Tucker Torpedo:Der gescheiterte Traum

Vor 60 Jahren kam der Tucker Torpedo auf den Markt - ein revolutionäres Auto. Es scheiterte - aber viele der Innovationen von einst finden sich noch heute in aktuellen Modellen.

Günther Fischer

Die richtige Idee zu richtigen Zeit. Das klingt einfach, es gelingt aber längst nicht immer oder jedem. Preston Tucker jedenfalls, ein genialer Tüftler aus Capac, Michigan, wollte nichts Geringeres als "das beste Auto der Welt bauen". Den Wagen, den Tucker dann völlig in Eigenregie konstruierte, nannte er Tucker Torpedo - und sein zentrales Interesse als Konstrukteur war es dabei, die Risiken des Autofahrens zu minimieren.

Tucker Torpedo: Der Bequemlichkeit zuliebe: Türen, die sich gegenläufig öffnen.

Der Bequemlichkeit zuliebe: Türen, die sich gegenläufig öffnen.

(Foto: Foto: oH)

Das Ergebnis: einer der fortschrittlichsten Personenkraftwagen seiner Zeit - mit technischen Finessen und Ideen, die sich als so wegweisend und so visionär erwiesen, dass sie zum Teil erst viele Jahrzehnte später in die Massenherstellung von Autos einfließen sollten und sich noch heute in aktuellen Modellen wiederfinden.

So hatte der Tucker Torpedo zum Beipiel bereits Sicherheitsgurte und eine Windschutzscheibe, die bei einem Aufprall keinerlei Gefahr für die Insassen darstellte, weil sie aus splitterfreiem Glas hergestellt war. Auch Hebel und Bedienungselemente waren quasi verletzungsfrei konstruiert - Tucker integrierte sie in ein gepolstertes Armaturenbrett. Ein mittig in der Fahrzeugfront angebrachter Scheinwerfer, das sogenannte "Zyklopenauge", schwenkte in den Kurven mit - es ist quasi ein früher Vorläufer des heute so aktuellen aktiven Kurvenlichts. Dazu kamen Einzelradaufhängung (!), Scheibenbremsen, eine 24-Volt-Bordelektrik und der Einsatz von Gummi bei der Federung.

Auch die Motorisierung des für 2450 Dollar angebotenen Wagens war für das Jahr 1948 erstaunlich und machte den Tucker Torpedo stark und schnell: Nach Fehlversuchen mit einem zu schweren 9,7-Liter-Boxermotor kam schließlich ein 168 PS starker 6-Zylinder-5,5-Liter-Heckmotor eines Hubschraubers zum Einsatz. Allerdings legte Tucker auch hier Hand an: Er verdedelte den Motor mit einer hydraulischen Ventilsteuerung kam zum Einsatz und einer Benzineinspritzung.

Der gescheiterte Traum

Auch die Kraftübertragung war erstaunlich: Der Boxermotor befand sich im Heck und über einen Drehmomentwandler wurde je ein Hinterrad direkt angetrieben. Das Getriebe selbst verfügte dabei über eine Art Frühform der Automatik - eine elektromagnetische Vorwahl und eine Flüssigkeitskupplung.

Tucker Torpedo: Die Werbeanzeige zum Start der Produktion.

Die Werbeanzeige zum Start der Produktion.

(Foto: Foto: oH)

Tucker, und das erwies sich letztlich als sein großes Problem, war zwar ein hervorragender Ingenieur, aber leider ein schlechter Geschäftsmann. Auch sah er sich den Verleumdungen der großen amerikanischen Konkurrenten wie Ford, General Motors und Chrysler ausgesetzt, die mit Kampagnen den Siegeszug des Tucker Torpedo zu stoppen versuchten - sie witterten in ihm eine große Gefahr für die eigenen Produkte. In diesen Kampagnen wurde unter anderem argumentiert, ein Auto, das Sicherheitsgurte nötig habe, könne nicht sicher sein.

Tuckers Werk geriet bald in finanzielle Turbulenzen, mit der Folge, dass die Zulieferung von Bauteilen stockte. Seine Versuche, Geld aufzutreiben, verliefen unglücklich und unprofessionell - mit der Folge, das Preston Thomas Tucker der Steuerhinterziehung von 30 Millionen US-Dollar angeklagt wurde. Die Finanzbehörde stoppte die Produktion und schloss das Tucker-Werk. Vor Gericht wurde Preston Tucker zwar von allen Vorwürfen freigesprochen, doch es war zu spät für einen Neuanfang: Der starke Raucher erkrankte an Lungenkrebs und verstarb 1956 - angeblich mitten in der Entwicklung eines neuen Autos.

In der Zeit von Januar 1947 bis Juli 1948 wurden also in einem ehemaligen Flugzeugmotorenwerk in Cicero, Illinois, nur 50 Fahrzeuge gefertigt. Vier existieren nicht mehr, 25 sind in Privathand und 21 in Museen, Ausstellungen oder Sammlungen erhalten. Francis Ford Coppola, der das Scheitern des tragischen Visionärs Tucker 1988 mit Jeff Bridges in der Hauptrolle verfilmte, besitzt ebenfalls einige Modelle.

Und - als Beweis für "das beste Auto der Welt": Alle 46 erhaltenen Exemplare des Tucker Torpedo sind bis heute absolut fahrtüchtig.

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