Toyota Previa:Alter Name, neues Glück

Dem Maxivan aus Japan fehlt derzeit ein Dieseltriebwerk und eine Fahrdynamikregelung

(SZ vom 21.06.2000) Minivan ist nicht gleich Minivan. Die kompakten Großraumlimousinen - Opel Zafira, Renault Scénic, Citroën Xsara Picasso - konnten von Januar bis März europaweit um 80 Prozent zulegen. Die großen Minivans - Renault Espace, Chrysler Voyager, Ford Galaxy/VW Sharan - haben dagegen den Zenith wohl überschritten. Der Absatz der so genannten Maxivans sank im ersten Quartal um 5,2 Prozent. Keine guten Voraussetzungen für den Nachfolger des Toyota Previa, der längst aus den europäischen Top Ten herausgefallen ist.

Seit 17. Juni steht die zweite Auflage bei den Händlern. Der Name und die Außenlänge (4,75 Meter) sind gleich geblieben, doch das technische Konzept haben die Japaner total umgekrempelt. Statt auf Front-Mittelmotor und Heckantrieb setzt der Previa von sofort an auf Quermotor und Vorderradantrieb. Den Unterbau teilt sich der sechs- bis achtsitzige Kleinbus mit dem Camry, die Karosserie wurde jedoch komplett neu entwickelt. Sie ist etwas flacher und schmäler als die Außenhaut des Vorgängers, bietet aber trotzdem mehr Innenraum.

Flexibilität ist die große Stärke des Toyota-Maxivan. Die Einzelsitze in den Reihen zwei und drei lassen sich je nach Bedarf umklappen, versetzt einbauen oder ganz herausnehmen. Wie bei der Lufthansa Business Class steigt der Preis mit dem Platzangebot. Der Achtsitzer mit den zwei engen Sitzbänken im Fond kostet 53 150 Mark, der Siebensitzer mit der variablen Bestuhlung steht mit 54 650 Mark in der Liste, und für den besonders bequemen und noch etwas geräumigeren Sechssitzer stellen die Japaner 57 150 Mark in Rechnung.

Obwohl beidseits große Schiebetüren mit elektrischen Fensterhebern montiert sind, ist die dritte Sitzreihe nicht so gut zugänglich wie man sich das wünschen würde. Auch bei der Kopf- und Beinfreiheit müssen im Fond deutliche Abstriche gemacht werden. Der Kofferraum fasst bei dachhoher Beladung je nach Bestuhlung zwischen 495 und 3250 Liter, in den großen Tank passen 75 Liter. ABS, Klimaanlage, Kassettenradio, Zentralverriegelung, elektrische Fensterheber und zwei Airbags sind serienmäßig vorhanden, doch wichtige Sicherheitsextras fehlen. ESP gibt es beispielsweise nur in Verbindung mit dem hierzulande nicht angebotenen V6. Der eigentlich unentschuldbare Verzicht auf Seiten- und Kopfairbags wird durch die hohe Sitzposition begründet. Eine weitere Unterlassungssünde ist der verspätete Einsatz des für Europa so wichtigen Dieselmotors. Der für 2001 avisierte 2,0-Liter-Selbstzünder stammt aus dem Avensis und leistet nur knapp ausreichende 81 kW (110 PS).

Im Gegensatz zum gefälligen Exterieur wirkt das Cockpit verspielt und billig. Die weit vorne platzierten Rundinstrumente sind im Gegensatz zum Radio schlecht abzulesen, für die Anordnung der sekundären Bedienungselemente war wohl der Zufallsgenerator verantwortlich, und weder die Kunststoffoberflächen noch die Sitzbezüge hinterlassen einen positiven Qualitätseindruck. Am Testwagen störten zudem die laute Mechanik, die nicht völlig geräuschfreie Verankerung der Sitze sowie ein gelegentliches Klappern in den Schiebetüren und dem Heckdeckel.

Als einzige momentan lieferbare Antriebsquelle fungiert ein 115 kW (156 PS) starker 2,4-Liter-Vierzylinder. Für die Beschleunigung von Null auf 100 km/h nimmt sich der Familientransporter 10,9 Sekunden Zeit, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 185 km/h. Der Verbrauch liegt bei bemerkenswert günstigen 9,5 Liter auf 100 Kilometer.

Der Previa gefällt dort am meisten, wo man es ihm auf Grund von Größe, Masse und Gewicht am wenigsten zugetraut hätte: beim Fahren. Die Lenkung arbeitet leichtgängig und präzise. Die vier Scheibenbremsen haben die Fuhre auch auf abschüssigen Passagen sicher im Griff. Straßenlage und Traktion überzeugen sogar bei forcierter Gangart. Das Grundübel der meisten Full-Size-Vans - überzogene Aufbaubewegungen und stark untersteuerndes Kurvenverhalten - kommt im Toyota nur ansatzweise zum Ausdruck. Der stattliche Kleinbus umrundet Biegungen aller Art weitgehend neutral; die sanften Lastwechselreaktionen dürften selbst Ungeübte nicht vor ernsthafte Probleme stellen.

In den Federungskomfort sollte man dagegen keine allzu großen Erwartungen setzen, dafür beeindrucken Geradeauslauf und Richtungsstabilität. Die leicht dosierbare Kupplung und das exakte Getriebe verdienen ebenfalls gute Noten. Nur mit Einschränkungen zu empfehlen ist dagegen die Vier-Stufen-Automatik (Aufpreis 2600 Mark), die sich dem Fahrstil allzu zögernd anpasst und bei jeder Gelegenheit in den nächst höheren Gang flüchtet.

Der neue Previa ist fahrsicher und geräumig. Dazu bietet er ein hohes Maß an Variabilität und einen guten Ausstattungskomfort. Spätestens im nächsten Jahr, wenn der Diesel und hoffentlich auch die Fahrdynamikregelung VDC lieferbar sind, dürfte der Maxivan aus Japan den europäischen Marktführern gehörig einheizen.

Von Georg Kacher

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: