SZ-Gespräch mit Matthias Wissmann:"Weniger Abgase in allen Klassen"

Deutsche Autoindustrie attackiert europäische Pläne zur Reduzierung der Emissionen

Von Michael Kuntz

"Jeder Autohersteller muss in allen Fahrzeugklassen die beste Reduktion von Kohlendioxid erreichen." Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), wendet sich gegen Pläne für eine europäische Regelung zugunsten der Kleinwagen-Konzerne aus Frankreich und Italien. Die würde sich gegen die deutschen Hersteller richten. Die EU-Kommission will ihr Konzept kurz vor Weihnachten vorstellen.

Für Wissmann, der seit Mitte des Jahres VDA-Chef ist, wäre die bereits bestehende japanische Lösung zur Verringerung des Ausstoßes an Kohlendioxid die beste. "Die Regulierung geht nach Gewicht und jeder Hersteller wird gleich behandelt." Wissmann hält die Chancen für "ganz gut", dass diese Regelung auch in Europa erfolgen wird.

Orientierung am japanischen Modell

Japan gibt Ziele für 2015 vor - und viel schneller werde es auch in Europa nicht gehen können. Nach durchschnittlich fünf bis sieben Jahren kommt das jeweilige neue Pkw-Nachfolgemodell auf den Markt. "Man muss diese Produktzyklen einbeziehen. Deshalb bedarf es, wenn man 2012 beginnt, einer entsprechenden Einführungsphase", so Wissmann.

Wissmann spricht sich für eine "Paketlösung" aus, um das Ziel von 120 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer als Durchschnitt für die europäische Fahrzeug-Flotte zu erreichen. "Ergänzende Maßnahmen" sollten von Anfang an in das Regelwerk einbezogen werden, damit die Hersteller Klarheit erhalten, was von ihnen politisch erwartet wird.

Dazu zählen die Verwendung von Biokraftstoffen, die eine Verringerung des Kohlendioxidausstoßes um bis zu neunzig Prozent ermöglichen, Anzeigen für optimale Schaltpunkte des Getriebes, aber auch die Verringerung des Rollwiderstands von Reifen. Solche Maßnahmen könnten mindestens zehn Gramm pro Kilometer bringen. "Dann muss man bei den Fahrzeugen auf eine Größenordnung zwischen 130 und 135 Gramm kommen", rechnet Wissmann vor.

"Weniger Abgase in allen Klassen"

Der VDA-Präsident warnt vor einer Politik nach dem Motto "Kleinwagen gut - große Autos böse". Es gebe sogar neue Kleinwagen-Modelle auf dem europäischen Markt, die zwar weniger Kraftstoff verbrauchen als Familienvans, die für ihre Klasse jedoch eigentlich zu wenig erreichen. Jeder Hersteller müsse in jeder Fahrzeugklasse beste Abgaswerte bringen.

Der Familienvan dürfe daher nicht gleich gewertet werden wie der Kleinwagen. Wie in Japan müsse das jeweils sparsamste Fahrzeug im Segment der Maßstab für die anderen sein. "Wer in seiner Klasse das beste Ergebnis hat, der muss auch entsprechend prämiert werden", findet Wissmann. In der EU-Kommission öffne man sich inzwischen dieser segmentspezifischen Herangehensweise, "obwohl das zu Beginn der Diskussion nicht selbstverständlich war".

Versteckte Industriepolitik

Entschieden wendet sich der VDA-Präsident gegen Pläne der französischen Regierung, von den deutschen Premium- und Familienvan-Herstellern praktisch die gleichen CO2-Werte zu erwarten wie von den Produzenten der Mittelklasse- oder Kleinwagen. "Das würde im Prinzip die Existenz der Premiummarken gefährden." Natürlich hätten die Premiumhersteller in ihrem Bereich eine noch größere Reduzierung des Kohlendioxids zu erbringen als die Hersteller von Mittelklasse- und Kleinwagen. "Wir fordern keinen einseitigen Vorteil und sind bereit, Mehrlasten zu tragen bei der Reduktion", sagt Wissmann.

Zur Zeit gebe es aber noch Politiker in Europa, die glaubten, man müsse bei den Kleinwagen und in der Mittelklasse gar nicht mehr viel senken, sondern die gesamte Reduzierung des Kohlendioxids müsse von den größeren Fahrzeugen kommen. Wissmann: "Das ist eine umweltpolitische Milchmädchenrechnung."

Würden nur die 50 verbrauchsstärksten Fahrzeuge ihre Kohlendioxid-Emissionen um 20 Prozent reduzieren, gebe es eine Gesamtentlastung für die Umwelt von 0,4 Prozent. Wenn aber die 50 meistverkauften Pkw - vor allem Kleinwagen und Modelle der Kompaktklasse - die Emission um 20 Prozent reduzieren, entsteht eine Entlastung für die Umwelt von 14 Prozent. "Von den größeren Autos mehr fordern - ja, von den größeren alles fordern und unten nichts tun - nein", sagt Wissmann. "Das bringt für die Umwelt nichts, sondern wäre Industriepolitik durch die Hintertür mit dem Ziel, den Erfolg deutscher Premiummarken auf dem Weltmarkt kaputtzumachen", sagt der Verbandschef.

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