Suzuki Wagon R+ / Daihatsu Move / Mercedes-Benz A-Klasse:Kleine Autos, die große Ansprüche erfüllen sollen

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Während die japanischen Fabrikate über den Preis verkauft werden, setzt Mercedes auf Innovation und Sicherheit für viel Geld

(SZ vom 18.10.1997) Der Trend war schon auf der IAA in Frankfurt ganz deutlich zu sehen: Kleine Autos sind ganz groß im Kommen. Jetzt rollen die neuesten Modelle aus den Messehallen in die Verkaufsräume der Händler. Die einen halten diese Entwicklung zum Downsizing, zur kleineren Größe, für eine Alibistrategie, damit die Hersteller in Zeiten wachsenden Umweltbewußtseins auch weiterhin mit gutem Gewissen ihre großen und leistungsstarken Limousinen anbieten können. Doch auf der anderen Seite tun sich tatsächlich neue Marktlücken auf: bei Autofahrern, die aus Umweltgründen - oder weil es das Bankkonto diktiert - eine Nummer kleiner einsteigen wollen. Wir haben die drei neuesten Vertreter der kleinen Autos näher unter die Lupe genommen.

In Japan ist er mit monatlich 15 000 verkauften Einheiten das erfolgreichste Auto. In Deutschland muß er sich erst eine Nische erkämpfen: Der Wagon R+ von Suzuki gehört zu einer neuen Art von Auto, die sich Micro-Van nennt. Sie sehen so aus, als ob die Konstrukteure eine ganz normale Großraumlimousine hergenommen und am Computer einfach deren Größe reduziert hätten. Das gilt auch für den bislang einzigen Konkurrenten des Wagon R+, den Move von Suzuki. Allerdings scheinen bei dem Schrumpfungsprozeß die Designer nicht gefragt worden zu sein, denn die beiden japanischen Micro-Vans geben eine relativ ähnliche Figur ab.

Mehr Leistung für viel mehr Geld

Der dritte im Bunde der neuen Kleinen, die in diesen Tagen zu den Händlern rollen, ist die A-Klasse von Mercedes-Benz. Von der Außenansicht her ebenfalls ein Micro-Van, unterscheidet sich die neueste Kreation aus Stuttgart sowohl von der angebotenen Motorisierung, dem Sicherheitskonzept und vor allem vom Preis her doch deutlich von den beiden Japanern. Mindestens 30 360 Mark muß man für den 3,57 Meter langen Stern auf Rädern investieren, aber dieser Preis steht eigentlich nur auf dem Papier, denn in der Praxis wird sich nahezu jeder ein paar Extras gönnen. In dem Wagen, der uns zur Verfügung stand, summierten sich die Optionen wie Sitzheizung, Metalliclackierung, spezielle Felgen und ein bißchen Leder auf den stolzen Preis von etwa 42 000 Mark. Der Preis ist also Mercedes-like, dafür bekäme man zwei Suzuki Wagon R+ (Basispreis 19 850 Mark) oder fast drei Daihatsu Move (15 790 Mark). Allerdings wäre es ungerecht, nun die A-Klasse ins Abseits zu stellen, denn in der Tat bietet sie im Vergleich vieles mehr: subjektiv einen solideren Eindruck, objektiv mit dem 1,6-Liter-Vierzylinder mit 75 kW (102 PS) einen Motor, der auch für längere Fahrten auf der Autobahn tauglich ist.

Das gilt für den Kleinsten im Bunde, den Move, nur eingeschränkt. 3,31 Meter lang und 820 Kilogramm schwer, werkelt unter der lieferwagenähnlichen Motorhaube ein Dreizylinder-Motor mit 850 Kubikzentimetern Hubraum. 31 kW (42 PS) machen den Move in der Stadt ausreichend mobil, doch wenn es aufs Land hinausgeht, wünscht man sich sehr schnell etwas mehr Leistung - bei 131 km/h endet der Vortrieb, an der 100-km/h-Marke streicht die Tachonadel nach schier endlosen 19,4 Sekunden vorbei. Dafür hält sich der Durchschnittsverbrauch mit 6,0 Liter Normal bleifrei in Grenzen.

Doch am erstaunlichsten ist es, wo dieser Micro-Van den meisten Platz bietet: über den Köpfen der Passagiere. Die 1,70 Meter Raum, die vom Straßenbelag bis zum Dach zur Verfügung stehen, sind wohl nur für japanische Verhältnisse gut verteilt. Menschen, die größer als 1,70 Meter sind, finden in dem Mini-Gestühl einfach keinen Platz. Wenn man es dennoch versucht, könnte man zwar einen Zylinder tragen, müßte aber dafür Arme und Beine chirurgisch verkürzen lassen. Vor einer ernsten Kaufabsicht ist also ausgiebiges Probesitzen angeraten.

Karg wie die Sitze ist auch die restliche Ausstattung im Basismodell GLX ausgefallen: kein Drehzahlmesser, nicht einmal eine Uhr. Dafür gibt es Colorverglasung und eine Dachreling mit Heckspoiler. Wer etwas mehr Komfort wie eine Zentralverriegelung und elektrische Fensterheber vorne liebt, muß 16 590 Mark für die SGX-Ausführung investieren. Der Kofferraum faßt 225 Liter, so daß häufig nur das Umklappen der Rücksitze übrig bleibt. Dann erweist sich der Move als vielseitiger Transportkünstler - ob er, wie Daihatsu in einem Pressetext behauptet, gleich ein "Kunstwerk" ist, muß jeder für sich selbst entscheiden.

Sowohl vom Aussehen als auch im Fahrbetrieb wirkt der Wagon R+ von Suzuki eine halbe Nummer erwachsener als der Move. Er ist zehn Zentimeter länger (3,41 Meter), fast gleich hoch, aber mit 1,58 Meter um 18 Zentimeter breiter als der Move. Angetrieben wird er von einem 1,0-Liter-Vierzylinder-Motor, der 48 kW (65 PS) mobilisiert. Diese treiben den 850 Kilogramm leichten Micro-Van bei Bedarf auf eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h. Der Durchschnittsverbrauch liegt mit 6,0 Liter Normal bleifrei auf dem Niveau seines Konkurrenten. Der Wagon R+ kann mit einigen pfiffigen Details aufwarten: Die Rückbank läßt sich so versenken, daß ein glatter Kofferraumboden entsteht. Und klappt man die Sitzfläche des ebenfalls viel zu klein geratenen Beifahrersitzes hoch, kann man eine Art Einkaufskorb aus Plastik herausheben. Die Aufpreisliste ist kurz: Das Komfort-Paket aus ABS und Klimaanlage kostet 2950 Mark.

Womit wir bei einem der Charakteristika von Mercedes-Benz wären: die ellenlange Aufpreisliste, die vom "Gepäcknetz seitlich im Kofferraum" für 34,50 Mark bis zum Navigationssystem für 4370 Mark reicht. Im Fahrbetrieb erweist sich die A-Klasse als den besten Kompaktwagen ebenbürtig. Die Sitze sind auch für Große geeignet, und das bei einer Länge von 3,57 Metern. Manche waren allerdings nach dem ersten Einsteigen vom Raumgefühl enttäuscht. Kritikpunkte sind das zu billig wirkende Armaturenbrett und vor allem der hohe Preis. So werden sich Mercedes und die Japaner jedenfalls nicht ins Gehege kommen.

Von Otto Fritscher

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