Bus-Unfall bei Münchberg:Wie ein Bus zur Feuerfalle werden kann

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  • Bei dem Busunglück auf der A 9 nahe Münchberg sterben 18 Menschen. Derzeit untersuchen die Behörden, wie der Reisebus so stark Feuer fangen konnte.
  • Es kommen unterschiedliche Brandherde in Betracht: Kurzschluss der Kupferkabel oder der Motorraum. Auch die Diesel-Tanks können Feuer fangen.
  • Experten sind sich dennoch einig: Viel mehr kann man derzeit für die Sicherheit von Reisebusinsassen nicht tun.

Von Thomas Harloff

4. November 2008, die A 2 nahe Hannover: 20 Menschen sterben, als ein Bus in Brand gerät. Weil eine Zigarette den Brand in der Bordtoilette ausgelöst hat, wie es ersten Gerüchten nach hieß? Oder doch, weil ein Kurzschluss zu einer Verpuffung führte, wie einige Experten aus dem Unglückshergang schlossen? Als offizielle Ursache gilt jedenfalls ein Kabelbrand hinter der Verkleidung der Bordküche. Allerdings zweifeln andere Sachverständige das entsprechende TÜV-Gutachten an.

3. Juli 2017, die A 9 nahe Münchberg in Oberfranken: 18 Menschen sterben, als ein Bus in Brand gerät. Diesmal, nachdem es zuvor zu einem "offenbar nur leichten Auffahrunfall", wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte, gekommen ist. Wie der Aufprall auf einen Lastwagen einen Reisebus zur Feuerfalle machen kann, wird derzeit von den Behörden untersucht.

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So tragisch diese beiden Ereignisse sind: Sie sind kein Grund, panisch zu werden. Nur selten spielt Feuer bei Busunglücken eine Rolle. Und das meist auch nur dann, nachdem die Busse mit Tanklastern kollidierten, wie bei einem Unfall in Russland 2009 oder in der Türkei vor knapp drei Jahren. "Seit Januar 2016 hat es nur zwei Feuervorfälle mit Reisebussen in Deutschland gegeben, die aber beide glimpflich ausgegangen sind", sagt Johannes Hübner, der beim Internationalen Bustouristik Verband für Sicherheitsfragen zuständig ist.

Doch ein paar Feuergefahren sind real, das zeigen die Unglücke bei Hannover und Münchberg. Ein Brandherd kann der in einem Reisebus hinten angeordnete Motorraum sein. Etwa dann, wenn aus undichten oder gar geborstenen Leitungen Kraftstoff oder Öl auf heiße Teile wie den Turbolader trifft. Tritt dieses Szenario ein, haben die Insassen in der Regel aber noch Zeit, den Bus zu verlassen, da der Motorraum abgekapselt ist. Außerdem sind immer mehr Busse in diesem Bereich mit automatischen Löscheinrichtungen ausgestattet. Im Fahrgastraum dürfen diese aber nicht verwendet werden, denn Kabelbrände können nur mit einem Pulver gelöscht werden. "Wenn Sie das einatmen, verklebt das die Lungen. Das ist hier keine Alternative", sagt Jürgen Bente vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat DVR.

In den meisten Fällen können sich die Reisenden noch über die Fluchtwege retten. Der Fahrer kann die Türen öffnen - und wenn nicht, können das die Fahrgäste über einen Notöffner tun. Liegt der Bus nach einem Unfall auf der Seite, können auch die Dachluken als Notausstiege genutzt werden. Oder man schlägt die Fenster mit den Nothämmern ein, die im Bus verteilt an der Innenverkleidung hängen. "Aber sind die Insassen im Ernstfall dazu in der Lage, das zu realisieren? Haben sie anfangs bei der Sicherheitseinweisung gut aufgepasst?", fragt Bente. "Oder gelingt es Senioren, durch ein eingeschlagenes Fenster 2,20 Meter in die Tiefe zu springen?", ergänzt Hübner.

Wie schnell es manchmal gehen muss, zeigt die Gefahr eines Kurzschlusses. "Wie jedes moderne Auto haben auch die heutigen Busse viele Kupferkabel im Innern liegen", erklärt Bente. Diese werden benötigt, um den Fahrgästen USB-Anschlüsse und Steckdosen für Smartphones und Laptops bieten zu können. Zwar kann der Fahrer das System im Notfall lahmlegen, aber dazu muss er körperlich in der Lage sein. Denn wenn es zu einem Kurzschluss kommt, verkokeln schnell die Kabel und es kommt zu einem ätzend-beißenden Qualm, "der aus allen Ritzen drängt", wie Hübner sagt. Der nimmt den Insassen Sicht und Atem, sie haben nach kurzer Zeit keine Chance mehr, obwohl es womöglich noch nicht einmal richtig brennt.

Können weder der Fahrer noch die Reisenden rechtzeitig eingreifen, steht schnell der ganze Bus in Flammen, und zwar "binnen Sekunden", sagt Hübner. Die Kabel liegen innerhalb eines Gitterrohrrahmens, der mit leitendem Metall beplankt ist. Wenn diese Konstruktion nach einem Aufprall zu stark beschädigt ist, "hilft auch kein Notausschalter mehr", sagt DVR-Experte Bente. Zwar gebe es Vorschriften, dass die Inneneinrichtung aus feuerhemmenden Materialien bestehen muss. "Das ist wie im Auto: Die Glut einer Zigarette verursacht einen ärgerlichen Brandfleck und sonst nichts. Aber ist das Feuer zu stark, dann wird es zu heiß und die ganze Innenausstattung fängt Feuer."

Derzeit kann man mehr für die Sicherheit von Reisebussen nicht tun

Und irgendwann fangen vielleicht sogar die Dieseltanks Feuer, die bei den meisten Bussen hinter der Vorderachse untergebracht sind. Die bestehen entweder aus Aluminium oder aus jenem Kunststoff, den Autofahrer von Reservekanistern kennen. "Irgendwann schmilzt das Material und dann fängt brennender Sprit über den Tankverschluss an, auszulaufen. Das könnte hier passiert sein, weil die Böschung rund um den Bus ebenfalls gebrannt hat", sagt Johannes Hübner. Ab diesem Moment kann sich von der rechten Seite, wo sich die Türen befinden, kein Helfer mehr dem Bus nähern. Links ist nur die Fensterseite - und die liegen sehr hoch.

Hübner und Bente sind sich einig: Viel mehr kann man für die Sicherheit von Reisebusinsassen trotzdem nicht tun. "Wir haben Gurte, Feuerlöscher, Notausschalter, Hämmerchen für die Fenster, Notöffner für die Türen, moderne Assistenzsysteme - eigentlich ist alles da", sagt Johannes Hübner. Mit der Tatsache, dass es keine absolute Sicherheit gibt, müssen Busreisende also ebenso leben wie Auto- und Bahnfahrer oder Flugpassagiere. Immerhin sind die Zahlen auf ihrer Seite: Laut Unfallstatistik sind die großen Transportmittel deutlich sicherer als das Auto. Auch wenn das nach dem frischen Eindruck eines Unglücks wie dem vom Montag ein schwacher Trost ist.

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