Suzuki Jimny:Kleiner Hochstapler

Der erste Geländewagen, der ohne Allradantrieberhältlich ist

(SZ vom 18.11.1998) Daß ein Pkw mit Allradantrieb nicht wirklich geeignet ist, über Stock und Stein zu rumpeln, weil es ihm an Bodenfreiheit fehlt, leuchtet ein. Befremdlich ist hingegen, wenn bei einem Auto, das aussieht wie ein Geländewagen, abgeraten wird, den Asphalt zu verlassen. Suzuki hat diese Rarität seit kurzem im Angebot. Der 3,61 Meter kurze Jimny täuscht in seiner preiswertesten Version zu 21 990 Mark Geländetauglichkeit nur vor - dem "starken Stück", wie der Importeur das neueste Produkt nennt, fehlt nämlich der zuschaltbare Allradantrieb.

Eigenständiger Auftritt

Daß der Etikettenschwindel die angepeilte jugendliche Kundschaft abschrecken wird, glaubt Suzuki nicht. Entscheidend für diese Zielgruppe seien Fahrspaß, ein eigenständiger Auftritt, Preis und Qualität - und das biete der Jimny auch ohne Allradtechnik, und im Stadtverkehr, wo der Jimny am häufigsten eingesetzt werden dürfte, sei der Hinterradantrieb "mehr als ausreichend".

Das Wort Komfort taucht in dieser Stichwortsammlung nicht auf. Mit gutem Grund: Um mit einem attraktiven Preis locken zu können, hat Suzuki bei seinem kleinen Hochstapler nicht nur auf den Allradantrieb verzichtet, sondern auch auf die Servolenkung. Das macht es leider schwer, den von seinen Abmessungen her ausgesprochen stadttauglichen Wagen ohne Schweißausbrüche in Parklücken zu bugsieren. Und Fahrten über kurvenreiche Strecken sind zumindest ein hartes Stück Arbeit. Führt die Route über Straßen mit mehrfach geflickter Fahrbahndecke oder gar über Kopfsteinpflaster, wird neben der Armmuskulatur obendrein das Rückgrat gefordert: Der Jimny hat zwar vier Schraubenfedern, doch von Federungskomfort kann keine Rede sein.

Dieses Urteil gilt auch für den Jimny mit Cross-Country-Paket, doch immerhin weist er dann eine Servolenkung und den zuschaltbaren Allradantrieb auf, der die hochbeinige Karosserie rechtfertigt. Die zusätzliche Technik hat mit 3600 Mark allerdings einen stolzen Preis, weil sie nur in Kombination mit reinen Komfortextras wie elektrischen Fensterhebern, Zentralverriegelung und optischen Anreizen wie in Wagenfarbe lackierten Stoßfängern und Flankenschutzverkleidungen angeboten wird - lauter Zutaten, die ein Auto im Gelände ähnlich dringend braucht wie ein Stadtauto grobstollige Reifen. Auf ABS-geregelte Bremsen muß die Kundschaft hingegen noch ein Weilchen warten; sie sind erst von Mai 1999 an - gegen Aufpreis und nur in der Cross-Country-Version - zu bekommen.

Als Antrieb dient im Jimny ein 1,3-Liter-Benziner, der die D2-Abgasnorm erfüllt, eine Höchstleistung von 59 kW (80 PS) erwirtschaftet und ob seines bescheidenen Drehmomentangebots - der Höchstwert von 104 Newtonmetern wird bei 4500 Kurbelwellenumdrehungen pro Minute erreicht - Temperament nur dann entwickelt, wenn der Fahrer nicht lärmempfindlich ist. Denn es gilt die Gänge nicht zu früh, wohl aber fleißig zu wechseln. Wer dazu keine Lust hat, kann für weitere 2300 Mark eine elektronisch gesteuerte Vier-Stufen-Automatik bestellen, sofern er sich für das Cross-Country-Paket entschieden hat. Eine Klimaanlage darf auch der Einsteiger-Jimny-Käufer ordern, 1490 Mark wird der Händler ihm dafür in Rechnung stellen.

Kletterpartie nach hinten

Zugelassen ist der Dreitürer als Viersitzer. Nach hinten sollte man allerdings nur gelenkige Leute schicken, denn der Einstieg ist eng und eine Easy-Entry-Funktion, die den Sitz ein kleines Stückchen weiter nach vorne gleiten läßt, lediglich auf der Beifahrerseite installiert. Kopfstützen im Fond finden die Fahrgäste ausschließlich im Cross Country vor. Vielleicht geht Suzuki davon aus, daß in der Basisversion hinten sowieso nur selten Leute Platz nehmen, weil sie sich dort auf pflegeleichtem, aber nicht unbedingt sitzfleischfreundlichem Plastikgewebe statt Stoff niederlassen müßten. Zur Größe des etwa getränkekastentiefen Kofferraums macht Suzuki keine Angaben, doch viel einzupacken empfiehlt sich bei voller Besetzung ohnehin nicht.

Im Suzuki-Programm tritt der Jimny zusammen mit dem Vitara in der Sparte Fun- und Lifestyle-Autos an. Der Samurai, der einst an der Spitze dieser Bewegung stand, ist ins Fach "leichte Nutzfahrzeuge" übergewechselt, weshalb das Angebot um einen Pickup mit verlängertem Radstand erweitert wurde. Um für seine neuen Aufgaben gerüstet zu sein, gibt es den Samurai künftig sowohl mit 1,3-Liter-Ottomotor als auch mit einem 1,9-Liter-Turbodiesel, den Suzuki vom fanzösischen PSA-Konzern bezieht.

Von Gerlinde Fröhlich-Merz

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