiker als Auftragsarbeit. Sven Bauer, Chef des Batterieherstellers BMZ, will ein möglichst auffälliges Showcar für die Fachmesse Elektronica. "Bau mir ein geiles Auto", schreibt er 2012 nachts in einer E-Mail, erzählt Hösslin. Das "geile Auto" soll zeigen, was technisch möglich ist und maximale Aufmerksamkeit erzeugen. Für Hösslin ist klar, dass das nur ein Oldtimer sein kann: der Speedster. "Das ist ein Auto, das nicht polarisiert. Jeder sieht damit lässig aus", sagt er. Praktischer Nebeneffekt des Porsche: Er besitzt kaum Elektronik, was den Umbau erleichtert.

Natürlich verwendete Turn-e kein Original für sein Projekt. Zwischen 1955 und 1959 wurden nur etwa viertausend Porsche 356 Speedster gebaut, unter 250 000 Euro ist auf dem Oldtimermarkt kaum ein Exemplar zu finden. Hösslin und Sensen nutzten stattdessen originalgetreue Replikas aus den Vereinigten Staaten und Großbritannien.

Penible Authentizität

Das Ergebnis unterscheidet sich kaum vom echten Sportwagenklassiker. Rotes Leder, Rundinstrumente, eine Marke an der rechten Seite der Armatur mit der Aufschrift "Deutsche Sportwagenmeisterschaft": Bei der Replika wurde penibel auf Authentizität geachtet. Nur der Schaltknüppel ist ohne Funktion. "Sonst wäre da ein Loch im Boden", so Hösslin.

Das Fahrgefühl ist klassisch und hat nichts mit modernen Autos zu tun. Eine Servolenkung gibt es nicht. Wer den "El Speedster" genannten Sportwagen von Turn-e in die Kurven steuert, braucht Muskelkraft. Das Gleiche gilt für die Bremse. Um den Sportwagen zum Stehen zu bringen, muss man das Pedal mit viel Kraft gen Boden stemmen. Und über 1,85 Meter sollte der Fahrer auch nicht groß sein. Sonst schaut er beim Blick nach vorn vor allem auf die Kante der Windschutzscheibe des Cabrios.

Im Gegensatz zum laut knatternden Benzinmotor des Original-Speedster ist der Turn-e aber vollkommen lautlos. Nur das Abrollen der Reifen und der Wind sind zu hören, wenn das Cabrio stufenlos auf bis zu bis zu 200 km/h beschleunigt. Den Sprint auf Tempo 100 schaffen die 136 elektrischen PS in sieben Sekunden. Möglich ist das durch die konsequente Leichtbauweise. Das Chassis aus Glasfaser-verstärktem Kunststoff wiegt gerade einmal 450 Kilogramm. Mit den Komponenten für den Motor und die Batterien kommt der El Speedster auf ein Gesamtgewicht 850 Kilogramm. Bei einer Reichweite von bis zu 340 Kilometern. Ein Wert, von dem die meisten etablierten Automobilhersteller bisher nur träumen können. Ein BMW i3 zum Beispiel schafft etwa die Hälfte.

Jeder Oldtimer lässt sich umbauen

Nach dem gleichen Prinzip lässt sich theoretisch jeder Oldtimer umrüsten. Verbrennungsmotor, Tank, Auspuff usw. werden entfernt und der Elektromotor mittels Adapterplatte an das vorhandene Getriebe geflanscht. In manchen Autos behält man die Schaltung, bei anderen wird sie im dritten Gang fixiert. Ein Kunde lässt sich so gerade einen Mercedes W124, ein Vorläufer der E-Klasse aus den 80er-Jahren, umbauen. Dabei wird jedes der vier Räder des W124 von einem einzelnen Elektromotor angetrieben. Kostenpunkt: "Ein niedriger sechsstelliger Betrag", so Christian von Hösslin. Eine enorme Summe. Doch Hösslin wiegelt ab und sagt: "Bei dem Kunden steht Geld nicht im Vordergrund. Dem macht es Spaß, so etwas zu fördern und zu wissen, dass man es nicht beim Händler bekommt."

Auftragsarbeiten wie diese ermöglichen es dem kleinen Unternehmen, die eigenen Projekte voranzutreiben. Aktuell arbeiten sie bei Turn-e an einer neuen Plattform, an die unterschiedliche Chassis angepasst werden können. Aus dem Speedster wird dann zum Beispiel eine Shelby Cobra, ein Lamborghini Miura oder ein Porsche 904. Einziges Manko: Auch der neue Sportwagen wird teuer. Bereits der aktuelle El Speedster kostet 230 000, der geplante 904 könnte es auf 470 000 Euro bringen.

Den großen Herstellern macht man so natürlich keine Konkurrenz. Das will das Unternehmen aber auch nicht. "Wir könnten mit denen preislich gar nicht konkurrieren", erklärt Hösslin. Stattdessen konzentriert sich Turn-e auf Einzelanfertigungen. Ihren Kunden sei ein Tesla schon zu sehr Establishment, erklärt Hösslin. "Wir sind die Möbelschreiner", sagt er. "Die Autoindustrie ist Ikea."

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