Toyota Mirai im Fahrbericht:Den anderen voraus - schon wieder

Der neue Toyota Mirai

Führungsfahrzeug: Der neue Toyota Mirai ist die erste Serienlimousine mit Brennstoffzellenantrieb. Das Design ist eher gewöhnungsbedürftig.

(Foto: Harald Dawo)

Toyota setzt sich mit seinem Wasserstoffauto an die Spitze alternativer Antriebstechnik. Dem Mirai ist kaum etwas vorzuwerfen, nur der Preis ist enorm hoch.

Von Michael Specht

Belächelt wurde Toyota bereits vor 18 Jahren. Zumeist von der deutschen Autoindustrie. Damals brachten die Japaner ihr erstes Hybridmodell auf den Markt. Der Prius war nicht schön, hatte aber revolutionäre Technik. Heute lacht keiner mehr. Toyota hat mittlerweile mehr als acht Millionen Hybridfahrzeuge verkauft, in der Mehrzahl Prius. Die neueste Version der Öko-Limousine hat ihr Debüt nächste Woche auf der Tokyo Motor Show und fährt dann bereits in vierter Generation.

Nahezu parallel geben die Japaner erneut den Pionier der Branche und präsentieren den Mirai. Im Japanischen heißt das "Zukunft". Der Mirai fährt mit Wasserstoff, der in einer Brennstoffzelle zu Strom umgewandelt wird und einen Elektromotor antreibt. Der Hochmut der Konkurrenz hält sich dieses Mal allerdings in Grenzen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Dieselskandals, und weil alle renommierten Autobauer die Brennstoffzellentechnik bereits mehr oder weniger fertig entwickelt haben. Fahrzeugstudien mit dem revolutionären Antrieb gibt es jede Menge.

Toyota aber wagt nach Hyundai den Schritt in die Serie, wenn auch vorerst nur behutsam. Dieses Jahr sollen lediglich 25 Mirai nach Deutschland kommen. Alle sind bereits verkauft. Nächstes Jahr dürften es auch nur einige Hundert werden. Denn die Produktion im heimischen Motomachi fährt erst langsam hoch. Sie liegt derzeit bei 700 Stück pro Jahr und bedient den kompletten Weltmarkt. 2016 will Toyota 2000 Einheiten, 2017 dann 3000 Autos herstellen. Für 2020 sieht Yoshikazu Tanaka, der Chefentwickler des Mirai, sogar 30 000 Wasserstoff-Limousinen von den Bändern rollen. Man wird sehen.

Cool, spacig oder einfach hässlich?

Dass die Mirai-Kunden nicht wie bei Apple bei Neuvorstellungen nachts vor den Verkaufsräumen campieren, mag nicht nur an der derzeit schlechten Infrastruktur der Wasserstoffversorgung (19 Zapfsäulen in Deutschland) liegen, sondern auch an dem hohen Preis der Toyota-Limousine. Der Mirai kostet 78 600 Euro. Eine Summe, die allerdings zweitrangig ist. Denn Toyota verleast sein Brennstoffzellenauto. Der Hersteller möchte gern im Besitz der Fahrzeuge bleiben, um mehr Handlungsfreiheit bei eventuellen Problemen zu haben. Zudem gibt es keine verlässlichen Prognosen zum Gebrauchtwagenmarkt. Der Kunde zahlt für einen Zeitraum von vier Jahren monatlich eine Rate von 1219 Euro. Darin enthalten sind ein Full-Service, Winterreifen-Wechsel, Versicherung und eine Laufleistung von 20 000 Kilometer pro Jahr. "Wer den Mirai aber unbedingt kaufen möchte, kann selbstverständlich auch das tun", so ein Unternehmenssprecher.

Auch das Design des Mirai mag manchen "Early Adopter", wie Marketing-Menschen die Erstkäufer gerne nennen, zurückhaltend reagieren lassen. Die 4,89 Meter lange Limousine kommt so außergewöhnlich daher, dass man nicht so recht weiß, ob man dieses Auto nun cool, spacig oder einfach nur hässlich finden soll. Besonders die beiden riesigen Dreiecks-Lufteinlässe an der Front bilden eine gewöhnungsbedürftige Optik. Auch die keilförmige Seitenansicht - Toyota spricht von "Luft-in-Wasser"-Silhouette - und das pummelige Heck sind sicher nicht jedermanns Geschmack.

Gebrauchsfähiges Alltagsauto

Hinweis der Redaktion

Ein Teil der im "Mobilen Leben" vorgestellten Produkte wurde der Redaktion von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen Journalisten eingeladen wurden.

Der Mirai ist zudem nur für vier Personen zugelassen, ein Tribut an die Technik. Unter den Vordersitzen stecken die Brennstoffzellen-Stacks, bei einer Leistung von 154 PS mittlerweile auf die Größe eines Handgepäckkoffers geschrumpft. Die beiden Tanks mit einem Fassungsvermögen von fünf Kilogramm komprimiertem Wasserstoff (Druck: 700 bar) stecken unter der Rücksitzbank und über der Hinterachse und ermöglichen eine Reichweite von rund 550 Kilometer. Damit taugt die Öko-Limousine zum gebrauchsfähigen Alltagsauto und zieht in dieser Disziplin gnadenlos am Batterie-Pendant vorbei. Der Mirai muss auch nicht für acht Stunden an die Steckdose, sondern lässt sich in wenigen Minuten auftanken.

Nicht wenige Experten sehen daher die Kombination aus Brennstoffzelle und E-Fahrzeug als den Königsweg der alternativen Antriebe, vorausgesetzt der Wasserstoff wird regenerativ (Wind, Solar) hergestellt. "Wir sind überzeugt, dass der Brennstoffzelle die Zukunft gehört", sagt jedenfalls Yoshikazu Tanaka, und hofft, dass möglichst bald möglichst viele Autohersteller den Wasserstoffweg gehen.

Ruhe und Geschmeidigkeit sind bemerkenswert

Fahrdynamisch bewegt sich der Mirai so leise und sportlich wie andere Elektrofahrzeuge auch, denn die eigentliche Stärke des Elektromotors ist sein hohes Drehmoment. In diesem Fall sind es 335 Newtonmeter, etwa so viel wie auch ein Zweiliter-Dieselmotor entwickelt, der dafür allerdings Drehzahl braucht und entsprechend Schadstoffe in die Luft bläst. Der Mirai überträgt die volle Kraft aus dem Stand heraus an die Vorderräder. Bemerkenswert sind die Ruhe und die Geschmeidigkeit, mit der das Auto über die Straße surrt. Diese Gelassenheit überträgt sich schon nach kurzer Fahrt auf den Fahrer. Nur keine Hektik, Entspannung ist im Mirai das Gebot der Stunde und wer's lieber sportlich mag, sollte sich besser anderweitig umsehen.

Wie an einem riesigen unsichtbaren Gummiband gezogen beschleunigt die Limousine gleichförmig und nachdrücklich. Erst jetzt ist zu hören, dass unter der Karosserie eine andere Technik steckt als in einem rein batteriegetriebenen Elektroauto. Weil die Brennstoffzelle viel Sauerstoff benötigt, sobald mehr Leistung abgerufen wird, sorgt ein kleiner Kompressor für einen erhöhten Luftdurchsatz.

Im Cockpit des Mirai dominieren moderne Displays, nüchtern, übersichtlich und funktional. Fast alles lässt sich wie auf einem Tablet-Computer bedienen. Wandert zum Beispiel der Finger entlang des Klimasymbols nach unten oder oben, regelt dies die Temperatur - natürlich für Fahrer und Beifahrer getrennt. Vor dem Lenkrad selbst besitzt der Mirai keine Instrumente. Die Designer platzierten sie stattdessen mittig auf der oberen Armaturentafel. Auch dort lassen sich Anzeigen wie Geschwindigkeit oder der Energiefluss gut ablesen - selbst für den Beifahrer. Ebenfalls als sehr angenehm erweisen sich Sitzkomfort und Raumgefühl. Auch im Fond geht es kommod zu. Erwachsene sitzen bequem. Zu mäkeln gibt es allenfalls etwas am recht kleinen Kofferraum: 361 Liter, das sind weniger als im Golf.

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