Autotuning:Wenn Städte die Autotuner aussperren

Honda Civic auf der Tuning World Bodensee in Friedrichshafen

Getunte Autos wie dieses (bei einer Tuning-Messe in Friedrichshafen) kollidieren an Karfreitag durchaus mit christlichen Werten.

(Foto: obs)

Mit dem "Carfreitag" feiert die Tuningszene ihren Saisonauftakt. Einige Gemeinden fürchten nun um Ruhe und Sicherheit. Aber ist das fahrende Volk wirklich so gefährlich?

Von Josef Kelnberger

Man hätte sich den Reiz des Autotunings gern von ihnen persönlich erklären lassen, hätte sich Tipps geholt, wie der lahme Golf ein wenig aufzumotzen wäre. Aber sie ließen das vereinbarte Gespräch in Singen (Hohentwiel) platzen. Die Lage sei schwierig, sagen sie. Denn die Stadt in der Nähe des Bodensees ist zum Kampfplatz geworden.

Tuner in ganz Deutschland wollen den Karfreitag zum Carfreitag machen. Es ist ja sonst nichts los, und das Wetter ist in der Regel auch schön. Also treffen sie sich, um zu bestaunen, was den Winter über so geschraubt und gebastelt wurde. Sie trinken das eine oder andere Bier und geben ein ganz klein wenig Gas, nach dem Motto: Zeige deine Karre!

Stadtverwaltungen und Polizei in ganz Deutschland wiederum wollen den Leuten, die ihre Straßen und Plätze von Frühling bis Herbst belagern und Anwohnern auf die Nerven gehen, am Karfreitag zeigen, was eine Spaßbremse ist.

Für Brandenburg kündigt die Polizei verstärkte Präsenz und Geschwindigkeitskontrollen an. In Paderborn werden die Autotuner auf Basis des nordrhein-westfälischen Feiertagsgesetzes ausgesperrt. In Taucha, Sachsen, verhängte man eine "Allgemeinverfügung", um die Tausenden Tuner aus ganz Mitteldeutschland fernzuhalten, die immer wieder dort einfallen. Ähnlich verfährt die Stadtverwaltung in Singen. Erlassen wurde, wie schon vergangenes Jahr, eine "Allgemeinverfügung nach den Paragrafen 1 und 3 des baden-württembergischen Polizeigesetzes": Tuner müssen draußen bleiben. Es geht um Abwehr von Gefahren für das Gemeinwesen, um öffentliche Sicherheit und Ordnung. Drängt sich die Frage auf: Ist dieses fahrende Volk wirklich so gefährlich?

Früher vergnügten sich die Tuner im Einvernehmen mit der Polizei

Singen verfügt über ein großes Industriegebiet mit breiten Straßen und Verkehrskreiseln, durch die es sich gefährlich gut driften lässt. Fahrradfahrern gefällt das weniger. Es soll auch schon Handgreiflichkeiten zwischen Tunern und genervten Anwohner gegeben haben. Erschwerend kommt hinzu, dass als Problempiloten viele Schweizer identifiziert werden. Die alteingesessenen Tuner aus Singen vergnügten sich meist im Einvernehmen mit der Polizei. Doch nun, so heißt es, fahren immer mehr Schweizer über die Grenze, um mal so richtig die Sau rauszulassen.

Die Polizei hat jeden Freitag jede Menge zu tun, um die Tunertreffs zu bändigen. Massive Kontrollen, erhöhte Bußgelder, Tempo 30, jeden Freitag von März bis Oktober. Einer der Kreisel wird dann für den Verkehr gesperrt, Anwohner sprechen Hausverbote aus, damit Parkplätze nicht mehr genutzt werden können. Als vor einigen Wochen die Saison 2017 begann, vertrieb die Polizei die Tuner mit großem Aufgebot. Auf der Autobahn A81 wurden sie dann ausgiebig geblitzt. Der Rekordhalter fuhr im Baustellenbereich 184 km/h. Erlaubt waren 80.

Aber ein deutscher Strafbefehl ist für einen Fränkli-Bürger bloß Pipifax, oder?

Waghalsige Eidgenossen-Rennen auf der Autobahn

Schweizer Autofahrer haben keinen guten Ruf im Süden Deutschlands. Immer wieder wird von waghalsigen Eidgenossen-Rennen auf den Autobahnen berichtet, in Singen sollen es vor allem die Schweizer sein, die Stunts vorführen. Gegenüber dem Newsportal 20 Minuten gab ein anonymer Schweizer Tuner der deutschen Polizei Mitschuld an der eskalierenden Lage. Recht rücksichtslos gehe sie vor. Zudem sei es ungerecht, die Schweizer über einen Kamm zu scheren, wurde der Mann aus Schaffhausen zitiert. Die Zürcher und die Luzerner seien die Hasardeure. Die würden sogar Rennen veranstalten, bei denen der Fahrzeugbrief als Einsatz hinterlegt werde.

Grenzen auszuloten gehört zur zweifellos zur Faszination des Tunings. Das wurde deutlich, als die nordrhein-westfälische Szene am vergangenen Wochenende ihr Frühlingserwachen presented by GeilsteKarren feierte. Schauplatz war der Flugplatz Meinzerhagen im Sauerland. Man zählte etwa 7000 Tuningfreaks, 1700 geile Karren, vom Fiat 126 bis zum Audi R8, und natürlich das eine oder andere Polizeiauto samt Besatzung.

Das Autotuning ist wieder trendy

Die Polizisten schienen ihren Spaß zu haben, jedenfalls liest sich die Pressemitteilung so: 82 Mal Erlöschen der Betriebserlaubnis. Achtmal Weiterfahrt untersagt. 260 Geschwindigkeitsverstöße, Spitze: 129 bei erlaubten 70 km/h. Vier Strafanzeigen, davon: "1x Beleidigung eines Polizeibeamten durch Zeigen des Mittelfingers". Was den Beamten fast zu imponieren schien: Ein Fahrzeug sei derart tiefer gelegt gewesen, dass es eine 3,5 Zentimeter hohe Taschenlampe nicht mehr habe überfahren können.

Manta, Manta. Das Autotuning, einst verschrieen als Domäne von Prolls, ist wieder trendy, über das Internet haben die Tüftler zu einer Massenbewegung zusammengefunden. Es ist eine Männer-Domäne, nach wie vor, dieses emsige Schrauben und Basteln.

Die Singener Bürgermeisterin Ute Seifried wird an diesem Karfreitag gemeinsam mit OB Bernd Häusler in der Stadt nach dem rechten sehen. Die ursprüngliche Singener Tuner-Szene habe ihr durchaus gefallen, sagt sie. Aber mittlerweile würde es bei den Treffs in der Stadt nur noch so wimmeln von "arroganten Nobel-Tunern", und zwar nicht nur aus der Schweiz, die gar nicht mehr selbst Hand anlegen an ihren Karren. "Macho-Getue", sagt die Bürgermeisterin. "Ich weiß gar nicht, wem diese Männer etwas beweisen wollen."

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