Trends bei Autofarben:Mut zur Farbe

VW Polo Harlekin

So wilde Farbmischungen wie beim VW Polo Harlekin aus den Neunzigerjahren haben sich nicht durchgesetzt.

(Foto: Volkswagen AG)

Seit Jahrzehnten dominieren schwarze, weiße und silberne Autos Deutschlands Straßenbild. Dabei zeigt der Rest der Welt bereits, wo es farblich lang geht. Farbforscher sind fleißig dabei, die neuen Trends aufzuspüren.

Apple ist an allem schuld. Nachdem Weiß als Autolack seit Ende der achtziger Jahre "out" war, holt die eigentliche Nicht-Farbe seit Jahren rasant auf. Weltweit wurden 2013 laut einer Erhebung des amerikanischen Autolackherstellers Axalta die meisten Autos in Weiß geordert: 22 Prozent in Uniweiß, sieben Prozent in Perlweiß. Schuld daran ist der iPod, den Apple anfangs überwiegend in Weiß verkaufte. Seitdem steht die Farbe für cooles Design und technischen Fortschritt.

Zuerst entdeckten die Autokäufer in Nordamerika das Weiß wieder, dann sprang der Trend nach Asien über. Inzwischen ist er auch in Europa angekommen. Zwar liegt in Deutschland noch Schwarz (28,4 Prozent) vor Silber und Grau (27,9 Prozent), aber Weiß ist auf dem Vormarsch. 18 Prozent aller verkauften Neuwagen tragen zurzeit eine weiße Lackierung. Zum Vergleich: 2006 waren es nicht einmal zwei Prozent.

Seriös, gediegen und edel

Der große Anteil der Geschäftsautos verstärkt den Effekt, dass neutrale Farben wie Weiß, Schwarz, Grau und Silber etwa drei Viertel des globalen Automarktes abdecken. Diese Farbtöne erscheinen seriös, gediegen und edel. Die Kunden haben zudem meist schon beim Neuwagenkauf den Wiederverkaufswert im Auge. Die Statistiken der gängigen Gebrauchtwagenportale zeigen, dass Autos in neutralen Farben die besseren Erlöse bringen. Rot oder Blau drücken vor allem bei größeren Modellen den Preis und Ausgefallenes wie Türkis oder Lila macht selbst einen Porsche nahezu unverkäuflich.

Farbforscher Mark Gutjahr von BASF

Mark Gutjahr von BASF Coatings spürt die neuen Farbtrends im Autobau auf.

(Foto: BASF)

Doch wie steht es bei so viel Grau und Schwarz mit dem Seelenheil eines Designers für Autofarben? "Die Designer-Seele erfreut sich auch an einem tollen Grau", sagt Mark Gutjahr, Design-Chef Europe bei BASF Coatings, einem der größten Zulieferer von Autolacken: "Aber ich bin zuversichtlich, dass eine Veränderung stattfindet - es wird sicherlich bunt auf Deutschlands Straßen." Alleine BASF Coatings präsentierte für dieses Jahr 65 neue Farben, vor allem Grüntöne.

So wird man Farbdesigner in der Autobranche

Mark Gutjahr ist seit 2005 bei BASF und bekleidet seit 2011 seine jetzige Position. Um einen der wenigen Jobs in der Branche zu ergattern, sei ein langer Atem hilfreich, sagt der Trendforscher. Einen klassischen Karriereweg in die Farblabors gebe es nicht. "Ein Designstudium und das Interesse für Autos und Farben sind natürlich eine gute Grundlage", sagt Gutjahr. "Außerdem eine gute Intuition, schnelle Auffassungsgabe, ein sehr gutes Gespür für Farbe, deren Kombinationen und Proportionen."

Gutjahr erzählt, dass er und seine Kollegen im Auftrag der Autofarben permanent unterwegs seien: "Auf Möbel- und Textilmessen, beobachten die Kunstszene oder was sich in der Architektur tut. Zudem analysieren wir die gesellschaftlichen Veränderungen und versuchen, ein Gespür für den Zeitgeist zu entwickeln. Wir machen also keine Trends, sondern übersetzen die Beobachtungen in konkrete Farbvorschläge - die dann Jahre später auf den Autos hoffentlich den richtigen Ton treffen."

Vor allem Kleinwagen sind bunt

Seat Ibiza in Grün

Grün ist auf dem Vormarsch: Immer mehr Autohersteller bieten schicke Grüntöne für ihre Autos an - wie Seat beim Ibiza.

(Foto: Seat)

Ein Trend geht zu zweifarbigen Autos, gerade bei Kompakt- und Kleinwagen. Mini Cooper, Opel Adam, Fiat 500, Suzuki Swift oder Smart haben ein jüngeres, experimentierfreudigeres Publikum als die gesetzteren Business-Limousinen. Das nutzt die Möglichkeiten, ein Auto über die Farbe zu individualisieren. Designer mögen das Spiel mit zwei Farben, da Autos, die sonst eher banal aussehen, durch die Zweifarbigkeit raffinierter und auffälliger wirken. Dem Marketing kommt der Trend zur Zweifarbigkeit gerade recht: So lässt sich - wie bei Opel - ein eher biederes und konservatives Image aufpolieren. Laut Gutjahr geben bunte Farben "Identität, je nach Farbton auch Individualität und damit Charakter - dem Auto und dem Fahrer."

Die Farbenmischer von BASF versuchen, hinter die tiefere Bedeutung der Farbentrends zu kommen. Dass Grüntöne in Europa sowie in den USA und in Asien auf dem Vormarsch seien, habe damit zu tun, dass sich ein Wertewandel abzeichnet. Grün symbolisiere ein Öko-Image, zudem "Einfachheit und Verantwortung, aber auch Harmonie und Balance". In den USA seien gelbliche Töne wie "Lemon" en vogue, die "den Optimismus in Nordamerika unterstreichen".

Lack, der sich selbst heilt

Bei den Entwicklungen in den Labors geht es um mehr als die Farbe. Zunehmende Bedeutung bekommt das Veredeln der Lacke etwa durch funkelnde Effektpigmente. Statt wie üblich 100 bis 300 Nanometer groß, sind die Pigmente etwa im Alu-Beam-Lack von Mercedes-Benz auf 30 bis 50 Nanometer geschrumpft, um eine glattere und ebenmäßigere Oberfläche zu erreichen.

Außerdem werden die Lacke "intelligenter". So mischen die Chemiker etwa Farben, die je nach Lichteinfall von dunkel zu hell wechseln. Selbstheilende Reflow-Lacke reparieren kleine Kratzer selbst. Lack, der in seiner Struktur der Haifischhaut nachempfunden ist, soll Autos windschlüpfriger machen.

Range Rover Evoque in roter Lackierung.

Rote Autos sehen nicht nur schneller aus, sie hören sich auch lauter an.

(Foto: Jaguar Land Rover)

Die Wahl der Autofarbe sagt nach Meinung von Farbpsychologen etwas über den Fahrzeugbesitzer aus. Wer ein weißes Auto fährt, gilt als unauffällig und sensibel, als zurückhaltend, pflichtbewusst und immer im Einklang mit der Straßenverkehrsordnung. Schwarze Autos wirken schwer und solide, ihre Fahrer selbstbewusst und erfolgreich. Wer ein blaues Auto fährt, gilt als zuverlässig, vorausschauend, aber phantasielos.

Dunkelgrün suggeriert Traditionsbewusstsein und Statusdenken, Gelb Optimismus, Individualismus und den Wunsch, aufzufallen. Rot-Fahrer lieben es demnach sportlich und impulsiv, sind kontaktfreudig und möchten ebenfalls auffallen. Ein rotes Auto wird alleine wegen der Farbe als schneller eingestuft als das gleiche Fahrzeug etwa in blauer Lackierung.

Das Ohr sieht mit

Aber nicht nur über die Augen wirken Autofarben auf die Wahrnehmung: Das Ohr sieht mit. Wissenschaftler des CAR-Center Automotive an der Universität Duisburg-Essen haben in einem Experiment sieben identische Ford Fiesta mit gleichem Tempo an Testpersonen vorbei fahren lassen. Einziger Unterschied der Autos: die Farbe. Der Wagen in Rot wurde als am lautesten und mit dem sportlichsten Klang bewertet. Als akustisch relativ unangenehm wurden die blauen und silbernen Fiesta empfunden. Träge und schwach kam den Testpersonen der Sound es silbernen Fahrzeuges vor.

Glaubt man einer Studie der britischen Handelskette Halfords, dann haben neben Menschen auch Vögel Lieblingsfarben - und Farbtöne, die sie gar nicht leiden können. Ihre Abneigungen vermerken die Tiere zielgenau durch eine ätzende Signatur auf dem Lack.

Der Studie zufolge trifft es vor allem rote Autos - sie wurden in 18 Prozent der Fälle von den Vögeln markiert. Dunkelblaue Autos traf es in 14 Prozent, schwarze in elf Prozent. Am besten kamen weiße (sieben Prozent), graue oder silberne (drei Prozent) Wagen davon. Insofern scheinen die deutschen Autokäufer das richtige Gespür zu haben. Genau wie die Trendforscher: Grüne Autos wurden nur in einem Prozent der Fälle als Vogeltoilette missbraucht.

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