Toyotas Brennstoffzellenauto:Ein Ingenieurstraum wird Wirklichkeit

Brennstoffzellenauto von Toyota

Toyota will schon 2015 sein erstes Brennstoffzellenauto auf den Markt bringen.

(Foto: dpa-tmn)

Als einer der ersten Autohersteller bringt Toyota ein Auto mit Wasserstoffantrieb auf den Markt. Und das zu deutlich günstigeren Preisen als bislang angenommen. Plötzlich steht die zuvor zögernde Konkurrenz unter Druck.

Von Max Hägler, Stuttgart

Gefährlich scheint dieser Wagen zu sein und dieser Treibstoff, das ist die erste Reaktion, wenn man in Kirchheim unter Teck an dieser kleinen Tankstelle mit dem rostigen Dach steht: Gerade wird ein Mercedes aufgefüllt, und die Mitarbeiter reichen eine zweiseitige laminierte Infokarte herum - damit jeder der Umstehenden weiß, worauf beim Tanken von Wasserstoff zu achten ist. Wenn der Dichtring beschädigt ist, möge man den Betankungsvorgang sofort abbrechen. Und sollte man die schwere Tankkupplung einmal fallen lassen, dann möge man sofort das Tankstellenpersonal informieren, wenn sich nicht ohnehin die Warnblinkanlage automatisch einschaltet. Wasserstoff, das ist eben ein hochexplosives Zeug.

Wobei es sich ordentlich damit fährt. Vollgetankt surrt der B-Klasse-Mercedes danach leise und mit gutem Drehmoment durch die Landschaft. Es ist vielleicht eine Zukunft des Fahrens, die ohne Benzin auskommt und nur Wasserdampf und Wärme emittiert. Wer weiß - denn noch sind es nur Testwagen, die hier in Kirchheim unter Teck vorgeführt werden. Ingenieurträume gewissermaßen, die ein wenig ein Schattendasein fristen. Wenn es auch die Ansage gibt: Bis 2017 sollen Mercedes-Autos mit der Technik auf den Markt kommen.

Jetzt aber prescht die Konkurrenz aus Asien vor und bringt das Thema Wasserstoff offenbar schneller in Serie. Die Daimler-Forscher haben das Nachsehen.

Steuererleichterungen sollen den Verkauf der neuen Autos fördern

Toyota, der größte Autohersteller der Welt, will von April 2015 an erstmals ein Auto mit dieser Technik verkaufen. Das ist früher als von der Branche bislang spekuliert. Und der Wagen soll auch noch deutlich günstiger sein als erwartet: Umgerechnet 50 000 Euro soll eine Limousine kosten. Im Sommer 2015 soll das Auto dann auch in den USA sowie in Europa auf den Markt kommen.

Toyota Executive Vice President Mitsuhisa Kato News Conference On Fuell Cell Vehicle Development

Ein mit Wasserstoff betriebenes Auto von Toyota.

(Foto: Kiyoshi Ota/Bloomberg)

Es ist in der Tat eine bemerkenswerte Nachricht. Denn seit Jahrzehnten kämpfen gerade Automobilhersteller mit technischen und preislichen Herausforderungen bei dieser Energievariante: Ein Wagen mit Elektromotor bekommt dabei seinen Strom weiter über einen Akku, der aber nur noch Puffer ist und seinerseits gespeist wird über Brennstoffzellen, in denen getankter Wasserstoff mit Sauerstoff reagiert. Dadurch entsteht Energie; als Abgas entweicht nur Wasserdampf statt schädlicher Abgase.

Klingt umweltfreundlich, allerdings ist die Produktion von Wasserstoff extrem energieintensiv. Eine Infrastruktur mit Tankstellen existiert bisher nicht. Die Haltbarkeit der Brennstoffzellen ist begrenzt und die darin verwendeten Materialien - etwa Platin - teilweise sehr selten und teuer. Und dann ist da die Frage der Lagerung: Wie genau soll das Gas gelagert und transportiert werden? 600 Bar Druck und mehr herrschen in den Tanks.

VW zögert, BMW fasst wieder Mut

Brennstoffzellenauto von Toyota

Die Limousine mit Wasserstoffantrieb soll sieben Millionen Yen, umgerechnet etwa 50 000 Euro, kosten.

(Foto: Toyota)

Volkswagen hat die Entwicklungen deshalb erst in diesem Frühjahr ein wenig gebremst, glaubt nicht recht an einen Erfolg. Und auch in München bei BMW waren sie immer wieder unschlüssig, ob sich die Probleme zu vernünftigen Kosten lösen lassen. Inzwischen haben die Bayern wieder mehr Mut gefasst, wohl auch, weil sie sich mit Toyota zusammengetan haben - und haben für das Jahr 2020 den ersten Serien-Brennstoffzellen-BMW angekündigt. Vielleicht kommt auch der nun früher.

So funktioniert es

Autos, die mit Wasserstoff betankt werden - das klingt, als würde das Gas in einen Verbrennungsmotor gespritzt. Stattdessen fahren solche Fahrzeugen mit einem Elektromotor, bei dem eine Brennstoffzelle den Strom erzeugt, der wiederum aus einer chemischen Reaktion mit Wasserstoff stammt: In der Brennstoffzelle sind zwei Elektroden, meist Metallplatten, durch eine Elektrolyt-Schicht voneinander getrennt. Auf der einen Seite strömt Wasserstoff ein, auf der anderen Sauerstoff. Der Wasserstoff wird in seine Bestandteile aufgeteilt: zwei Elektronen und zwei Protonen. Die Protonen gelangen durch den Elektrolyten auf die Sauerstoffseite. Die Elektronen müssen dagegen den Umweg über einen Stromkreis nehmen, um zur Sauerstoffseite zu gelangen, wo ein Elektronenmangel herrscht. Aus Protonen, Elektronen und Sauerstoff entsteht dann Wasser. Und im Stromkreis entsteht eine Spannung von etwa einem Volt. Hintereinandergeschaltet, in einem Stapel, kommt die Brennstoffzelle auf die für den Elektroantrieb und den Pufferakku notwendige Spannung. Ein Problem: Zwar ist Wasserstoff das am häufigsten vorkommende, chemische Element. Aber die Erzeugung ist energieintensiv. Max Hägler

Dass nun gerade Japan antreibt, ist nicht verwunderlich - das Thema Wasserstofftechnologie steht dort ganz oben auf der politischen Agenda. In dieser Woche hat Ministerpräsident Shinzo Abe eine Initiative zur Förderung der Technik angekündigt. Üppige Subventionen und Steuererleichterungen sollen den Kauf von Brennstoffzellen-Autos und den Betrieb der Tankstellen fördern. Damit sollen die Kosten für solche Fahrzeuge bis 2025 auf 15 000 Euro gedrückt werden - und dadurch die japanische Autoindustrie dauerhaft wettbewerbsfähig bleiben.

Die Technologie schreitet voran

Aber auch wenn Toyota für den Moment die Nase vorn zu haben scheint: Auch in Deutschland wird im Stillen viel geforscht und gearbeitet. In Kirchheim unter Teck bei Daimler sieht man den Erfolg. Das erste Brennstoffzellen-Fahrzeug von Mercedes, das "Necar 1", war noch ein Transporter, so groß war die Anlage, bald soll die Technik nur noch den Umfang eines Vierzylinder-Motors haben.

Und vor einigen Jahren haben sich die hiesige Industrie und die Bundesregierung zusammengetan und das "Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff und Brennstoffzellentechnologie" ins Leben gerufen, das bis 2016 insgesamt 1,6 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert haben wird, dazu kommen EU-Programme. Just in dieser Woche diskutieren etwa Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt mit Kollegen in Turin über neue Entwicklungen bei den Tanks: Nur noch 70 Bar Druck und weit weniger Kühlung als bisher braucht dessen neueste Entwicklung, der Wasserstoff dann wie ein Schwamm speichert.

Herstellerübergreifende Allianzen

Auf solche Forschungen und ebenfalls auf einer Kooperation baut Daimler seine Zuversicht auf: Um auf höhere Stückzahlen zu kommen und sich den Aufwand technischer Entwicklungen zu teilen, haben die Schwaben im vergangenen Jahr ein Abkommen mit dem US-Hersteller Ford und Renault-Nissan geschlossen; die Entwickler der drei Unternehmen haben gemeinsam schon mehr als zehn Millionen Testkilometer absolviert. Mit der Expertise wollen sie dann ab 2017 über sieben Jahre verteilt 100 000 Fahrzeuge absetzen.

Dass nun Toyota in die Vorlage geht, versuchen sie bei Daimler sportlich zu sehen: "Für den Markterfolg von Elektroautos mit Brennstoffzelle braucht es mehr als technologisches Know-how - nämlich Teamwork, etwa bei der Infrastruktur", sagt Herbert Kohler, Leiter Konzernforschung. Die aktuellen Aktivitäten anderer Hersteller kämen Daimler da sehr entgegen.

Und die Sache mit der Sicherheit, scheint übrigens auch geklärt. Die Dekra hat zuletzt einige Brennstoffzellen-Autos getestet und kommt zu dem Urteil: Die Tanks halten, und so ein Fahrzeug ist auch nicht gefährlicher als ein Benzinauto.

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